Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Mazarin liebte von Jugend auf das Spiel; er wußte wieviel er bei allem Verdienst dem Glück verdanke; noch schien er nicht an seinem höchsten Ziele angekommen zu sein. Man hat versichert, er habe daran gedacht, bei der nächsten Vakanz den päpstlichen Stuhl zu besteigen, und allerdings wäre dies das wahre Mittel gewesen, mit höchster Ehre dem Könige die Verwaltung seines Reiches zurückzugeben und so von Frankreich zu scheiden. Eine recht authentische Spur dieses Planes findet sich nicht; was man von einer darauf zielender Abkunft zwischen Don Luis de Haro222 und dem Kardinal erzählt, muß ohne Zweifel verworfen werden. Und wenigstens fürs erste meinte jedermann, daß Frankreich zur vollkommenen Befestigung der Ruhe seiner Anwesenheit noch nicht entbehren könne. Welch eine Aussicht aber, mag er sie nun selbst oder mögen sie andere gefaßt haben, daß er zuerst die begonnene Einrichtung von Frankreich vollenden und alsdann die päpstliche Autorität, mit deren Inhabern er so oft gekämpft hatte, selber erwerben und in Einklang mit dem von ihm erzogenen König verwalten sollte.
Das war ihm jedoch nicht beschieden. Schon auf der Rückreise von der Insel der Konferenz223 erfuhr er überaus schmerzhafte Gichtanfälle, und darauf schwanden seine Kräfte sichtlich. Am 9. März 1661 starb Mazarin; bei Hofe ward, was außer aller Gewohnheit ist, Trauer für ihn angelegt. Darin, daß er in vollem Genuß von Würde, Macht, Reichtum und Ansehen hinging, sahen die Menschen eine Fortsetzung desselben Glückes, das sein Tun und Lassen von Anfang an begleitet hatte.
28. Ludwig XIV., König von Frankreich
Französische Geschichte III u. IV, Werke Bd. 10 S. 196 ff. u. Bd. 11 S. 6-8.
Welche Gefühle konnte ein Fürst in sich tragen, dessen Jugend von Stürmen, wie er sie erfahren hatte, erfüllt gewesen war! Soweit sein Gedächtnis in seine früheste Kindheit zurückreichte, hatte er sich selbst als den von Gott bestimmten Vertreter aller weltlichen Autorität im Reiche betrachtet, von allem Widerstreben sich persönlich beleidigt gefühlt. Waren es nicht eben die in Person von ihm in feierlichen Sitzungen ausgesprochenen Unordnungen, gegen welche sich die Fronde erhob? Er hatte einst, um Ärgerem zuvorzukommen, seine Hauptstadt bei Nachtzeit verlassen müssen; ein andermal hatte man die Gardinen seines Bettes weggezogen, um die in das Palais Gekommenen, die ihn nicht noch einmal fliehen lassen wollten, von seiner Anwesenheit zu überzeugen. Seine Mutter hatte ihn unter Gebet für seine legitime Autorität in den Kampf mit den Prinzen geführt, er hatte der Schlacht zugesehen, welche für dieselbe vor den Toren von Paris geschlagen wurde; dann hatte er in dem spanischen Kriege, der zugleich zur Wiederherstellung der Macht im Innern geführt wurde, selber die Waffen getragen, Stenay dem Prinzen von Condé abgewonnen. Wie sollte ihm irgend etwas mehr am Herzen liegen, als diesen so persönlichen Kampf nun vollends durchzuführen, als die zu unterwerfen, welche sich seinem Gebot zu entziehen getrachtet hatten? Sein fürstliches Selbstgefühl dürstete nach dieser Genugtuung.
Er war in der glücklichen Lage, sich dabei nicht als ein Zwingherr vorkommen zu müssen, denn nach soviel widerwärtigen Unruhen sahen die Franzosen jetzt in der Herstellung einer gesetzlichen Herrschaft selbst ihr Heil.224 Im Gegensatz mit den Verkündigungen der Fronde kam nunmehr bei ihnen die Doktrin vom leidenden Gehorsam auf, nach welcher es dem Volke, auch wenn es von seinem Fürsten Unrecht leidet, darum doch nicht freisteht, die Waffen gegen ihn zu ergreifen, weil dies noch viel größere Übelstände hervorbringen würde; einen Fürsten dürfe man nicht nach den Regeln des Privatlebens richten; man werde einen Strom nicht trocken legen wollen, weil er sich zuweilen über seine Ufer ergieße. Und auch dahin ging die öffentliche Meinung, daß der König ohne Günstling noch allwaltenden ersten Minister regieren müsse. In ausführlichen Anmahnungen ward Ludwig gewarnt, es nicht dahin kommen, keinen Sejanus, keinen Alvarez de Luna über seine Beschlüsse Herr werden zu lassen;225 es wäre besser, er würde ein Tyrann über sein Volk als ein Sklave andrer. Den jungen Fürsten beseelte ohnehin ein tiefer Widerwille gegen ein solches Verhältnis. Sein Herz schlug ihm, wenn er beim Studium der französischen Geschichte auf die Hausmeier unter der ersten, oder die von ihrer Untätigkeit hergenommenen Beinamen einiger Könige der zweiten Dynastie kam. Welchen Sinn hatte es auch, die Monarchie herstellen zu wollen ohne den Monarchen? Denn hier vor allem ist zur Ausbildung der Gewalt auch ihr Träger erforderlich. Ein selbstherrschender König war notwendig; durch den Sieg war es Ludwig XIV. geworden; er nahm sich vor, ein König zu sein, wie er sein müsse.
Er besaß von Natur die zum Geschäft der Regierung erwünschtesten Eigenschaften, richtigen Verstand, gutes Gedächtnis, festen Willen. Er wollte nicht allein ein weiser oder ein gerechter oder ein tapferer Fürst sein, nicht allein vollkommen frei von fremdem Einfluß, unabhängig im Innern, gefürchtet von seinen Nachbarn, sondern alle diese Vorzüge wollte er zugleich besitzen. Er wollte nicht allein sein, noch viel weniger bloß scheinen, er wollte beides: sein und dafür gelten, was er war. Aus einigen handschriftlichen Aufzeichnungen, die von ihm übrig sind, erkennt man, wie sehr ihm dies am Herzen lag. Eine der Regeln, die er sich vorschreibt, ist: nie einen Beschluß in der Eile zu fassen, denn ein solcher würde der Reife entbehren; eine andre: niemals schmeichlerischen Hoffnungen zu vertrauen, denn unter dem Einfluß derselben handle man schlecht und rede nicht besser; eine dritte: alles, was er zu sagen habe, vorher zu erwägen, um Reputation zu gewinnen und zu behaupten.
Wenn man ihn im Felde, hauptsächlich bei den Belagerungen, mitten unter mörderischem Kugelregen die vollste Ruhe behaupten sah, so zweifelte man wohl, ob das natürliche Furchtlosigkeit oder vielleicht der Erwägung zuzuschreiben sei, daß nur eine solche Haltung ihm bei dem tapfern Adel und in der kriegsliebenden Nation Ansehen verschaffen werde. Seine natürliche Gelassenheit ward durch das Gefühl des für ihn an seiner Stelle Geziemenden gestärkt. Die Damen des Hofes beklagten, daß er den erhabenen Gaben seines Geistes nicht den freiesten Lauf lasse, sie würden dann noch glänzender erscheinen; daß er sein Selbst allzusehr in die Schranken der Majestät einschließe. Aber er wollte nicht glänzen für den Augenblick, sondern Eindruck machen auf immer. Seine Worte sollten nur gereifte Überzeugungen würdig aussprechen. Im Gespräch mit ihm sollte man erkennen, daß er die Sachen, um die es sich handelte, vollkommen verstehe, die Menschen, die dabei gebraucht wurden, kenne, durchschaue; er sagte eben, was er sagen mußte, nicht mehr, nicht weniger. Was er sich anfangs als Gesetz aufgelegt haben mochte,