Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Hierdurch sind nun dem Katholizismus auf ewig Schranken gesetzt. Er ist in bestimmte Grenzen gewiesen; an eine Welteroberung, wie er sie vorhatte, kann er niemals wieder im Ernste denken. Die geistige Entwicklung selbst hat eine Wendung genommen, die das unmöglich macht; das religiöse Element ist zurückgetreten, die politischen Rücksichten beherrschten die Welt.
Fragen wir nach der tieferen Ursache dieser Erscheinung, so würden wir Unrecht haben, sie allein in einer Verfluchung und Verkümmerung der geistlichen Antriebe zu suchen; ich denke, wir werden den Inhalt und die Bedeutung des Ereignisses anders fassen müssen. Einmal hatte der große geistliche Kampf seine Wirkung in den Gemütern vollbracht. In den früheren Zeiten war das Christentum mehr eine Sache der Überlieferung, der naiven Annahme des von Zweifeln unberührten Glaubens gewesen: jetzt war es eine Sache der Überzeugung, der bewußten Hingebung geworden. Von hoher Bedeutung ist es, daß man zwischen den verschiedenen Bekenntnissen zu wählen hatte, daß man verwerfen, abfallen, übertreten konnte. Die Person ward in Anspruch genommen, ihre freie Selbstbestimmung herausgefordert. Hierdurch geschah, daß die christlichen Ideen alles Leben und Denken noch tiefer und vollständiger durchdrangen.
Dazu kommt dann ein andres Moment. Wohl ist es wahr, daß das Überhandnehmen der innern Gegensätze die Einheit der Gesamtheit zerstört; aber es ist, wenn wir uns nicht täuschen, ein andres Gesetz des Lebens, daß sich damit doch auch zugleich eine höhere und größere Entwicklung vorbereitet. In dem Gedränge des allgemeinen Kampfes war die Religion nach den verschiedenen Abwandelungen ihrer dogmatischen Ausbildung von den Nationen ergriffen worden. Mit dem Gefühl der Nationalität hatte sich das Dogma verschmolzen, wie ein Besitz der Gemeinsamkeit, des Staates oder des Volkes. Mit den Waffen war es erkämpft, unter tausend Gefahren behauptet; in Fleisch und Blut war es übergegangen. Hierdurch ist es geschehen, daß sich die Staaten auf beiden Seiten zu großen kirchlich-politischen Individualitäten ausgebildet haben, schon auf der katholischen nach dem Maße der Ergebenheit gegen den römischen Stuhl, der Duldung oder Ausschließung der Nichtkatholiken, noch mehr aber bei den Protestanten, wo die Abweichung der symbolischen Bücher, die man beschwört, die Mischung des lutherischen und reformierten Bekenntnisses, die größere oder geringere Annäherung an die bischöfliche Verfassung ebenso viele in die Augen fallende Verschiedenheiten begründen. Es wird die erste Frage bei jedem Lande, welches die herrschende Religion daselbst ist. In mannigfaltigen Gestalten erscheint das Christentum; so groß auch die Gegensätze derselben sind, so kann kein Teil dem andern abstreiten, daß auch er den Grund des Glaubens besitze. Vielmehr sind die verschiedenen Formen durch Verträge und Friedensschlüsse, an denen alle Teil haben, Grundgesetze gleichsam einer allgemeinen Republik, gewährleistet. Es kann nicht mehr daran gedacht werden, das eine oder das andre Bekenntnis zu einer universalen Herrschaft zu erheben. Nur darauf kommt es an, wie jeder Staat, jedes Volk von seiner politisch-religiösen Grundlage aus seine Kräfte zu entwickeln vermögen wird; darauf beruht nunmehr die Zukunft der Welt.
26. Kardinal Richelieu
Französische Geschichte II, Werke Bd. 9 S. 406-410.
Richelieu war wie ein zweiter König im Lande. Schon beim Jahre 1629 schildert man ihn, wie die sollizitierende und dienstfertige Menge sein Haus erfüllt, die Türen seiner Gemächer, wie sie ihn, wenn er etwa in seiner Sänfte herausgetragen wird, mit Ehrfurcht begrüßen, der eine niederkniet, der andre eine Bittschrift überreicht, ein dritter sein Kleid zu küssen sucht; jeder preist sich glücklich, der sich eines gnädigen Blickes von ihm rühmen kann. Denn die Summe der Geschäfte lag schon damals in seinen Händen; er bekleidete die höchsten Würden, deren ein Untertan fähig ist; aber noch höher stellte es ihn, daß er damit den Purpur der Kardinäle verband; der vornehmste Prinz von Geblüt, Condé, ließ ihm den Vorrang.
Seitdem war er nun noch um vieles mächtiger und vor allem furchtbarer geworden. In tiefer Zurückgezogenheit lebte er in Ruel, in einem vor dem Nordwind einigermaßen geschützten Park, wo man mitten in dem revolutionären Ruin doch einige Spuren kunstfertiger Menschenhände noch bemerkt, einige Reste der Wasserkünste, die aus Italien zuerst hierher verpflanzt worden sein sollen. Wenig zugänglich – die fremden Gesandten mußten etwas Wesentliches vorzutragen haben, wenn sie ihn sprechen wollten, – war er der eigentliche Mittelpunkt der Staatsgeschäfte. Der König kam oft von St. Germain zum Staatsrat herüber. Kam er selber hinüber, so war er von einer Leibwache umgeben, welche auf seinen Namen verpflichtet und von ihm besoldet war, denn auch im Hause des Königs wollte er nichts von seinen Feinden zu fürchten haben. Eine ganze Anzahl junger Edelleute aus den vornehmen Häusern, die sich ihm angeschlossen hatten, versah den persönlichen Dienst bei ihm; er hat eine Schule für sie errichtet. Er hielt einen vollständiger besetzten Marstall, glänzendere Dienerschaft, eine kostbarer besorgte Tafel als der König; er wohnte besser. In Paris besaß er den kleinen Luxemburg und baute sich Palais royal, das damals in großen Schriftzügen die Aufschrift « Palais Cardinal« trug, auch das Hotel Richelieu. Er hatte da jene goldene Kapelle, deren Kirchengerätschaften sämtlich von den kostbarsten Metallen und Edelsteinen zusammengesetzt waren, ferner eine herrliche Sammlung ausgesuchter Kunstwerke, eine Bibliothek und sein eigenes Theater. Eine berühmte italienische Sängerin, Signora Leonora, ließ er nach seinem Landhaus kommen. Für das aufkommende französische Schauspiel hegte er eine Art von Leidenschaft; wer ihm da Vergnügen machte, wie die kleine Jacqueline Pascal, dem stand eine Bitte an ihn frei; seinen Freunden selbst hat es wohl geschienen, als widme er der Durchsicht der Stücke, die er geben ließ, allzuviel anstrengende Aufmerksamkeit. Unentbehrlich war ihm das Gespräch mit geistvollen und angenehmen Freunden; der Umgang mit einem von ihnen ist ihm von den Ärzten förmlich als Heilmittel vorgeschrieben worden.
So war ihm auch eine natürliche Vorliebe und Hinneigung zur Literatur eigen. Wir werden noch berühren, welche mächtigen produktiven Geister ihn umgaben; mit der Monarchie selbst entsprangen auch die literarischen Tendenzen, welche sie verherrlichen sollten. Die Absicht Richelieus war zunächst auf Reinigung der Sprache gerichtet. In seinen zur Bekanntmachung bestimmten Aufsätzen zeigt sich noch das Übertriebene der bisherigen Schreibweise; der Stil seiner Briefe dagegen ist rein und richtig, die Worte sind wohlgewählt und treffend, in dem Wurf der Sätze prägt sich der Wechsel seiner Stimmungen aus. Bei der Gründung der französischen Akademie war sein vornehmster Gedanke, die französische Sprache von allen Verunstaltungen, die sie durch willkürlichen und regellosen Gebrauch erlitten habe, zu reinigen, sie aus der Reihe der barbarischen Sprachen für immer zu erheben; sie sollte den Rang einnehmen wie einst die griechische, dann die lateinische; sie sollte in dieser Reihe die dritte sein. Der Begriff des Modern-Klassischen, den er mit Bewußtsein förderte, hat zugleich eine politische Beziehung, sowie die Zeitung, die er zuerst regelmäßig erscheinen ließ, ein monarchisches Institut war. Wie Richelieu die Literatur mit dem momentanen Leben in Verbindung brachte, so schwebte ihm auch die Nachwelt und ihr Urteil unaufhörlich vor Augen. Auf seine Veranlassung hat man mancherlei Zusammenstellungen aus den offiziellen Papieren versucht, von denen die wichtigste, an eine von ihm selbst unternommene Arbeit anschließend, als eine Geschichte der Zeit erscheint; sie enthält, wiewohl noch formlos, doch schon mancherlei Spuren seiner Durchsicht. Da finden sich auch von allen Produktionen, die von ihm herrühren, ohne Zweifel die merkwürdigsten: zahlreiche Gutachten, die er dem König in wichtigen Momenten vorlegte.219 Man mag sie an Schärfe den Arbeiten Machiavellis, an Umsicht und ausführlicher Erörterung den motivierten Ratschlägen des spanischen Staatsrats vergleichen; an Kühnheit, Größe der Gesichtspunkte, offener Darlegung des Zweckes und dann auch an welthistorischem