Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Aber auch in Werken dieser Art setzte er seiner Gewaltsamkeit keine Grenzen. Die Überbleibsel des päpstlichen Patriarchium bei dem Lateran, die noch keineswegs geringfügig und ausnehmend merkwürdig waren, Altertümer der Würde, die er selbst bekleidete, ließ er ohne Erbarmen niederreißen, um an Stelle derselben seinen Lateranpalast zu errichten, den man nicht einmal brauchte, und der sich nur als eins der ersten Beispiele der einförmigen Regelmäßigkeit moderner Architektur eine sehr zweideutige Aufmerksamkeit erworben hat. Wie so ganz hatte sich das Verhältnis geändert, in welchem man zu dem Altertum stand. Man wetteiferte früher und auch jetzt mit demselben, aber früher suchte man es in der Schönheit und Anmut der Form zu erreichen, jetzt bemühte man sich, in massenhaften Unternehmungen ihm gleichzukommen oder es zu überbieten. Früher verehrte man in dem geringsten Denkmal eine Spur antiken Geistes, jetzt hätte man diese Spuren lieber vertilgt. Man folgte einer Idee, die man allein gelten ließ, neben der man keine andere anerkannte. Es ist die nämliche, die sich in der Kirche die Herrschaft erworben, die den Staat zu einem Organ der Kirche gemacht hat. Diese Idee des modernen Katholizismus durchdringt alle Adern des Lebens in seinen verschiedensten Richtungen. Denn man darf nicht etwa glauben, nur der Papst sei von diesem Geist beherrscht worden; in jedem Zweige tut sich am Ende des 16. Jahrhunderts eine Richtung hervor, derjenigen entgegengesetzt, welche den Anfang desselben bezeichnete.
16. Die Republik Venedig nach der Mitte des 16. Jahrhunderts
Zur Venetianischen Geschichte, Werke Bd. 42 S. 11-30.
Unüberwindlich scheinen im Orient die Osmanen; der ganze Occident glaubt sich von der Übermacht der Spanier bedroht. In der Mitte zwischen beiden haben sich die Nobili von Venedig eine Macht verschafft, die einen Rang unter den Mächten der Welt behauptet.
Wo ihre Schiffe nach dem Orient fahren, bald zur rechten bald zur linken, bis an die Küste von Asien hin gebieten sie über eine Menge Uferplätze und Eilande. Die reichen Ebenen im Westen um die Flüsse her, die in ihre Lagunen münden, bis hinan an das Joch der Alpen haben sie in den zweifelhaftesten und gefährlichsten Kriegen zu behaupten gewußt. Aber dort sieht der Osmane ihre Flagge nur mit Unwillen in den Gewässern, die er als sein Eigentum betrachtet; hier ist bald von dem Inhaber des Herzogtums, zu dem einst ein guter Teil der venetianischen Besitzungen gehörte,160 dem König von Spanien,161 bald von dem Kaiser, der das übrige in Anspruch nimmt, immer von dem Hause Habsburg Gefahr zu befürchten. Nach beiden Seiten hin sind die Venetianer zu einer starken bewaffneten Aufstellung genötigt.
Über das Meer wacht ihnen ein Provveditore, den sie mit sechs Galeeren nach Korfu, der Mitte ihrer Besitzungen, senden. Alle Schiffe salutieren, wo sie die zwei viereckigen Flaggen seines Hauptschiffes sehen; alle Plätze an den Ufern erkennen ihn als ihren Obern; die Anführer der übrigen Geschwader sind ihm unterworfen, appellieren sogar an ihn. Zunächst vor ihm liegt ein Governator bei Kandia. Nur des Winters ist er daselbst: mit dem Frühjahr kommt er nach Korfu zurück, wenn es Krieg gibt mit zehn, im Frieden mit vier Galeeren, die er immer in Kandia bewaffnet; wahrend des Sommers wartet er der Befehle des Provveditors in Korfu. Noch weiter nach Osten liegt ein Kapitän mit vier Galeeren bei Cypern; sein vornehmstes Geschäft ist die Seeräuber zu verfolgen, welche den Handelsschiffen bei Damiette oder an der syrischen Küste auflauern; er läßt sie in seiner Insel kein Wasser einnehmen; die, welche in seine Gewalt fallen, läßt er ersäufen. Diesen zwei Geschwadern zwischen Korfu und der syrischen Küste entsprechen zwei andere, zwischen Korfu und Venedig. Das eine liegt im Hafen von Lesina, den man mit einem Molo befestigt und mit einem kleinen Arsenal versehen hat, wo alle Schiffe anlegen, die zwischen Venedig und Apulien, zwischen Venedig und der Levante fahren. Es besteht aus Galeeren unter dem Kapitän des Golfes; alle fremden Schiffe, selbst wenn ein Ragusaner nur nach Ancona überfährt, müssen ihn als den Herrn des Golfes erkennen. Das zweite besteht aus fünf Fusten und fünf langen Barken; mit diesen kreuzt der Kapitän der Fusten gegen die Uskochen,162 welche die äußersten Winkel des Golfes lebhaft beunruhigen. Alle diese fünf Geschwader gehören zusammen; sie bilden ein stehendes Heer zur See; sie sollen die Gewässer von Venedig und Tripoli und Alexandrien frei von dem Feinde und frei von Seeraub halten.
Zu diesen Galeeren nahm man Ruderer und Soldaten aus den Zünften der Stadt, aus den Gondolieren der Lagunen, von den Dalmatinern und Kandioten, die geborene Seeleute sind. Vornehmlich trug man Sorge, das Rudern gut einzuüben. Die Galeeren waren mehr zum Rudern als zum Segeln eingerichtet; sie hatten mehr Bänke und kleinere Segel als etwa die florentinischen; 26 Bänke bis heran an das Tau der Segelstange und den Mastbaum so nahe am Vorderteil, daß die Segel nur klein sein durften. Eben daher mochte kommen, daß sie nur langsam fuhren, jeden Sturmwind fürchteten und sich abends bei guter Zeit in den Häfen einzufinden pflegten. Vorzüglich gut waren sie mit Geschütz versehen. Die schweren und leichten Galeeren verglich man mit schwerer und leichter Reiterei, eine Linie aus beiden hielt man für unüberwindlich. Um 1560 waren immer 35 - 40 unter den Waffen; doch sah man im Arsenal wohl 200 andere, und dies war so gut eingerichtet, daß einer unserer Berichterstatter binnen zehn Tagen ihrer dreißig völlig ausrüsten sah. So oft sich die Osmanen regten, eilten die Venetianer zu rüsten; dann sandten sie einen General der Flotte mit völliger Gewalt über Leben und Tod und so unbeschränkter Macht aus, daß sie dieselbe nur ungern gaben. Doch geschah es zuweilen; sie überredeten sich, schon sein Name erschreckte den Feind.
Wie zur See, hielten sie sich auch auf dem Festland in steter Bewaffnung. Auch nachdem jene Stürme vorüber waren, welche die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts erfüllten, besoldeten sie 600 Huomini d'arme, jeden mit drei Pferden, und 1000 Stradioten; sie hielten eine Landmiliz unter Waffen, die auf 25 000 Mann berechnet wird; ihre Festungen waren wohlbesetzt. Wie indes die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts sich immer friedlicher entwickelte, ließen sie von einer für jene Zeit so großen Anstrengung ein wenig nach. Die Huomini d'arme behielten nur zwei Pferde; in Istrien finden wir 50 Helme, jeder Reiter mit einem Streitroß und einem geringeren Tier; sie stehen unter einem eigenen Hauptmann, und man sorgt dafür, daß sich die einheimischen Behörden in kein Verhältnis zu ihnen setzen. Da die Stradioten leicht zu haben und immer gleich brauchbar waren, schien bald auch eine geringere Anzahl derselben genügend. Nur die Festungen suchte man gegen jeden unerwarteten Angriff stark zu halten. Fast alle waren mit festen Mauern, tiefen und breiten Gräben, wohlangelegten Bollwerken versehen. Einige, wie Padua, schien überdies ihr großer Umfang vor eigentlicher Belagerung, andere, wie Brescia, eine Citadelle selbst auf den Fall zu schützen, daß die Stadt überrascht würde; dritte, wie Trevigi, trotzten darauf, daß keine Kunst der Welt sie des Wassers berauben könne. Wenn die Venetianer zuweilen sich mit den Römern vergleichen, so glauben sie den Wasserleitungen und Heerstraßen derselben ihre Festungsbaue an die Seite stellen zu können.
Die Gebiete nun aber, welche sie so nach beiden Seiten verteidigen, waren doch weit entfernt in voller Untertänigkeit zu ihnen zu stehen. Nicht durch Erbe, wie unter anderen Fürsten, beinahe nie durch eigentliche Eroberung, sondern fast immer durch freie Überlieferung in bedrängten Augenblicken sind die venetianischen Städte und Staaten unter der Fahne von San Marco vereinigt worden. Es versteht sich aber, daß diejenigen, welche zu einem Äußersten griffen, um ihren Zustand, ihre Verfassung vor irgend einer vorhandenen Gefahr sicher zu stellen, diese nicht ihren Beschützern werden geopfert haben. Den Venetianern stand allenthalben nur ein beschränktes Recht zu; vornehmlich hatten sie fast überall einen nicht unmächtigen Adel zur Mitherrschaft aufgenommen.
In Dalmatien bestand ihnen zur Seite ein Rat aus den Edlen der Städte und der Inseln. In Cattaro waren hundert stolze Adlige, die die Reichtümer der Stadt besaßen und ihren albanesischen Handel trieben. In Lesina nahm sich der Adel das Recht, wenn der Rettore und einige Beamte besoldet, wenn vielleicht noch die dringendsten Ausgaben