Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Anfang 1537 finden wir sie in der Tat mit noch drei anderen Genossen sämtlich in Venedig, um ihre Wallfahrt anzutreten. Schon manche Veränderung haben wir in Loyola wahrgenommen; von einem weltlichen Rittertum sahen wir ihn zu einem geistlichen übergehen, in die ernsthaftesten Anfechtungen fallen und mit phantastischer Ästhetik sich daraus hervorarbeiten; Theolog und Gründer einer schwärmerischen Gesellschaft war er geworden. Jetzt endlich nahmen seine Absichten die bleibende Wendung. Einmal hinderte ihn der Krieg, der eben damals zwischen Venedig und den Türken ausbrach, an der Abreise und ließ den Gedanken der Wallfahrt mehr zurücktreten; sodann aber fand er in Venedig ein Institut, das ihm, man möchte sagen, die Augen erst recht öffnete. Eine Zeitlang schloß sich Loyola auf das engste an Caraffa142 an; in dem Konvent der Theatiner, der sich in Venedig gebildet, nahm er Wohnung. Er diente in den Spitälern, über welche Caraffa die Aufsicht führte, in denen dieser seine Novizen sich üben ließ. Zwar fand er sich durch das theatinische Institut nicht völlig befriedigt; er sprach mit Caraffa über einige in demselben vorzunehmende Veränderungen, und sie sollen darüber miteinander zerfallen sein. Aber schon dies zeigt, wie tiefen Eindruck es auf ihn machte. Einen Orden von Priestern sah er hier sich den eigentlich klerikalischen Pflichten mit Eifer und Strenge widmen. Mußte er, wie immer deutlicher wurde, diesseits des Meeres bleiben und seine Tätigkeit in den Bezirken der abendländischen Christenheit versuchen, so erkannte er wohl, daß er auch nicht füglich einen anderen Weg einschlagen konnte.
In der Tat nahm er in Venedig mit all seinen Gefährten die priesterlichen Weihen. In Vicenza begann er nach vierzigtägigem Gebet mit dreien von ihnen zu predigen. An dem nämlichen Tage zur nämlichen Stunde erschienen sie in verschiedenen Straßen, stiegen auf Steine, schwangen die Hüte, riefen laut und fingen an, zur Buße zu ermahnen. Seltsame Prediger, zerlumpt, abgehärmt; sie sprachen ein unverständliches Gemisch von Spanisch und Italienisch. In diesen Gegenden blieben sie, bis das Jahr, das sie zu warten beschlossen hatten, verstrichen war. Dann brachen sie auf nach Rom. Als sie sich trennten, denn auf verschiedenen Wegen wollten sie die Reise machen, entwarfen sie die ersten Regeln, um auch in der Entfernung eine gewisse Gleichförmigkeit des Lebens zu beobachten. Was aber sollten sie antworten, wenn man sie nach ihrer Beschäftigung fragen würde? Sie gefielen sich in dem Gedanken, als Soldaten dem Satan den Krieg zu machen; den alten militärischen Phantasieen des Ignatius zufolge beschlossen sie, sich die Kompagnie Jesu zu nennen, ganz wie eine Kompagnie Soldaten, die von ihrem Hauptmann den Namen trägt.
In Rom hatten sie anfangs keinen ganz leichten Stand. Ignatius meinte, er sehe alle Fenster geschlossen, und von dem alten Verdacht der Ketzerei mußten sie hier noch einmal freigesprochen werden. Allein indes hatte ihre Lebensweise, ihr Eifer in Predigt und Unterricht, ihre Krankenpflege auch zahlreiche Anhänger herbeigezogen, und so viele zeigten sich bereit, zu ihnen zu treten, daß sie auf eine förmliche Einrichtung ihrer Gesellschaft denken konnten. Zwei Gelübde hatten sie bereits getan; jetzt legten sie das dritte, das des Gehorsams, ab. Wie aber Ignatius immer den Gehorsam für eine der vornehmsten Tugenden erklärt hatte, so suchten sie gerade in diesem alle anderen Orden zu übertreffen. Es war schon viel, daß sie sich ihren General143 allemal auf Lebenszeit zu wählen beschlossen; allein dies genügte ihnen noch nicht. Sie fügten die besondere Verpflichtung hinzu, »alles zu tun, was ihnen der jedesmalige Papst befehlen, in jedes Land zu gehen, zu Türken, Heiden und Ketzern, in das er sie senden werde, ohne Wiederrede, ohne Bedingung und Lohn, unverzüglich«. Welch ein Gegensatz gegen die bisherigen Tendenzen dieser Zeit! Indem der Papst144 auf allen Seiten Widerstand und Abfall erfuhr und nichts zu erwarten hatte als fortgehenden Abfall, vereinigte sich hier eine Gesellschaft, freiwillig, voll Eifer, enthusiastisch, um sich ausschließlich seinem Dienste zu widmen. Er konnte kein Bedenken tragen, sie anfangs im Jahre 1540 unter einigen Beschränkungen, dann 1543 unbedingt zu bestätigen.
Indes tat auch die Gesellschaft den letzten Schritt. Sechs von den ältesten Bundesgenossen traten zusammen, um den Vorsteher zu wählen, der, wie der erste Entwurf, den sie dem Papste einreichten, besagt, »Grade und Ämter nach seinem Gutdünken verteilen, die Konstitution mit Beirat der Mitglieder entwerfen, in allen andern Dingen aber allein zu befehlen haben sollte; in ihm solle Christus als gegenwärtig verehrt werden«. Einstimmig wählten sie Ignaz, der, wie Salmeron auf seinem Wahlzettel sagte, »sie alle in Christo erzeugt und mit seiner Milch genährt habe«. Und nun erst hatte die Gesellschaft ihre Form. Es war auch eine Gesellschaft von Chierici regolari; sie beruhte auch auf einer Vereinigung von klerikalischen und klösterlichen Pflichten, allein sie unterschied sich doch vielfach von den übrigen dieser Art. Hatten schon die Theatiner mehrere minder bedeutende Verpflichtungen fallen lassen, so gingen die Jesuiten darin noch weiter. Es war ihnen nicht genug, alle klösterliche Tracht zu vermeiden; sie sagten sich auch von den gemeinschaftlichen Andachtsübungen, welche in den Klöstern den größten Teil der Zeit wegnahmen, von der Obliegenheit, im Chor zu singen, los. Dieser wenig notwendigen Beschäftigungen überhoben, widmeten sie ihre ganze Zeit und alle ihre Kräfte den wesentlichen Pflichten. Nicht einer besonderen, wie die Barnabiten, obwohl sie die Krankenpflege, weil sie einen guten Namen machte, sich angelegen sein ließen, nicht unter beschränkenden Bedingungen, wie die Theatiner, sondern mit aller Anstrengung den wichtigsten. Erstens der Predigt; schon als sie sich in Vicenza trennten, hatten sie sich das Wort gegeben, hauptsächlich für das gemeine Volk zu predigen, mehr darauf zu denken, Eindruck zu machen als durch gewählte Rede zu glänzen; so fuhren sie nunmehr fort. Zweitens der Beichte, denn damit hängt die Leitung und Beherrschung der Gewissen unmittelbar zusammen; in den geistlichen Übungen, durch welche sie selber mit Ignaz vereinigt worden, besaßen sie ein großes Hilfsmittel. Endlich »dem Unterricht der Jugend; hierzu hatten sie sich gleich in ihren ersten Gelübden durch eine besondere Klausel verpflichten wollen, und obwohl dieses da nicht durchgegangen war, schärften sie es doch in ihrer Regel auf das lebhafteste ein: vor allem wünschten sie die aufwachsende Generation zu gewinnen.
Aus den phantastischen Bestrebungen Ignatio's hatte sich demnach eine vorzugsweise praktische Richtung entwickelt, aus seinen asketischen Bekehrungen ein Institut mit weltkluger Zweckmäßigkeit berechnet. Alle seine Erwartungen sah er weit übertroffen. Er hatte nun die unbeschränkte Leitung einer Gesellschaft in Händen, auf welche ein großer Teil seiner Intuitionen überging, welche ihre geistliche Überzeugung mit Studium, auf dem Wege bildete, auf dem er sie durch Zufall und Genius145 erworben hatte; welche zwar seinen jerusalemischen Plan nicht ausführte, bei dem sich nichts erreichen ließ, aber übrigens zu den entferntesten erfolgreichen Missionen146 schritt und hauptsächlich jene Seelsorge, die er immer empfohlen, in einer Ausdehnung übernahm, wie er sie niemals ahnen können; die ihm endlich einen zugleich soldatischen und geistlichen Gehorsam leistete.
Als Ignatius starb (1556), zählte seine Gesellschaft, die römische ungerechnet, dreizehn Provinzen. Schon der bloße Anblick zeigt, wo der Nerv derselben war. Die größere Hälfte, sieben, gehörte der pyrenäischen Halbinsel und ihren Kolonien an. In Kastilien waren zehn, in Aragon fünf, in Andalusien nicht minder fünf Kollegien; in Portugal war man am weitesten, man hatte zugleich Häuser für Professen und Novizen. Der portugiesischen Kolonien hatte