Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Nur eine einzige Gemeinde war ohne Adel, die Gemeinde Pastrovichi: zwölfhundert waffenfähige Männer, die unter selbstgewählten Richtern über Gut und Blut in ihren Bergen in so ungeschminkter Einfalt dahinlebten, daß man sie aufgesucht hat, um die Sitten des homerischen Zeitalters an ihnen zu studieren; mit Venedig mehr durch Privilegien verknüpft, die man ihnen für freiwillige Dienste gewährte, als durch erzwungenen Gehorsam; von unbescholtener Treue, zum Dienst des Matrosen so geschickt wie zu den Waffen.
Wie in Dalmatien finden wir überall auf den Inseln der Levante einen Adel mit gewissen besonderen Berechtigungen, mit einigem Anteil an der Verwaltung, allenthalben ein ungern herabgedrücktes Volk. Am schärfsten aber ist dieser Gegensatz dort, wo zwei von einander ursprünglich verschiedene Nationen nebeneinander wohnen, die eine herrschend, die andere dienend, in Kandia und Cypern.163
Wie die Inseln und Küsten, so waren auch die Kommunen der Terra ferma weit entfernt davon, den Venetianern unbedingt unterworfen zu sein. Auch finden wir fast allenthalben ein Consiglio von Edelleuten, welches einen nicht geringen Anteil an der öffentlichen Verwaltung nimmt. So hatten die Vicentiner dem venetianischen Rettore eine Consolaria aus ihren Optimaten zur Seite gestellt, ohne welche jener kein Kriminalurteil fällen konnte. Von Natur heftig, trotzig auf ihren Reichtum, hielten sie immer eine eigensinnige Opposition gegen Venedig. Palladio baute ihnen die schönsten Paläste, Stadthäuser, Theater, die Italien in neuerer Zeit entstehen sah. Die Veronesen waren nicht so reich, aber sie wollten ihren Nachbarn weder an Glanz noch an Selbständigkeit nachstehen; man hat bemerkt, daß sie sich oft den Venetianern widersetzten und auf ihre eigene Weise zu leben suchten. Obgleich Bergamo nur arm war, hielt es sich in so gutem Ansehen, daß man es nie zu drücken wagte. Vornehmlich mächtig aber war Brescia. Es hatte sich zwei bedeutende Rechte erhalten, das eine bedeutend für die vornehmen Geschlechter: in die umliegenden Kastelle und Täler, die oft bis 50 000 Untertanen zählten, selbst wenn sie mit venetianischen Truppen besetzt waren, aus ihrer Mitte Podestas mit dem Recht über Leben und Tod zu Kriminal- und Zivilgericht zu senden; das andere bedeutend für die Kommunen, daß keine Alienation ihrer Güter stattfinden, daß sich kein auswärtiger, auch kein Venetianer in diesem Gebiet ankaufen durfte. Da blieben die vornehmen Geschlechter immer in einem großen Glanz; die Martinengi, Cesareschi hatten ein Einkommen von 30 000 Dukaten. Die Brescianer hielten sich in einer eigentümlichen Existenz; die großartigen Baue, den reichen Schmuck der Zimmer ihrer Oberherren ahmten sie nicht nach, sie gefielen sich vielmehr in rasch vorübergehender Pracht, in kostbaren Kleidern, schönem Waffenschmuck, bei guter Tafel, mit glänzenden Karossen und zahlreicher Dienerschaft. Oft genoß man die Lust musikalischer Feste; die prächtigsten Waffenspiele wurden hier gegeben, die Chronik sucht die Namen der ausgezeichnetsten Kavaliere zu verewigen. Neben ihnen hält sich die Kommune, eng verbunden, von überwiegendem Einfluß Venedigs frei; die Stadt, sagt jene Chronik, wuchs an Gebäuden und an Gewerbe; in der Zahl ihres Volkes, der Menge ihrer Waren konnte sie sich mit jeder anderen Stadt von Italien messen. Wie nun in den lombardischen Städten ein Consiglio, so gab es in Friuli ein Parlament mit noch nicht erloschenen Rechten. Mit den dalmatinischen Pastrovichi ließen sich in den Gebirgen über Vicenza die Deutschen der sieben Gemeinden vergleichen: ebenso einfach, tapfer, treu, durch Privilegien von unvordenklicher Zeit geschirmt, sichere Hüter der Klausen.164
Es ist hier noch ein großes Feld statistisch-historischer Untersuchungen übrig darüber, wie sich Venedig zu allen diesen provinziellen Besonderheiten verhielt. Gedenken wir nur der Handhabung der öffentlichen Ordnung gegen das Treiben der Banditen und Räuber, die noch im Anfang des 17. Jahrhunderts die Straßen unsicher machten, so daß selbst der kaufmännische Verkehr darunter litt. Die mit der Hauptstadt in der Rechtspflege konkurrierenden Kommunen bildeten hier eine fast unüberwindliche Schwierigkeit. Die Venetianer hielten darüber, daß die Bedingungen, unter denen sie die Herrschaft erworben, beobachtet wurden. Unter der Aristokratie der Hauptstadt erhielten sich auch die Aristokratien aller unterworfenen Gemeinden; sie hätten nicht gebrochen werden dürfen, ohne daß man Empörung und Abfall zu fürchten gehabt hätte.
Oft hat man Venedig getadelt, daß es nach glücklichen Unternehmungen zur See sich hat gelüsten lassen, eine Landmacht zu werden. Jene findet man naturgemäß und heißt sie gut; dies zu tadeln ist fast ein Herkommen geworden; man leitet davon eine Menge Unglücksfälle, selbst den Zerfall der Seemacht her. Im 16. Jahrhundert tritt indes besonders in finanzieller Hinsicht ein sehr merkwürdiges Verhältnis zwischen beiden Gebieten hervor. Wir sind nicht imstande, den Staatshaushalt der Venetianer in allen seinen Teilen genügend zu überschauen und uns vorzustellen; das aber zeigt sich deutlich, daß die Länder am Meere nicht durch die Einkünfte, die sie unmittelbar abwarfen, erhalten werden konnten. Von Kandia, Zante, Kefalonia wird uns ausdrücklich versichert, daß sie mehr kosteten als einbrachten. Wie arm war die dalmatinische Küste! Diese Inseln, zwar in den Tälern mit einiger Viehzucht, mit einigem Weinbau, die aber so wenig Getreide trugen, daß sie oft nur vier Monate, wie Curzola, oft gar nur zwei, wie Brazza, damit ausreichten; diese Städte hart unter dem hohen Gebirg, deren kleines Gebiet, wie bei Spalato nur auf fünf, wie bei Cattaro nur auf sechs Monate Getreide hervorbrachte und überdies von den Türken beunruhigt wurde. Die Sebenzanen hätten Hungers sterben müssen, wären nicht die Morlachen gewesen, die ihnen für ihr Salz Getreide und Käse brachten. Wie sollten diese Ortschaften ihre Kastelle instand halten, die Besatzungen, die Stradioten besolden! Gar oft muß ihnen Venedig zu Hilfe kommen. Den Sebenzanen mußte es im Kriege von 1571 für 3500 Dukaten Getreide geben, ohne auf Erstattung rechnen zu dürfen. Aber auch im Frieden sandte es regelmäßig bedeutende Summen dahin, 600 Dukaten nach Budua, 2000 nach Antivari, 3000 nach Spalato, 3900 nach Cattaro, 4000 nach Sebenigo, nach Zara 8000. Wie wenig fähig waren Städte und Inseln, die Seemacht imstand zu halten, welche sie beschützte.165
Woher aber schöpfte man diese Summen? Die Einrichtung der venetianischen Kassen zeigt uns, wenn ich nicht irre, die Quelle derselben und das wahre Verhältnis an. Nicht alle Einkünfte nämlich flossen unmittelbar zusammen, so daß alle Ausgaben aus einem allgemeinem Schatz hätten bestritten werden können, sondern den Mangel irgend einer bestimmten Kasse deckte man immer mit dem Überschuß einer anderen. Da man fand, daß Kandia und Korfu die Truppen nicht besolden konnten, von denen sie beschützt wurden, so bestimmte man zu diesem Solde die Einkünfte der Kammern Crema und Verona. Es war nur allzu deutlich, daß die Flotte zu ihrer Ausrüstung und Bemannung ganz anderer Hilfsquellen bedurfte, als die, welche die maritimen Besitzungen gewährten. Die Einkünfte von vier Kammern des festen Landes, von Padova, Trevigi, Bergamo, Rovigo, wurden dafür angewiesen.
Wenn man im Osten die Festungen instand zu setzen, herzustellen, auszubessern hatte, wandte man sich an die Kasse der Festungen, zu der vornehmlich die Kammer von Udine steuerte. Unter den Einkünften des Arsenals, auf denen die ganze Seemacht basiert ist, finden wir den Ertrag von Cologna oben an. Die eigentliche Bestimmung der Zehnten des lombardischen Klerus war, zur Erhaltung der Flotte und des Arsenals beizutragen. Trevigi gewährte die Eichen zum Schiffbau. Wenn es sich auch so verhält, daß die Gelder, welche man nach den Städten der Levante und Dalmatiens schickte, vom Ertrag der Zölle und des Salzes genommen werden konnten, so wurden doch die übrigen Bedürfnisse damit nicht gedeckt. Genug, nur durch die Reichtümer des festen Landes geschieht es, daß man die Flotten bauen kann, die die östlichen Meere durchschiffen, daß man die Truppen besolden kann, welche Inseln und Städte der Levante und Dalmatiens beschützen.
Und so stellt sich uns die Gesamtheit des venetianischen Staates, die Verknüpfung der zweifachen Art seiner Landschaften in eigentümlicher Gestalt vor Augen. Wenn Venedig Bedeutung für die Welt, allgemeineres Ansehen hauptsächlich