Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Daran wäre doch niemals zu denken gewesen, hätte sich Venedig nicht als eine der ersten Handels metropole der Welt behauptet. Man hat es als eine weise Maßregel betrachtet, daß die Republik auch die untertänigen Kommunen an den Handelsvorrechten venetianischer Bürger teilnehmen ließ. Darüber aber hielt sie allezeit aufs strengste, daß der Handel der Kommunen, des festen Landes und der Inseln in Venedig konzentriert blieb. Bei ihrem Eide sind die Rettoren von Bergamo und Brescia verpflichtet darüber zu halten, daß weder Wolle noch Baumwolle noch auch Spezereien in ihre Bezirke eingeführt werden, ausgenommen die, welche von Venedig kamen. Cremona und Gheradadda sind kaum gewonnen, so stellt man die Waren, die nur von Venedig aus daselbst eingeführt werden dürfen, in einem langen Verzeichnis zusammen. So wurden auch alle die Handelsbeschränkungen, durch welche Kolonien an ihre Mutterstadt gewiesen zu werden pflegen, von den Venetianern über die Küsten und Inseln der Levante ausgebreitet. Das gesamte Gebiet wurde gleichsam zu einer einzigen merkantilen Genossenschaft, die ihren Sitz in der Hauptstadt hatte, vereinigt.
Der auswärtige Handel war noch in großer Blüte. Der Rialto war einer der bedeutendsten Handelsplätze der Welt und verschaffte dem Staate, indem er ihm eine eigentümliche Weltstellung gab, die weiteren Mittel seiner Existenz. Dabei kamen die drei Mächte in Betracht, welche die Politik beherrschten, und zwar schon für die nächsten Lebensbedürfnisse. Aus den österreichischen Gebieten zieht Venedig sein Schlachtvieh; höchst empfindlich ist ihm ein Aufschlag der Abgabe, welche die kaiserliche Regierung auf die Ausfuhr des Hornviehes erhob, sowie eine Störung des Verkehrs mit der Türkei, von wo ihm das Getreide, dessen es nicht entbehren kann, zugeführt wird. Für die Manufakturen bedarf man der Wolle aus Spanien. Ungleich wichtiger ist, daß Venedig den Verkehr zwischen Okzident und Orient, den es während der mittleren Jahrhunderte besessen hatte, auch im 16. Jahrhundert behauptete. Durch die Gewaltsamkeiten der orientalischen Machthaber, das Emporkommen der Barbaresken, die zuweilen bis in den Golf vordrangen, den Seeräuberkrieg, der das ganze Mittelmeer erfüllte, war der Handel geschädigt und erschwert, aber noch nicht unterbrochen.
Wir finden, daß die venetianische Manufaktur, die noch in großer Blüte erhalten war, ihren besten Absatz in dem osmanischem Reich hatte. Eine unserer Relationen berichtet, Venedig habe jährlich 25000 Stück Tuch nach der Türkei versendet, von denen ein jedes 200 Dukaten gekostet; es seien hauptsächlich scharlache, violette, karmesine Tuche gewesen, wie sie der Orient liebt; dies gebe dann einen ungemeinen Vorteil und nähre eine große Zahl Menschen. Daß das nun nicht übertrieben ist, bezeugt die Reisebeschreibung Texeiras nach dem Orient.166 Texeira versichert, daß Venedig jährlich 5-6000 Stück Tuch nach Aleppo bringe; er fügt hinzu, ebensoviel Stücke führe es dahin in Brokat und Seide, sein Verkehr belaufe sich daselbst auf anderthalb Millionen Dukaten. Oft ließ der Schah von Persien für seine Armee Tuch von Aleppo holen. Nicht minder bedeutend war gewiß der eigentliche konstantinopolitanische Verkehr. Was forderte allein die Pracht des Harems! Man erinnerte sich noch lange der kunstreichen Juweliere Leuriere und Carolini, die für Soliman einen langen Helm mit vier Kronen, reich mit Edelsteinen besetzt, einen Federbusch, ein Pferdegezäum von außerordentlicher Pracht und Schönheit gearbeitet. Alle andern Erzeugnisse venetianischen Kunstfleißes nahmen ihren Weg nicht minder dahin. Die vornehmste Station der Venetianer im Orient war jedoch Aleppo; da befanden sie sich noch im Jahre 1605 in einer stattlichen Lage. Es waren daselbst außer dem Konsul, der immer ein Edelmann, zwölf große Häuser, jedes mit zwei Vorstehern, damit, wenn der eine fehle, doch die Geschäfte keinen Stillstand litten. Sie hatten ihre Franziskaner, die ihnen in einem Khan Messe und Predigt verwalteten, und deren Guardian vom Papste mit außerordentlicher Vollmacht zu absolvieren versehen war. Über ihre gemeinschaftlichen Angelegenheiten pflegten sie nach der Sitte ihres Vaterlandes mit Kugeln zu stimmen. Sie hatten die schönsten Ordnungen, sie lebten auf eine prächtige und glänzende Weise, sie nahmen die Fremden gastlich und gütig auf. Vor ihnen, noch weiter nach Osten, waren auch manche Venetianer tätig; in Bassora finden wir sie ansässig, zwischen Ormuzd und Aleppo ziehen sie hin und her. Aber vornehmlich in der ganzen asiatischen Türkei hatten sie ihre Faktoren, ihre Agenten.
Im Vorbeigehen sei bemerkt, daß die merkantilen Geschäfte bei der Teilnahme Venedigs an der allgemeinen Kultur des Abendlandes nicht ohne Beziehung auf Gelehrsamkeit und Altertum geblieben sind. Die Häuser Bembo und Contarini waren mit Antiquitäten reich ausgestattet. Broccardo untersuchte die ägyptischen Monumente; nach Marco Grimanis Zeichnungen sind die ägyptischen Denkmäler von Sebastian Serlio 1584 herausgegeben. Und indem man die Stätten und Wege der alten Kultur aufsuchte, begleitete man doch auch die neuen Entdeckungen mit großer Aufmerksamkeit. Die erste bedeutende Sammlung von Reisebeschreibungen nach den beiden Indien stammt von dem Venetianer Ramusio; sie wird noch heute gebraucht.
Entfernen mir uns aber nicht von unserem Gegenstande. Man behauptete in der Mitte des 16. Jahrhunderts, in der ganzen Türkei sei kein irgend bedeutender Ort, wo die Venetianer nicht ihre Leute hätten; von denen werde ihnen gemeldet, welche Waren da angekommen, so daß sie berechnen können, wie sie auf das vorteilhafteste zu verkaufen sein würden. Wo Floriani167 die Erzeugnisse des türkischen Reiches nacheinander aufzählt, Seide, Kaviar, Korn, Getreide, fügt er hinzu, daß das Mark davon nach Venedig komme. Doch dies war es nicht allein. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß der indische Handel nach Umschiffung des Kaps lediglich auf portugiesischen Schiffen von Lissabon aus getrieben worden sei; noch immer blieben die uralten Wege dieses Handels im Gange. Ein Hauptplatz für denselben wurden die Niederlagen von Aleppo. Da empfingen die Venetianer für ihre Einfuhr nicht allein rohe Seide und Baumwolle, sondern auch Zimt, die indischen Gewürze, Perlen und Edelsteine.
Die erste Frage ist, wie dies alles dahin kam. Einmal durch die Araber. Navagero168 unterrichtet uns, daß man noch immer von Arabien aus durch das Germasir nach Ormuzd dahin zog; daß man von da Ingwer und Gewürznelken, Muskatnüsse und Muskatblüte, allerlei Spezereien und Perlen herbeiführte, daß die Araber der Wüste, wohlversehen mit Kamelen und Saumtieren, die Reichtümer von Indien bis unmittelbar nach Aleppo brachten. Überdies auch durch Persien. Der Verkehr der Venetianer mit Persien war so rege, das ein Krieg, den sie mit den Türken hatten, den Preis der Seide auf die Hälfte herabdrückte und die Verkäufer der Spezereien, da der Verkehr von Aleppo eine Zeitlang gestört war, die sonderbarsten Auswege zu suchen nötigte. Die Kaufleute begaben sich nach Konstantinopel, sie nahmen von da ihren Weg durch die Wallachei nach Polen. Man begegnete wohl den nämlichen Armeniern, die man in Tauris gesehen, wiederum in Lemberg. Von hier zogen sie nach Danzig, welches damals die größte Handelsmetropole des Ostens und Nordens war; hier aber traf man auf jenen Verkehr des Atlantischen Ozeans, und die Kosten des Landweges waren so ungemein groß, daß der Vorteil die Mühe nicht bezahlte.169 Alles das war jedoch eine Ausnahme; in gewöhnlichen Zeiten blieb Aleppo der größte Stapelplatz des Orients.
Die zweite Frage ist, wie man von da, wie man vom Orient überhaupt nach Venedig gelangte. Keineswegs nämlich geschah dies immer zur See; der Karawanenhandel ward in Europa selbst fortgesetzt. Wir wissen, daß im Jahre 1534 eine venetianische Karawane, hundert Pferde stark, die von Konstantinopel nach der venetianischen Küste zog, in der Türkei von Räubern angefallen und geplündert worden ist. Allmählich aber wurde diese Straße sicherer, und die orientalischen Kaufleute nahmen sie selbst. Spalato ward der Hauptplatz für diesen Verkehr; besonders gegen Ende des 16. Jahrhunderts gelangte derselbe zu großer Aufnahme. Dahin sammelten sich nicht allein die Nachbarn vom Adriatischen Meer bis zur Dona und von Konstantinopel bis an die Grenze,