Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Unwillkürlich erinnert man sich hierbei des peinlichen Zustandes, in welchen Luther zwei Jahrzehnte früher durch sehr ähnliche Zweifel geraten war. Die Forderung der Religion, eine völlige Versöhnung mit Gott bis zum Bewußtsein derselben, war bei der unergründlichen Tiefe einer mit sich selber hadernden Seele auf dem gewöhnlichen Wege, den die Kirche einschlug, niemals zu erfüllen. Auf sehr verschiedene Weise aber gingen sie aus diesem Labyrinth hervor. Luther gelangte zu der Lehre von der Versöhnung durch Christum ohne alle Werke; von diesem Punkte aus verstand er erst die Schrift, auf die er sich gewaltig stützte. Von Loyola finden wir nicht, daß er in der Schrift geforscht, daß das Dogma auf ihn Eindruck gemacht habe. Da er nur in inneren Regungen lebte, in Gedanken die in ihm selbst entsprangen, so glaubte er die Eingebung bald des guten, bald des bösen Geistes zu erfahren. Endlich ward er sich ihres Unterschiedes bewußt. Er fand denselben darin, daß sich die Seele von jenen erfreut und getröstet, von diesen ermüdet und geängstigt fühle.
Eines Tages war es ihm, als erwache er aus dem Traume. Er glaubte mit Händen zu greifen, daß alle seine Peinen Anfechtungen des Satans seien. Er entschloß sich, von Stund an über sein ganzes vergangenes Leben abzuschließen, diese Wunden nicht weiter aufzureißen, sie niemals wieder zu berühren. Es ist dies nicht sowohl eine Beruhigung als ein Entschluß, mehr eine Annahme, die man ergreift, weil man will, als eine Überzeugung, der man sich unterwerfen muß. Sie bedarf der Schrift nicht, sie beruht auf dem Gefühl eines unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Reiche der Geister. Luther hätte sie niemals genug getan; Luther wollte keine Eingebung, keine Gesichte, er hielt sie alle ohne Unterschied für verwerflich. Er wollte nur das einfache, geschriebene, unzweifelhafte Gotteswort. Loyola dagegen lebte ganz in Phantasieen und inneren Anschauungen. Am meisten vom Christentum schien ihm eine Alte zu verstehen, welche ihm in seinen Qualen gesagt, Christus müsse ihm noch erscheinen. Es hatte ihm anfangs nicht einleuchten wollen, jetzt aber meinte er bald Christum, bald die Jungfrau mit Augen zu erblicken. Auf der Treppe von S. Domenico zu Manresa blieb er stehen und weinte laut, weil er das Geheimnis der Dreieinigkeit in diesem Moment anzuschauen glaubte; er redete den ganzen Tag von nichts anderem, er war unerschöpflich in Gleichnissen. Plötzlich überleuchtete ihn in mystischen Symbolen das Geheimnis der Schöpfung. In der Hostie sah er den, welcher Gott und Mensch. Er ging einst am Ufer des Llobregat nach einer entfernten Kirche; indem er sich niedersetzte und seine Augen auf den tiefen Strom heftete, den er vor sich hatte, fühlte er sich plötzlich von anschauendem Verständnis der Geheimnisse des Glaubens entzückt; er meinte, als ein anderer Mensch aufzustehen. Für ihn bedurfte es dann keines Zeugnisses, keiner Schrift weiter. Auch wenn es solche nicht gegeben hätte, würde er doch unbedenklich für den Glauben, den er bisher geglaubt, den er sah, in den Tod gegangen sein.139
Haben wir die Grundlagen dieser so eigentümlichen Entwicklung gefaßt, dieses Rittertum der Abstinenz, diese Entschlossenheit der Schwärmerei und phantastische Asketik, so ist es nicht nötig, Iñigo Loyola auf jedem Schritte seines Lebens weiter zu begleiten. Er ging wirklich nach Jerusalem, in der Hoffnung, wie zur Stärkung der Gläubigen so zur Bekehrung der Ungläubigen beizutragen. Allein wie wollte er zumal das letzte ausführen, unwissend wie er war, ohne Gefährten, ohne Vollmacht? An der entschiedenen Zurückweisung jerusalemischer Oberen, die dazu eine ausdrückliche päpstliche Berechtigung besaßen, scheiterte sein Vorsatz, an den heiligen Orten zu bleiben. Auch als er nach Spanien zurückgekommen, hatte er Anfechtungen genug zu bestehen. Indem er zu lehren und die geistlichen Übungen, die ihm indes entstanden, mitzuteilen anfing, kam er sogar in den Verdacht der Ketzerei. Es wäre das seltsamste Spiel des Zufalls, wenn Loyola, dessen Gesellschaft Jahrhunderte später in Illuminaten ausging,140 selbst mit einer Sekte dieses Namens in Zusammenhang gestanden hätte. Und leugnen kann man nicht, daß die damaligen Illuminaten in Spanien, Alumbrados, zu denen er zu gehören in Verdacht war, Meinungen hegten, die einige Ähnlichkeit mit seinen Phantasieen haben. Abgestoßen von der Werkheiligkeit des bisherigen Christentums, ergaben auch sie sich inneren Entzückungen und glaubten wie er das Geheimnis, sie erwähnten noch besonders das der Dreieinigkeit, in unmittelbarer Erleuchtung anzuschauen. Wie Loyola und später seine Anhänger machten sie die Generalbeichte zur Bedingung der Absolution und drangen vor allem auf das innere Gebet. In der Tat möchte ich nicht behaupten, daß Loyola ganz ohne Berührung mit diesen Meinungen geblieben wäre; allein daß er der Sekte angehört hätte, ist auch nicht zu sagen. Er unterschied sich von ihr hauptsächlich dadurch, daß, während sie durch die Forderungen des Geistes über alle gemeinen Pflichten erhaben zu sein glaubte, er dagegen, ein alter Soldat wie er war, den Gehorsam für die oberste aller Tugenden erklärte. Seine ganze Begeisterung und innere Überzeugung unterwarf er allemal der Kirche und ihren Gewalten.
Indessen hatten diese Anfechtungen und Hindernisse einen für sein Leben entscheidenden Erfolg. In dem Zustande, in dem er damals war, ohne Gelehrsamkeit und gründlichere Theologie, ohne politischen Rückhalt, hätte sein Dasein spurlos vorübergehen müssen. Glück genug, wenn ihm innerhalb Spaniens ein paar Bekehrungen gelungen wären. Allein indem man ihm in Alcala und in Salamanca auferlegte, erst vier Jahre Theologie zu studieren, ehe er namentlich über gewisse schwere Dogmen wieder zu lehren versuche, nötigte man ihn einen Weg einzuschlagen, auf dem sich allmählich für seinen Trieb religiöser Tätigkeit ein ungeahntes Feld eröffnete. Er begab sich nach der damals berühmtesten hohen Schule der Welt, nach Paris. Die Studien hatten für ihn eine eigentümliche Schwierigkeit. Er mußte die Klasse der Grammatik, die er schon in Spanien angefangen, die der Philosophie durchmachen, ehe er zur Theologie zugelassen wurde.141 Aber bei den Worten, die er flektieren, bei den logischen Begriffen, die er analysieren sollte, ergriffen ihn die Entzückungen des tieferen religiösen Sinnes, den er damit zu verbinden gewohnt war. Es hat etwas Großartiges, daß er dies für Eingebungen des bösen Geistes erklärte, der ihn von dem rechten Wege abführen wolle, und sich der strengsten Zucht unterwarf. Während ihm nun aus den Studien eine neue, die reale Welt aufging, ließ er doch von seiner geistigen Richtung und selbst ihrer Mitteilung keinen Augenblick ab. Eben hier war es, wo er die ersten nachhaltigen, wirksamen, ja für die Welt bedeutenden Bekehrungen machte.
Von den beiden Stubenburschen Loyolas in dem Kollegium St. Barbara war der eine, Peter Faber aus Savoyen, ein Mensch, bei den Herden seines Vaters aufgewachsen, der sich einst des Nachts unter freiem Himmel Gott und den Studien gewidmet hatte, nicht schwer zu gewinnen. Er repetierte mit Ignatius, denn diesen Namen führte Inigo in der Fremde, den philosophischen Kursus; dieser teilte ihm dabei seine asketischen Grundsätze mit. Ignatius lehrte den jüngeren Freund seine Fehler bekämpfen, klüglich nicht alle auf einmal, sondern einen nach dem andern, wie er denn auch immer einer Tugend vorzugsweise nachzutrachten habe; er hielt ihn zur Beichte und häufigem Genuß des Abendmahls an. Sie traten in die engste Gemeinschaft; Ignaz teilte die Almosen, die ihm aus Spanien und Flandern ziemlich reichlich zuflossen, mit Faber. Schwerer machte es ihm der andre, Franz Xaver aus Pamplona in Navarra, der begierig war, der Reihe seiner durch Kriegstaten berühmten Vorfahren den Namen eines Gelehrten hinzuzufügen; er war schön, reich, voll Geist und hatte schon am königlichen Hofe Fuß gefaßt. Ignaz versäumte nicht ihm die Ehre zu erweisen, die er in Anspruch nahm, und zu sorgen, daß sie ihm von anderen erwiesen wurde. Für seine erste Vorlesung verschaffte er ihm eine gewisse Frequenz. Wie er ihn sich erst persönlich befreundet hatte, verfehlte sein Beispiel, seine Strenge ihre natürliche Wirkung nicht. Er brachte diesen wie jenen dahin, die geistlichen Übungen unter seiner Leitung zu machen. Er schonte ihrer nicht; drei Tage und drei Nächte ließ er sie fasten; im härtesten Winter, die Wagen fuhren über die gefrorene Seine, hielt er Faber dazu an. Er machte sich beide ganz zu eigen und teilte ihnen seine Gesinnung mit.
Nachdem