Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Wir sehen, Philipp II. fehlte die äußerliche Tätigkeit seines Vaters. Von jenem steten Reisen, jenem Eilen nach allen Orten, wo die Gegenwart des Fürsten notwendig schien, war er kein Freund. Er gab denen Beifall, welche an Ferdinand dem Katholischen lobten, daß er seine auswärtigen Kriege mehr führen lasse als selbst geführt, welche daran erinnerten, daß auch Karls Heere unter der Anführung eines Pescara und Leiva glücklicher gewesen als unter Karls eigener. Philipp führte Krieg, doch er selber blieb fern davon. Persönliche Regsamkeit macht die Seele offener, freier und wärmer. Wenn an Philipp immer eine gewisse Starrheit zu bemerken war, so mochte sie auch von dem Mangel an dieser Tätigkeit herrühren.
Die andere Seite der Tätigkeit Karls, im Kabinett, in dem eigentlichen Geschäft, war dagegen mehr auf Philipp übergegangen. Zwar hielt er sich auch hier von unmittelbarer Berührung mit andern lieber entfernt, und wir finden ihn weder persönlich unterhandeln noch an den Sitzungen des Staatsrates teilnehmen. Aber wir werden wahrnehmen, wie das Getriebe seines Staates so eingerichtet war, daß sich die Geschäfte des weitläufigen Reiches sämtlich an seinem Tische versammelten. Alle Beschlüsse seiner Räte von einiger Bedeutung wurden ihm auf einem gebrochenen Blatte vorgelegt, auf dessen Rande er sein Gutachten, seine Verbesserungen anzeichnete. Die Bittschriften, die Briefe, die an ihn einliefen, die Beratungen seiner Minister, die geheimen Berichte kamen hier sämtlich in seine Hand. Seine Arbeit und sein Vergnügen war, sie zu lesen, zu überlegen, zu beantworten. Von hier aus, zuweilen von einem ergebenen Sekretär unterstützt, oft in vollkommener Einsamkeit, regierte er die ihm untertänigen Länder, hielt auch die übrigen in einer Art von Aufsicht; von hier aus setzte er die geheimen Triebräder eines guten Teiles der Angelegenheiten der Welt in Bewegung.
Was ist es nun, was er in einem langen Leben so unablässig treibt? Ist es das Glück der Reiche, deren Leitung ihm anvertraut worden? Man hätte es glauben mögen, solange er in den ersten Zeiten sich von den Plänen und der Ruhmbegier seines Vaters fernzuhalten und nur seine eigenen Länder im Auge zu haben schien. Doch bald begann er auf die allgemeinen Verwicklungen lebhaft einzuwirken. Hatte er dann, wie vielleicht das Vermögen, so auch die Absicht, die Wunden der damaligen Welt zu heilen? Wir können weder das eine noch das andere behaupten. Gehorsam und katholische Religion zu Hause, katholische Religion und Unterwerfung in den andern Ländern, das ist es, was ihm am Herzen liegt, das Ziel aller seiner Arbeit. Er selbst ist dem äußeren Gottesdienste der katholischen Kirche mit einer mönchischen Anhänglichkeit zugetan. Um Erzherzogen, die ihn besucht haben, zu zeigen, wie ehrwürdig ein Priester sei, küßt er einem solchen nach der Messe die Hand. Einer vornehmen Dame, die auf die Stufen des Altars tritt, sagt er: »Das ist kein Platz weder für Euch noch für mich«. Wie emsig, mit wie vieler Sorgfalt, wie vielen Kosten bringt er aus den Ländern, welche protestantisch geworden, die Reliquien zusammen, damit diese Schätze nicht für die katholische Christenheit verloren gehen! Es ist dies wohl nicht innere Religion; aber zu einer Art innerer Religion, welche die Gesinnung zu bestimmen vermag, wird ihm die Überzeugung, er sei dazu geboren, diesen äußeren Dienst aufrechtzuerhalten: er sei die Säule der Kirche, das sei sein Auftrag von Gott. Erlangt er nun hierdurch, daß die meisten Spanier, voll einer ähnlichen Gesinnung, wie ein Italiener sagt, ihn nicht lieben, nicht verehren, sondern anbeten, daß sie seine Befehle für so heilig halten, daß man sie nicht übertreten könne ohne Gott zu verletzen, so werden ihm zugleich durch eine sonderbare Illusion, wenn wir anders mit Recht annehmen, daß seine Äußerungen nicht von einer inneren Täuschung ausgingen, es werden ihm die Fortschritte seiner Macht und die Fortschritte der Religion identifiziert, und in jenen sieht er diese. Hierin bestärken ihn die Niederländer, die zugleich von ihm und dem Papste abfallen. Freilich beseelt ihn im Grunde kein anderer Eifer als der Eifer Karls des Kühnen und Maximilians I., das burgundische, das habsburgische Haus zu erhöhen, der sich schon in Karl V. mit religiösen Intentionen gepaart hatte. In ihm ist diese Vereinigung nur noch viel stärker, und wenn er England zu erobern,179 wenn er die Krone von Frankreich an seinen Neffen und an seine Tochter zu bringen sucht,180 so überredet er sich, er tue das zum Besten der Welt, ja zum Heile der Seelen. Wenn ihn nun auf der einen Seite sein zurückgezogener Ernst nicht fähig machte, seinen Nationen in Güte, Leutseligkeit und als ein Vater vorzustehen, so war diese beschränkte und fanatische Sinnesart weit entfernt, ihn zu einem Versöhner der zerfallenen Welt zu machen; er ward vielmehr ein großer Beförderer und Vermehrer ihrer Entzweiung.
Wo Kirche und Staat in Frage kamen, kannte er kein Erbarmen. Das Geheimnis, mit dem er seine Rechtspflege umgab, machte sie doppelt entsetzlich. Als sein Leben zu Ende ging, sah er sein Reich an Menschen erschöpft, mit Schulden beladen, seine Feinde und Rebellen mächtig, frisch, zum Angriff gerüstet; einen Nachfolger aber, der diesen hätte widerstehen, jenem aufhelfen können, den sah er nicht. Sein Sohn181 war ganz untüchtig. Man sagt, dies habe sein Gefühl doch einmal übermannt. Seinem Schwiegersohne Albrecht von Österreich, der sich ganz nach ihm gebildet,182 und seiner Tochter Isabella, die er sehr liebte, klagte er's. Zu der Gnade, ihm ein so großes Reich zu geben, habe Gott die andere, ihm einen Nachfolger zu schenken, der dasselbe ferner zu regieren vermöchte, nicht hinzufügen wollen; ihnen beiden empfehle er das Reich. Mit Tränen sagte dies der alte König, er, der beim Tode seiner Kinder die Tränen gespart.
Die Granden von Castilien S. 178-183. Finanzen unter Philipp II. S. 274 bis 292. Sinken des Wohlstandes in Castilien S. 299-313. Aufschwung der Niederlande S. 327 – 334.
18. Die spanische Armada. Begründung der englischen Seemacht
Englische Geschichte I, Werke Bd. 14 S. 309 ff.
Schon längst waren Feindseligkeiten im Gange, die zunächst aus dem Piratenwesen entsprangen, welches überhaupt den westlichen Ozean erfüllte. Die englischen Kauffahrer hielten für ihr gutes Recht, jede Unbill zu rächen, die ihnen an den Küsten der Nachbarn angetan ward, denn in dem Menschen wohne, so sagten sie, nun einmal die natürliche Begier sich Genugtuung zu verschaffen, und verwandelten sich in Seeräuber. Durch die Gegenanstalten der Spanier geschah es, daß dieser Privatseekrieg immer größeren Umfang gewann, dabei aber auch nach und nach rühmlichere Antriebe entwickelte, wie man an Franz Drake sieht, der zuerst nur eben an den Raubzügen gekränkter Kauffahrer teilnahm und sich dann zur Idee einer maritimen Rivalität der Nationen erhob. Es ist ein welthistorischer Augenblick, wie Drake auf der Landenge von Panama zuerst der Südsee ansichtig wurde183 und Gott um die Gnade bat, dieses Meer einmal auf einem englischen Schiff zu durchsegeln: eine Gnade, die nicht allein ihm selbst, sondern im reichsten Maße seiner Nation zu teil geworden ist. Mannigfaltige Genossenschaften bildeten sich zur Wiederaufnahme der bereits einmal begonnenen und dann wieder unterlassenen Entdeckungsreisen. Und wenn die Spanier ihr ausschließendes Recht auf den Besitz der anderen Hemisphäre auf den Anspruch des Papstes gründeten, so trugen nun auch die protestantischen Ideen, welche dieser Weltsuprematie des römischen Stuhles spotteten, dazu bei, zu einer Besitznahme in diesen Regionen anzutreiben. Die Hauptsache geschah allezeit durch freiwillige Anstrengung begüterter Kaufhäuser oder unternehmender Mitglieder des Hofes und Staates, denen die Königin ermächtigende Patente gab. Auf diese Weise gründete Walter Ralegh184