Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Diese oberländischen Städte hatten im Auslande ähnliche Privilegien wie die Hanse. In Frankreich erneute sie ihnen Franz I. und Heinrich II.; sie wurden, ganz wie die Schweizer, die mit Frankreich in so engem Bunde standen, nur zu den alten gewohnten Auflagen verpflichtet und von allen neuen freigesprochen. Für die Messe von Lyon erhielten sie besondere Gerechtigkeiten. Die Parlamente zu Paris und Rouen, in der Bourgogne und der Dauphiné; haben die Freibriefe registriert; Karl IX. hat sie noch 1566 bestätigt. Für diesen Verkehr war Lindau von allen westlichen Plätzen, soviel ich weiß, der wichtigste. Der Warenzug zwischen Danzig und Genua, zwischen Nürnberg und Lyon ging über Lindau: unser Kosmograph nennt es das deutsche Venedig. In Wien hatten Italien, das Wein und Seidenwaren, und Ungarn, welches Vieh und Häute sendete, ihren Verkehr mit den deutschen Donauländern, mit Polen und Böhmen; die Straße von Wien nach Lyon ging über Lindau. Die Frankfurter Messe kam empor; Italiener und Ungarn, Engländer und Franzosen, Polen und Russen fanden sich daselbst ein; da erkennt, sagt Scaliger,124 Occident und Orient seine Landesprodukte wieder, auch sammelt man ewigdauernde Schätze für den Geist.
Diese großen Plätze hatten eine bedeutende Wirkung auf das ganze innere Deutschland. Wie sehr blühte z.B. die Altmark: Stendal, das allein 7-800 Tuchmacher zählte, das kleine Gardelegen, das im Jahre 1547 700 Soldaten werben konnte; man führte den Hopfen in viel tausend Wispeln aus; der Durchgang des Herings brachte einen sehr bedeutenden Vorteil; man war, ein seltener Fall, reich zu Berlin. Das Salz, das von Lüneburg, das Korn, das von Magdeburg verschifft ward, erhielt diese Städte in großer Aufnahme. Magdeburg war reich genug, Kaiser Karl gegenüber eine Besatzung zu halten, welche bei vier Millionen Gulden gekostet hat. Man machte Saale und Spree schiffbar.
In Schwaben betrieb man das Gewerbe bereits nicht ohne Kalkül und in Kompagnieen. Männer und Frauen beschäftigte das Spinnen und Weben der Leinwand; in Ulm verkaufte man jährlich 100 000 Stück Golsch und Barchent. Die Italiener berechnen, daß zu diesem Barchent doch auch Baumwolle gebraucht werde, die man von ihnen hole, so daß der Vorteil nicht ganz auf deutscher Seite sei. Wenn es sich ja so verhielt, selbst wenn, wie sie behaupten, die Bilanz im ganzen zum Nachteil der Deutschen ausfiel, so war dies damals eher zu ertragen. Vielleicht sind die deutschen Erzgruben niemals ergiebiger gewesen.
Man kennt jene Sage, die sich an so mancher Stelle wiederholt, von dem Alten, der da tief drinnen in den Bergen hinter eisernen Türen reiche Schätze hüte. Ihre Bedeutung, leicht ist sie zu erraten, hatte damals an vielen Orten eine glänzendere Erfüllung als man jemals hätte erwarten können, vor allem im Erzgebirge. Zwar wollen wir nicht die ungeheuren und unglaublichen Angaben der Chronika Carionis125 über die Schneeberger Ausbeute wiederholen, so viel Mühe sich auch der gute Aibinus126 gegeben, sie wahrscheinlich zu machen; allein außerordentlich war sie doch, wie schon ihr Ruf bezeugt. Die Register, obwohl unvollständig, ergeben in den ersten 79 Jahren, bis 1550, bei zwei Millionen Güldengroschen, das ist gegen drei Millionen Taler, die unter die Gewerke verteilt worden. In Annaberg hat man zwischen 1500 und 1600 über vierthalb Millionen Güldengroschen, das ist über fünf Millionen Taler, in Freiberg jährlich lange Zeit 50-60 000 Güldengroschen, zusammen in 71 Jahren über vier Millionen Taler, in Marienberg endlich – wir haben von allen diesen Orten die genauen Verzeichnisse127 – zwischen 1520 und 1564 über zwei Millionen Güldengroschen ausgeteilt. Die stärkste Ausbeute, Trinitatis 1540, ward durch ein Lied gefeiert, welches uns erhalten ist. Nun sind dies nur die bedeutendsten Werke, neben denen noch andere blühten; von jener Summe sind alle Berg- und Hüttenkosten bereits abgezogen; der Zehnte und Schlagschatz des Landesherrn, der sehr bedeutend, ist dabei nicht gerechnet; viele Zechen baute man frei. Gewiß ist der Ertrag der sächsischen Bergwerke in diesem Jahrhundert auf 30-40 Millionen Taler gestiegen. Unser Venetianer behauptet, man habe in Dresden täglich 3000 Taler geschlagen, was dann im Jahr eine Million betragen haben würde.
Nicht minder reich waren einige österreichische Landschaften. Auch was Joachimsthal128 eingebracht, ist von Bergmeister zu Bergmeister genau verzeichnet. Zwischen 1516 und 1560 hat man daselbst über vier Millionen Taler reinen Überschuß ausgeteilt; der Fundgrübner Martin Heidler hat ganz allein mit seiner Frau 100 000 Gulden Ausbeute gehoben. Erst im Jahre 1525 hat man im Lebertale zu bauen angefangen; es waren bereits über 30 Silbergruben im Gange, welche das Jahr niemals unter 6500 Mark Silber geliefert haben, als man zu Bachofen und S. Wilhelm überdies auf gediegene Silberstufen stieß. Unerschöpflich zeigte sich Schwatz;129 »da haut und schmilzt man,« sagt Münster, »ein unsäglich Gut für und für, Tag und Nacht«. Die Einkünfte Ferdinands aus diesem Bergwerk werden jährlich auf 250 000 Gulden, angeschlagen; in der Tat hat es zwischen 1526 und 1564 über zwei Millionen Mark Brandsilber, das ist über zwanzig Millionen Gulden, ertragen.130 Indessen aber gingen auch die alten Gruben nicht ein. An dem Rammelsberge ließ schon Herzog Heinrich der Jüngere,131 ein guter Bergmann, fleißig arbeiten. Wo er aufgehört, an dem Goslarischen Stollen, setzte es Herzog Julius mit noch größerem Eifer fort; er brachte seinen jährlichen Überschuß auf 20 000 Taler höher als sein Vater.
Faßt man dieses alles zusammen, erinnert man sich, wie vieler anderer Silbergruben Matthesius nur allein in Böhmen erwähnt, daß z.B. bei Budweis in sieben Jahren über 23 000 Mark brachen, daß Röhrbüchel132 im Jahre 1552 über 22 000 Mark lieferte, daß Rauris133 und Gastein »mit Gewalt Gott schütteten«, und unzählige andere Werke im Gange waren, so möchte man sagen dürfen, daß Deutschland die Masse der im Weltverkehr befindlichen edlen Metalle in diesem Jahrhundert um nicht viel minder vermehrt habe als Amerika, dessen Ertrag, wie wir wissen, sich anfangs lange nicht so hoch belief als man hat glauben wollen, in den ersten fünfzig Jahren nach der Entdeckung.
Allein es war nicht bloß um das Silber. An die bergmännischen Beschäftigungen, die in ihrer abgeschiedenen, besonderen Freiheit und Art auch an und für sich etwas bedeuten, knüpfte sich das mannigfaltige Handwerk an. Wie jener Herzog Julius, »ein rechter Vater aller Handwerksleute«, das Eisenwerk zu Gittelde, die Messinghütten zu Buntheim ihnen zum Nutzen in gutem Stande zu erhalten wußte. Die Waffenschmieden von Suhl versorgten bereits Deutschland und Welschland, Ungarn und Polen. Wie reich an neuen Erfindungen oder Erweiterungen der alten ist diese Periode; von der feinen Handarbeit des Spitzenklöppelns134 auf der einen Seite bis zu den gewaltigen Maschinen des Bergbaues auf der andern, oder den künstlichen Uhrwerken, den sinnreich erdachten Himmelskugeln, jenen Kompassen, die unser Georg Hartmann135 mit soviel Beobachtung verfertigte, daß er dabei die Deklination der Magnetnadel entdeckte. Unmittelbar befinden wir uns wieder bei den großen