Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
---|---|
Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Napoleon nahm recht geflissentlich die Miene an, daß es nur die Rücksicht auf Rußland sei, durch die er bewogen werde dem König von Preußen den Besitz der Landschaften, die er ihm ließ, zu gönnen. Alles aber, was zwischen Elbe und Rhein zu Preußen gehört hatte, wurde aufgegeben; das neue Königreich Westfalen und seinen Bestand erkannte der König von Preußen an. Es war der erste Gedanke Napoleons gewesen, Preußen von Deutschland auszuschließen, jetzt verkündigte er seinem Senate mit Selbstgefühl, daß ein französischer Prinz an der Elbe herrschen werde. Preußen sollte nur eben eine intermediäre Macht zwischen Frankreich und Rußland sein; die Elbe und der Niemen sollten seine natürlichen Grenzen bilden. Rußland wurde sogar auf Kosten Preußens vergrößert, um diese Grenzen zu konsolidieren. Sich der Sache der Polen, wie diese es wünschten, im großen und ganzen anzunehmen, wurde Napoleon durch die mit Rußland eingegangne Allianz verhindert; nur die aus den spätern Teilungen für Preußen erwachsnen Vergrößerungen wurden demselben entrissen und zu dem Herzogtum Warschau gestaltet, was insofern doch eine Bedeutung für die Ausbildung der revolutionären Ideen hat, als französische Einrichtungen, wiewohl mit großer Schonung des Bestehenden, eingeführt wurden und die ihnen zugrunde liegenden Begriffe sich weiter Bahn machten. Der Verlust der Provinz und die Auseinandersetzung darüber waren für Preußen gleich empfindlich; selbst das Privateigentum wurde davon betroffen.
Bei alledem blieben doch dem Könige die vier großen Provinzen, die den Kern der Monarchie ausmachten, Preußen, Pommern, Schlesien und die Mark Brandenburg. Diese Provinzen haben das Gemeinsame, daß sie deutsche Kolonien auf altslavischem Boden bilden, so daß die Ausdehnung der deutschen Nation nach dem Osten in ihnen besonders sich darstellt; sie blieben in dem geographischen Zusammenhange, den ihnen Friedrich der Große gegeben hatte. Dieser Besitz wurde aber dadurch verkümmert, daß wenige Tage nach dem Friedensschluß von Tilsit ein Vertrag zu Königsberg eingegangen werden mußte, der, an einen Artikel des Friedens anschließend, zwar die allmähliche Räumung der Provinzen verfügte, allein unter der Bedingung, daß die dem Lande auferlegte Kontribution abgezahlt oder für den Rest derselben solche Sicherheiten ausgestellt würden, die der Generalintendant Daru für gültig anerkenne. Man versäumte die Summe der Kontribution zu bestimmen sowie die Art und Weise der Zahlung, während doch die Einziehung der landesherrlichen Steuern für den König davon abhing. Drei französische Armeekorps blieben auf preußischem Gebiete stehen. So wurde dem Verlust der westlichen Landschaften ein Druck auf den Staat, soweit er erhalten blieb, hinzugefügt, der die Kräfte desselben fesselte und großenteils verzehrte. Von der Zahlung der Kontribution, die nicht aufzubringen war, wurde die Befreiung des okkupierten Lands abhängig gemacht. Die Lage war verzweiflungsvoll.
Eben an diesen Moment der tiefsten Erniedrigung von außen knüpfte sich die Idee der Regeneration von innenher. Denn nicht ein Spielball zwischen den beiden großen Mächten sollte Preußen werden, sondern auf seinen eignen Füßen mußte es stehen, wenn es jemals in der Welt etwas bedeuten wollte.
50. Hardenberg, Stein und Scharnhorst
Hardenberg und die Geschichte des preußischen Staates III, Werke Bd. 48 S. 53 ff, 355 ff.
Unendlich wichtig sind jene Tage in Bartenstein, in denen auf eine allgemeine Restauration der großen politischen Verhältnisse Bedacht genommen, zugleich aber, ohne daß man viel davon gesprochen hätte, ein erster Minister434 aufgestellt wurde. In den Besitz der höchsten Autorität unmittelbar unter dem Könige trat der Mann ein, der für die inneren Zustände keinesweges eine Restauration, sondern eine durchgreifende Umbildung im Sinne hatte. Der König war vollkommen davon unterrichtet. Indem Hardenberg, wie erwähnt, im Anfang des März auf die Verbindung der auf den Krieg bezüglichen Tätigkeiten mit dem auswärtigen Ministerium antrug, hat er noch weiter ausgreifende Ideen geäußert und empfohlen. Vor allem, die öffentliche Meinung müsse mehr als bisher berücksichtigt werden; man müsse diejenigen, die sich hervorgetan, belohnen und auszeichnen, die Pflichtvergessenen strafen, Klagende und Kleinmütige entfernen. Er dringt auf eine Radikalkur der Mängel der Geschäftsführung und spricht bereits das Wort aus »Regeneration der Verfassung«; jetzt komme es auf Mittel der Rettung, künftig auf eine gänzliche Wiedergeburt an. Er verschweigt nicht, daß ohne eine Reorganisation der Armee schlechterdings kein Ansehen in Europa erlangt werden könne; als Hauptgrundsatz dabei empfiehlt er Aufhebung aller Befreiungen bei der Gestellung und Avancement allein nach Verdienst.
Nach der Rückkehr von Bartenstein nach Memel blieben die gesamten Geschäfte in Hardenbergs Hand vereinigt. Zur Verwaltung derselben berief er für die innern Angelegenheiten Altenstein, Schön, Niebuhr, Stägemann in seine Nähe. Welch ein Ereignis für das gesamte Staatswesen war es nun, daß Napoleon bei dem Frieden zu Tilsit die Entfernung Hardenbergs von dem auswärtigen Ministerium zu einer unerläßlichen Bedingung machte! Man hielt anfangs noch für möglich, daß er das Departement des Innern behalten könne; ein ähnlicher Vorschlag war schon früher erwogen worden. Hardenberg dagegen war überzeugt, daß sein längeres Verweilen, in welcher Eigenschaft auch immer, dem König und dem Staate nachteilig sein werde. Er faßte auf der Stelle die Meinung, daß alles geschehen müsse, um Stein für die innern Angelegenheiten zurückzurufen. Um aber für den Fall, den man voraussetzte, daß Stein den Ruf annähme, die Fortführung der Geschäfte in dem einmal eingeleiteten Sinne aufrechtzuerhalten, schlug Hardenberg vor, seine vier Mitarbeiter, die seine Ansichten teilten, zu einer Immediatkommison zu vereinigen. Der König trug kein Bedenken, Hardenbergs Vorschläge zu genehmigen.
Es war in Riga, fern von der unmittelbaren Einwirkung der Tagesereignisse und Tagesbeschäftigungen, wo die Ideen, die bei der letzten administrativen Tätigkeit bereits vorgeschwebt hatten, von dem Minister Hardenberg, der sich dahin flüchtete, seiner dem Könige gegebnen Zusage gemäß, und dem Geheimen Finanzrat Freiherrn von Altenstein, damals seinem intimen Freunde und Ratgeber, überlegt und in zwei verschiednen Gutachten, die doch miteinander aufs genauste in Verbindung stehen, zusammengefaßt wurden. Beide sind durch Altenstein, der von Riga nach Memel zurückging, noch im September dem Könige überliefert worden.435 Am 30. September traf Stein in Memel ein, am 5. Oktober trat er sein Amt an, am 9. Oktober wurde das schon in der Immediatkommission revidierte Edikt über die Aufhebung der Erbuntertänigkeit publiziert. Stein trat in die von Hardenberg vorbereitete Stellung, jedoch mit dem Unterschiede, daß bei diesem das auswärtige Ministerium, dem nur andre Angelegenheiten angeschlossen worden, zugrunde lag, bei Stein dagegen die Richtung auf das Innere allem andern voranging.
Stein gehörte einem reichsfreiherrlichen Geschlecht an, das seit unvordenklichen Zeiten die Burg zu Nassau besaß; er wuchs auf im Gefühl der zwiefachen Pflicht, seine Standesehre zu wahren und in der Welt etwas Nützliches zu leisten. Wie Hardenberg war auch Stein ursprünglich dazu bestimmt, in den Reichsbehörden zu arbeiten, und einen Augenblick hat er sich zu diplomatischen Geschäften angeschickt; doch stand er bald von dem einen und von dem andern ab und widmete sich unter Leitung desselben Mannes, dem auch Hardenberg viel verdankte, des Ministers v. Heinitz, dem inneren Dienst von Preußen. Wenn der Ruhm Friedrichs des Großen in Hardenberg früh eine Hinneigung zu Preußen hervorrief, so war das bei Stein in noch höherm Grade der Fall. Die Haltung Friedrichs in dem bayrischen Erbfolgekriege, die als Verteidigung alter deutscher Rechte erschien, bestimmte ihn, in die preußische Verwaltung einzutreten, in der er von unten auf diente, aber dann noch in frischen Jahren zu den höchsten Stellen zur Seite Hardenbergs emporstiegt.436