Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Im westlichen Europa hatte der Krieg nun schon die größten Dimensionen angenommen: Dumouriez war in die Niederlande eingefallen, Custine in den mittelrheinischen Gebieten vorgedrungen; bereits am 21. Oktober hatte er sich einer der Hauptstädte Deutschlands, des als ein unüberwindliches Bollwerk betrachteten Mainz, mit leichter Mühe bemächtigt. In den Franzosen erwachte die Hoffnung, durch ihre Prinzipien und den Anlauf ihrer Truppen in Europa Meister zu werden. Alles beruhte fortan darauf, inwiefern die alten Staaten fähig sein würden, sich gegen sie zu verteidigen oder nicht. Der große Kampf der Mächte begann, welcher Europa seitdem erfüllte.
48. Der Friede zu Basel
Hardenberg und die Geschichte des preußischen Staates I, Werke Bd. 46 S. 210 ff. 252 ff.
Man sprach damals423 viel von einem vierten Feldzuge, was so aussieht, als sei es nur eben auf eine Fortsetzung des Krieges gegen Frankreich angekommen. In Tat und Wahrheit aber war der Krieg gegen die Revolution nicht mehr in dem Sinne gemeint, in dem er anfangs unternommen worden. Die drei großen Mächte England, Rußland, Österreich hatten Absichten gefaßt, die über die ursprünglichen Motive weit hinausgingen. England trachtete vor allem nach Ausdehnung seiner maritimen Macht. Um zur See die Überlegenheit zu behaupten, hielt es die Fortsetzung des kontinentalen Krieges namentlich durch Österreich für notwendig; zu diesem Zwecke bewilligte es Österreich große Anleihen und stellte ihm andre Hilfsleistungen in Aussicht. Dadurch bekam Österreich neue Kräfte und den Mut, in seinen Eroberungsabsichten nicht allein an den französischen Grenzen, sondern auch nach andern Seiten hin zu verharren. Es faßte die mitteleuropäische Stellung, nach der Joseph II. gestrebt hatte, in noch größerem Umfange als dieser selbst ins Auge. Nicht ohne Rußland jedoch konnte Österreich zu seinen Intentionen zu gelangen sich Hoffnung machen; um Rußland zu gewinnen, entschloß es sich, dessen Besitznahme ausgedehnter polnischer Provinzen anzuerkennen und selbst die Ansprüche der Kaiserin auf die Donaufürstentümer zu berücksichtigen. Indem nun diese Entwürfe ergriffen und diese Verbindungen eingeleitet wurden, kam in Preußen die fernere Teilnahme an dem Kriege gegen Frankreich in ernstliche Erörterung.
Es ist leicht zu erklären, daß dem Könige, der den Feldzug gegen die Revolution mit einer Art von Enthusiasmus begonnen hatte, unendlich schwer wurde, sich zu einem Schritte der Annäherung an das bekämpfte Element zu verstehen. Nur mit vielen Bedacht ließ er sich zu einer solchen herbei. Wären ihm nicht jene Subsidien424 versagt worden, in einer Weise, die er als Beleidigung seiner Kriegsehre betrachtete, so würde er schwerlich dazu geschritten sein. Aber dadurch wurde er in die Unmöglichkeit gesetzt, den Krieg mit Nachdruck fortzuführen, und zugleich in eine Aufwallung gebracht, welche ihn der Koalition entfremdete. Um die Entschlüsse zu beurteilen, welche in Berlin gefaßt wurden, muß man sich erinnern, daß die Nachrichten aus Paris den friedlichen Äußerungen Barthélemys425 entsprachen. Die große Reaktion gegen das Schreckenssystem war noch in vollem Gange; der Jakobinerklub war geschlossen, die 73 Girondisten waren wieder in den Konvent eingetreten (9. Dezember 1794). Man erfuhr von einer durchaus veränderten Stimmung in der Nation und der höheren Gesellschaft. In der Hauptstadt kehre man, so versicherten ein paar Reisende, die aus Paris soeben in Basel angekommen waren, zu den alten Sitten zurück; die Bezeichnungen Bürger und Bürgerin verwandelten sich wieder in das altgewohnte Monsieur und Madame; man duze sich nicht mehr, man vermeide das kurz abgeschnittene Haar, an welchem man die Jakobiner erkannt hatte; alles rufe nach Frieden; das Volk begehre wieder eine öffentliche Gottesverehrung; bei der wachsenden Gereiztheit von Rußland, Österreich und England beginne man einen Umschlag des bisherigen Glückes zu fürchten und würde geneigt sein, die in den Niederlanden und längs des Rheins gemachten Eroberungen wieder aufzugeben, um Frieden zu erhalten. Man sieht, wie sehr diese Mitteilungen den Wünschen des Berliner Kabinetts entgegenkamen.
Hardenberg kam am 18. März 1795 in Basel an und eröffnete am folgenden Tage seine Unterhandlung. Er überzeugte sich bald, daß die Erwähnung der Abtretung426 nicht zu vermeiden sein werde, wenn man nicht die Möglichkeit, den Krieg im Bunde mit der Koalition fortzusetzen, in Aussicht stellen könne. Da das aber die Meinung des Königs nicht sei, da er den Frieden wünsche, so bleibe nichts übrig, als in einem besonderen Artikel jede endgültige Bestimmung in allgemeinen Ausdrücken auf den Friedensschluß mit dem Reiche zu verweisen. Er kam damit auf den Standpunkt zurück, den Haugwitz angedeutet und den auf der andern Seite auch Barthélemy an die Hand gegeben hatte; die fernere Okkupation der preußischen Landschaften bis zum allgemeinen Frieden entschloß er sich nachzugeben, nur nicht ganz in den Ausdrücken des französischen Entwurfs.
Die Absicht des preußischen Hofes war, Frieden mit Frankreich zu schließen ohne Nachteil für Deutschland. Es war vielleicht ein Irrtum Hardenbergs, dies für möglich zu halten; er schmeichelte sich, daß es zu einer Abtretung nicht kommen würde. Namentlich meinte er die unmittelbare Feindseligkeit der Franzosen zu vermeiden und zugleich Gelegenheit zu erlangen, ihrem anderweiten Umsichgreifen entgegenzutreten. Er trat mit einem Vorschlage hervor, durch welchen eine Demarkationslinie zwischen den beiderseitigen Armeen und die Neutralität des nördlichen Deutschlands festgesetzt werden sollten. Die Franzosen wandten ein, daß dieser Vorschlag ein neuer sei und die Sache besser einer besonderen Übereinkunft zugewiesen werden dürfte; Hardenberg bestand um so mehr darauf, da sein Sinn dahinging, die übrigen norddeutschen Staaten um den König zu scharen. Er erwiderte, die Neutralität des Reiches sei von Anfang an in Antrag gebracht worden, und der jetzige Vorschlag erhalte mehr eine Ermäßigung des alten als etwas Neues. Wohl beschied er sich, daß der Artikel nicht in den öffentlichen Vertrag427 aufgenommen werden könne, aber er fand Gelegenheit, eine Andeutung davon, die seiner Absicht entsprach, in denselben zu bringen. In dem Entwurf des Pariser Wohlfahrtsausschusses fand sich ein Artikel, in welchem von der Herstellung des Handels mit Preußen die Rede war; Hardenberg fügte hinzu, daß zu diesem Zwecke der Krieg von Norddeutschland ferngehalten werden müsse. In dem dritten geheimen Artikel wurde dann die Linie bestimmt, welche die französischen Kriegsoperationen nicht überschreiten sollten. Hierbei kam die Frage über die Vermittlung nochmals zur Sprache. Die Franzosen hatten sich bereit erklärt, die guten Dienste des Königs für diejenigen Reichsstände stattfinden zu lassen, welche sich direkt an Frankreich wenden würden. Schon darin lag eine Modifikation ihrer Absicht, mit den kleinen Staaten selbständig zu verhandeln. Von Hardenberg wurde jetzt hinzugefügt, daß diese Vermittlung nur für diejenigen stattfinden solle, die sich deshalb an den König wenden würden, wie dies von vielen bereits geschehen war. Schon hatten einige der mächtigsten Stände sich erboten, ihre Gesandten nach Basel zu schicken; Hardenberg hatte leicht begreiflich diese Erbietungen fürs erste abgelehnt. Gleichwohl versprachen die Franzosen, in den nächsten drei Monaten diejenigen nicht feindlich zu behandeln, für welche Preußen sich interessieren würde. Hardenberg legte Wert darauf, daß alle Fürsten diesseit und jenseit des Rheins der guten Dienste Preußens teilhaftig werden sollten, was eine unabhängige Unterhandlung derselben mit Frankreich, etwa über die Abtretung ihrer Gebiete, ausschloß; er legte Wert darauf, daß die Fürsten, gegen einen französischen Einfall sichergestellt, Zeit haben sollten, in Verhandlungen mit Frankreich zu treten, aber unter den Auspizien des Königs, so daß die Unterhandlung in dessen Hand fallen werde. Der vierte Artikel des französischen