Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Überhaupt boten die Unterhandlungen in Basel keine großen Schwierigkeiten dar. Zwischen den französischen Bevollmächtigten, von denen ein Teil der vorgelegten Artikel selbst herrührte, und Hardenberg, der diese modifizierte und ergänzte, bildete sich eine gewisse Vertraulichkeit aus. Die Franzosen trugen kein Bedenken, die ihnen zugehenden Weisungen des Wohlfahrtsausschusses dem Preußen mitzuteilen, und dieser bat seine Regierung um ostensible Depeschen, die er den Franzosen mitteilen könne. Bacher, der engere Beziehungen zu Paris hatte als Barthélemy, zweifelte nicht, daß die in Basel vorgenommnen Abänderungen des Entwurfs in Paris gutgeheißen werden würden; er rechnete dabei auf die Wirkung des Prozesses gegen Barère,428 der eben im Zuge war, und den Einfluß der wiedereingetretenen 73 alten Mitglieder der Gironde. Die Meinung war, daß die gemäßigte Partei im Konvent die Oberhand behalten und auf die in Basel gefaßten Gesichtspunkte eingehen werde. Diese waren noch umfassender, als sich aus der Diskussion über die Artikel allein hätte schließen lassen. Sie gingen auf ein volles Einverständnis zwischen dem deutschen Reiche, Preußen und Frankreich. Hardenberg versicherte: wenn Frankreich von der Erwerbung der Rheingrenze abstünde, so würde das deutsche Reich keinen Augenblick zögern, mit ihm Frieden und Freundschaft zu schließen. Die Franzosen sagten hierauf wohl, in Deutschland sei man ohnehin des Krieges müde; Hardenberg warnte sie, von dieser Stimmung zuviel zu erwarten; sie möchten sich hüten, den Keim zu neuen Kriegen zu legen. Man muß sich diese Lage, diese Absichten und Wünsche vergegenwärtigen, um den Frieden zu begreifen, der allerdings eine Sezession Preußens von der Koalition enthält, aber seine Allianz mit den Franzosen, selbst nicht eine Bestimmung zu den Annexionsgelüsten ihrer damaligen Regierung. Man erwartete noch, diese werde davon abstehen und alsdann in einen festen Frieden mit Preußen und dem Reiche eintreten. Bereits am 31. März wurde der von Hardenberg ausgefertigte Entwurf von den beiden französischen Bevollmächtigten genehmigt und dann am 5. April in aller Form unterzeichnet. Die Genehmigung des Wohlfahrtsausschusses war damals noch nicht eingetroffen, aber Schwierigkeiten hatte es damit nicht, wie Bacher vorausgesetzt; einige Tage später lief sie ein. Dazu hatte hauptsächlich auch die Unterdrückung der jakobinischen Erhebung vom 12. Germinal (1. April) beigetragen.
Wenn es unmöglich gewesen war, dem Reiche den Frieden zu verschaffen, so war es doch schon ein unschätzbarer Gewinn, einen großen Teil des Reichsgebiets den Bewegungen des Kriegs zu entreißen. Hätten die Befürchtungen sich erfüllt, die man Anfang 1795 hegte, hätten die Franzosen die schwachen Linien, mit denen man sie abzuhalten suchte, durchbrochen und Deutschland schon damals überflutet, so wäre an eine ruhige Fortentwicklung des deutschen Geistes, wie sie seit dem Hubertusburger Frieden eingetreten war, nicht zu denken gewesen. Durch den Frieden zu Basel und die Demarkationslinie wurde inmitten der kämpfenden Weltmächte ein neutrales Gebiet geschaffen, in welchem man unter der Ägide des preußischen Adlers die Segnungen des Friedens genoß.
Bezeichnend ist es, daß unter den weltlichen Fürsten Karl August von Weimar eigentlich der erste war, welcher die Aufnahme in die Neutralität begehrte und erhielt. Seine kleine Hauptstadt und die benachbarte Universität Jena bildeten einen der vornehmsten Mittelpunkte der Literatur. Ich wage zu behaupten, daß die Zeit der Neutralität dazu gehörte, um den begonnenen Trieben zu ihrem Fortwachsen und ihrer Reife Raum zu verschaffen. Unleugbar ist es doch, daß die Unruhen und Gefahren des Kriegs alles gestört und vielleicht allem eine andre Richtung gegeben haben würden. Der Fortgang der sich selbst überlassenen Kultur beruhte auf der Fortdauer des innern Friedens und den unerschütterten sozialen Zuständen, zugleich aber auf den Anregungen, die aus der allgemeinen Weltbewegung hervorgingen. Ich will keine Theorie aufbauen, sondern nur in Erinnerung bringen, daß die Jahre der Neutralität fast die fruchtbarsten in der deutschen Literatur gewesen sind, fruchtbar besonders an originalen und für die Nation unschätzbaren Hervorbringungen.
Noch lebte Kant. Seiner Schule gehörte damals der denkende Teil der Nation überhaupt an. Aus derselben erhoben sich bereits philosophische Geister von echter Begabung, welche für das moralische Leben und die Herrschaft der Idee noch weitere Bahnen eröffneten: Fichte und Schelling. Die philosophischen Studien führten zu den gelungensten Reproduktionen der vornehmsten Werke des klassischen Altertums, welche irgendeine Nation aufzuweisen hat, und zugleich zu einer Anschauung der Anfänge ihres Entstehens; Voß und Wolf wirkten zusammen. Niemals hatte die Poesie eine ähnliche Epoche; die »römischen Elegien« und »Hermann und Dorothea«, gleichsam die Pole der klassischen Studien, von denen der eine südliche Nacktheit, der andre germanische Tiefe und häusliches Leben darstellt, erschienen bald nacheinander. Und was ist sonst nicht alles in dieser Zeit entstanden! Der Roman, welcher ein Abbild der Zustände des damaligen gesellschaftlichen Lebens (1795–1805) für alle Zeiten enthält, einige der schönsten Balladen der beiden Meister der Dichtung und Sprache, das Lied von der Glocke, welches nachgehends die Kinder auswendig lernten, und die großen Tragödien, an denen sich die Seelen kräftiger Männer nährten und erfrischten. »Wallenstein«, »Jungfrau von Orleans«, »Wilhelm Tell« entstammen dieser Epoche. Die besten Teile der Schweizer Geschichte des Johannes von Müller, der vierte und fünfte, denen es doch gelang, die historischen Ereignisse entlegner Zeiten zu vergegenwärtigen, sind damals geschrieben worden. Ihnen zur Seite legte die Göttinger historische Schule die Grundlage für die Auffassung der Staatengeschichte und der Geschichte der Wissenschaften im allgemeinen. Nur die Titel der Bücher zu übersehen erfüllt mit Sympathie. Auch die Kunst wandte sich dem Ideale zu. Die Literatur, in der sich auf allen Gebieten mannigfaltige geniale Kräfte regten, erlangte eine unvergängliche Wirksamkeit für das Gesamtleben der Nation. Noch bewahrte sie ihren theologischen Charakter; die Zeit sollte schon kommen, wo dies nicht mehr möglich war und andre allgemeine und patriotische Impulse sich aller Geister bemächtigten.
Der Vertrag zu Schönbrunn, Bd. 47 S. 159–178. Die Schlacht bei Jena und Auerstädt, S. 240–250.
49. Der Friede zu Tilsit 1807
Hardenberg und die Geschichte des preußischen Staates III, Werke Bd. 48 S. 21 ff. 33 ff.
Am 26. April 1807 schlossen Rußland und Preußen einen neuen Vertrag zu Bartenstein,429 weit aussehenden Inhalts, der auf eine allgemeine Emanzipation von der französischen Übermacht hinzielte. Die beiden Mächte vereinbarten, daß keine die Waffen ohne die andre niederlegen solle. Der Zweck des Kriegs wird dahin bestimmt, der Menschheit das Glück eines dauerhaften Friedens zurückzugeben; man beabsichtige nicht sich in die innern Angelegenheiten von Frankreich einzumischen, aber unumgänglich sei es, die französische Regierung in Schranken einzuschließen, wie sie zur Sicherung des Gleichgewichts der Mächte erforderlich seien; Preußen solle in den Besitz der Landschaften, die es 1805 besaß, hergestellt werden und eine bessre Grenze erlangen, sowohl um sich selbst als um Deutschland zu verteidigen; den Hauptgesichtspunkt des Ganzen bildet die Unabhängigkeit Deutschlands.
Aber welch ein Umschlag trat ein! Man könnte die Bestürzung nicht beschreiben, welche die Nachricht von der Schlacht bei Friedland (14. Juni) und von der Einnahme Königsbergs in Memel hervorbrachte, wo man sich auch von den eignen Truppen entfernt und der Übermacht eines gereizten Feinds wehrlos ausgesetzt sah. Eine Hoffnung bot sich noch in der bereits beschlossenen Wiederzusammenkunft zwischen dem Kaiser und dem König dar; sie fand am 21. Juni in Sczawl, einem alten Jagdschloß der Könige von Polen, statt. Auch Hardenberg war dahin geeilt, noch immer in der Hoffnung, daß seine Politik an der zwar geschlagnen, aber noch keineswegs vernichteten Streitmacht eine Stütze finden würde. Allein er mußte mit Schrecken erfahren, daß sich bereits das ganze russische System verändert hatte. Er war nie ohne Besorgnis gewesen, daß es Napoleon gelingen werde, den Kaiser Alexander von der preußischen Sache, von der großen zu Bartenstein geschlossenen Verbindung loszureißen; er traute ihm nicht genug Energie zu, um im Fall eines Unglücks Widerstand zu leisten. Das Unglück der Waffen aber war es nicht allein, was den Kaiser bestimmte; er war seines Kriegsheers nicht mehr mächtig. In der russischen Armee hatte sich im Laufe der letzten Monate