Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
So bald als möglich, abermals in einem angestrengten Marsche, rückte nun die preußische Armee auf die Gegend an, in der sich die feindlichen Streitkräfte vereinigen sollten. Die vornehmste Position bildeten die Höhen von Valmy, wo Kellermann sein Geschütz aufgefahren hatte. Er begrüßte die Ankunft der Preußen mit Kanonenschüssen; aber sie rückten in der besten Ordnung vor, wie die Anwesenden sagten: als vollzögen sie nur ein Manöver bei Tempelhof oder Potsdam. Niemand zweifelte, daß man den Feind aus dem Felde schlagen werde, wenn man nur mutig auf ihn losgehe. Der Herzog von Braunschweig war jedoch nicht dieser Ansicht, da die Franzosen eine unerwartet gute Haltung zeigten, wie denn eine preußische Brigade, die dem Feinde zu nahe gekommen, sich bereits zurückgezogen hatte. Er meinte die Stellung des Feindes erst erschüttern zu müssen, ehe er zu wirklichem Angriff schreite; er hat dem Prinzen von Nassau-Siegen die Stelle bezeichnet, an der er das ins Werk zu setzen gedachte. Auch er gebot über treffliches Geschütz, das an einer von den Franzosen früher besetzten Stelle, La Lune, aufgefahren war; es brachte jedoch nicht die erwartete Wirkung hervor. Der Herzog scheint mehr von der Aufstellung einer andern Batterie erwartet zu haben, die nicht zustande kam; er hat immer angegeben, es habe ihm an Munition gefehlt. Unter solchen Umständen glaubte er – vielleicht mit Recht – die Franzosen in der vorteilhaften Stellung, die sie eingenommen hatten und behaupteten, nicht angreifen zu können. Er rechnete darauf, daß sie des folgenden Tags sich doch zurückziehen würden. Dem Könige, der einen unmittelbaren Angriff am liebsten gesehen hatte, gab er die Antwort, man müsse einen solchen verschieben.
So verlief die berühmte Kanonade von Valmy, die, bald nach Mittag begonnen, bis gegen fünf Uhr dauerte, am 20. September 1792. Die beiden feindlichen Heere, welche die Gegensätze der Weltelemente repräsentierten, waren daselbst zusammengetroffen, jedoch ohne eigentlich zu schlagen. Noch glaubte niemand, daß darin eine Entscheidung liege. Den folgenden Tag verließen die Franzosen ihre Stellung auch deshalb, um sich die Verbindung mit Chalons zu erhalten, indem ihnen der Gebrauch der Chaussee von St. Ménehould nach Chalons durch ein preußisches Manöver verwehrt wurde; sie zogen sich in ein andres Lager zusammen. Vor ihren Augen, und ohne von ihnen gestört zu werden, nahm hierauf der Herzog die von ihnen vorher besetzte Position ein. Die Stellung der preußischen Armee erschien den Anwesenden, unter andern auch dem österreichischen Gesandten Fürsten Reuß,416 in dem Lichte eines errungnen Vorteils. Als bei Valmy geschlagen können die Preußen nicht betrachtet werden; sie standen mit einer ansehnlichen und selbst furchtbaren Macht im Feindeslande. Aber sie waren weit davon entfernt geblieben, den Sieg zu erfechten. In der Erwartung gekommen, daß die feindlichen Truppen sich bei ihrem Anblick zerstreuen würden, stießen sie auf eine schlagfertige, von geschickten Generalen geleitete Armee.
In dieser Lage und der gegenseitigen Schonung bedürftig begann man eine Unterhandlung bei Gelegenheit oder unter dem Vorwande der Auslieferung von Gefangenen. Dumouriez war unendlich entgegenkommend, gleichsam anbietend, wie der Fürst Reuß sagt, der erst gefragt worden war, ehe man sich in Verhandlungen einließ. Im preußischen Lager faßte man die Hoffnung, mit Hilfe des kommandierenden Generals der Feinde noch zu einem erträglichen Abkommen zu gelangen. Noch hielt die preußische Politik daran fest, Ludwig XVI. zu befreien und ihm eine nicht unwürdige Stellung zu verschaffen; dagegen war sie geneigt die Sache des Klerus und des Adels fallen zu lassen; die Emigranten sollten entschädigt werden, aber außerhalb Frankreichs leben. Daß Dumouriez, wie er nachher selbst einmal ausgesprochen hat, es wirklich nur darauf abgesehen hatte, Zeit zu gewinnen, läßt sich doch nicht ohne weiteres annehmen; eine unter seiner Vermittlung durchgeführte Abkunft würde ihm eine der größten Positionen in der Welt verschafft haben. Und die Vorschläge, die er machte, wären an sich der Idee der Girondisten nicht ungemäß gewesen. Aber schon war diese Partei durch ein neues Ereignis in Paris aller Autorität entkleidet. Hätte sie bei den Wahlen die Oberhand behalten, so würde man bei der bisherigen Verfassung möglichst stehen geblieben sein; man würde das Königtum beibehalten haben, nur in vollkommner Abhängigkeit von der Nationalversammlung. Der Konvent aber warf den Gedanken, daß der König selbst Repräsentant der Nation sein könne, weit von sich; er faßte die souveräne Nation nur im Gegensatz gegen das Königtum und dekretierte dessen Abschaffung in Frankreich, denn an das Bestehen der königlichen Würde knüpften sich alle reaktionären Tendenzen, alle Elemente die gegen die Nationalsouveränität anstrebten, und die Absichten der verbündeten Höfe. Mit dem republikanischen Gedanken verschmolz sich der nationale; das revolutionäre Gemeinwesen trat in Gegensatz zu dem übrigen Europa. Wie ganz anders wurde dadurch die Lage der Verbündeten und ihrer Armeen! Auch alle jene Möglichkeiten, die bei den ersten Verhandlungen mit Dumouriez ins Auge gefaßt waren, erschienen jetzt als Unmöglichkeiten.
Man erwartete noch seine definitive Antwort,417 als man erfuhr, daß das Königtum in Frankreich abgeschafft sei. Am 26. September setzte der General in seiner amtlichen Eigenschaft die Verbündeten von dem großen Ereignis in Kenntnis. Diese Meldung trug jedoch keinen feindseligen Charakter; sie war mit einer Wendung der Politik verbunden, welche eine unerwartete neue Aussicht darbot. Gerade in diesem Augenblicke faßte Dumouriez den Gedanken einer besonderen Abkunft mit Preußen, eigentlich eines Bündnisses. Man begreift das, wenn man sich erinnert, daß der Widerwille gegen die Allianz von 1756 allezeit in Frankreich eine gewisse Hinneigung zu dem preußischen Staate im Gefolge gehabt hatte. Friedrich Wilhelm II. sollte auf den Vertrag von Pillnitz verzichten, den man als eine Verbindung Österreichs mit Preußen gegen Frankreich betrachtete; er sollte überhaupt an dem Kriege gegen Frankreich keinen Teil mehr nehmen, Verdun und Longwy zurückgeben und das französische Gebiet räumen, endlich sich auf eine einfache Interzession für Ludwig XVI. beschränken, ohne bestimmte Forderungen zu stellen, und vor allem die französische Republik anerkennen. Es war in dieser Gesinnung, daß der französische General dem Könige Weißbrot, Zucker und Kaffee, woran es im Lager fehlte, zugesandt hat.
Er ließ Friedrich Wilhelm II. aufs neue versichern, daß er in Frankreich hochgeachtet und geliebt sei, und daß man nichts mehr bedaure, als durch eine fremde Einwirkung mit ihm in Krieg geraten zu sein. In demselben Sinne sprach sich der Adjutant, den er nach dem preußischen Hauptquartier schickte, Thouvenot, gegen den Herzog von Braunschweig aus. Die nächste Frage, in der sich die Veränderung des Systems kundgab, betraf die Einschließung der Emigranten in das über die Auswechslung der Gefangenen gemachte Kartell. Thouvenot erklärte sie deshalb für unzulässig, weil die Emigranten Rebellen seien, denen gegenüber kein eigentliches Kriegsrecht bestehe. Dann kam man auf weiterreichende Fragen. Thouvenot bemerkte, daß die Abschaffung des Königtums von der Armee mit einem Lebehoch auf die Nation aufgenommen worden sei. Der Herzog von Braunschweig hat dem Berichte Thouvenots zufolge gesagt, man wisse in Preußen sehr gut, daß man einer freien Nation keine Gesetze für ihre innere Verfassung vorschreiben könne; das einzige, worauf man Gewicht lege, sei das Schicksal des Königs von Frankreich. Wenn man demselben unter irgendeinem Namen ein ehrenvolles und erträgliches Los bereite, so werde der König von Preußen seine Truppen zurückführen und mit Frankreich Freundschaft schließen; zwischen der einen und der andern Nation sei an sich kein Widerstreit. Es traf den Mittelpunkt der Frage, wenn Thouvenot nun die Forderung wiederholte, daß vor allem der Nationalkonvent von Preußen anerkannt werden müsse: er repräsentiere die Nation. Auf die Frage Lucchesinis,418 der indessen eingetreten war, ob man nicht mit der Armee unterhandeln könne, antwortete Thouvenot verneinend. Er machte zugleich auf die Gefahr eines Kampfes zwischen den beiden Armeen aufmerksam: würden die Preußen siegen, so würde darüber die ganze Schwungkraft der französischen Nation erwachen; sollten sie selbst nach Paris dringen, so würde die Hauptstadt außerhalb Paris zu suchen sein; welch ein Schicksal aber erwarte die Preußen, wenn sie geschlagen würden! Sollten die Armeen sich das Gleichgewicht halten, so würden die Preußen durch die vervielfältigten kleinen Gefechte, Desertionen