Rebeccas Schüler. Tira Beige

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Название Rebeccas Schüler
Автор произведения Tira Beige
Жанр Языкознание
Серия Rebeccas Schüler
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752924428



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so­wie die schlan­ke Sil­hou­et­te, die sich un­ter sei­nem en­gen Hemd ab­zeich­ne­te, ih­rem In­ter­es­se. Sei­nen An­blick in sich auf­sau­gen, ihm nah sein, sei­ne Prä­senz spü­ren. Ein­zig die­se Ge­dan­ken be­glei­te­ten Re­bec­ca, als sie den Raum durch­schritt.

      Es wur­de un­ru­hig. Die meis­ten Schü­ler hat­ten die Ein­zel­a­r­beit ab­ge­schlos­sen und war­te­ten dar­auf, die Ana­ly­se des Re­de­tex­tes vor­ge­setzt zu be­kom­men. Ali­cia ar­bei­te­te in der Re­gel als ein­zi­ge Schü­le­rin ak­tiv mit. Heu­te schoss Lous Arm in die Höhe.

      »Gut, dann fas­se bit­te den Text zu­sam­men.« Die In­halts­an­ga­be ge­lang ihm pro­blem­los.

      Für den nächs­ten Teil­schritt der Re­de­ana­ly­se nahm Re­bec­ca eine stil­le Schü­le­rin dran. Wäh­rend das Mäd­chen re­de­te, beug­te sich Lou nach links und be­trach­te­te sie auf­merk­sam. Re­bec­cas Au­gen schweif­ten zwi­schen Elou­an und ihr hin und her und eine un­ge­kann­te Ei­fer­sucht durch­flu­te­te sie.

      Lou mel­de­te sich er­neut, doch Re­bec­ca muss­te ihn igno­rie­ren, um an­de­re Schü­ler zu hö­ren. »Max?« Elou­an fun­kel­te sie böse an. Da Max kaum er­gie­bi­ge Fak­ten lie­fer­te, for­der­te Re­bec­ca: »Lou, er­gän­ze doch bit­te.« Doch sei­ne Deu­tun­gen gin­gen in eine ver­kehr­te Rich­tung.

      »Über­le­ge noch mal, ob das rich­tig sein kann.«

      Die Er­mu­ti­gun­gen zo­gen nicht und Elou­an fiel re­si­gniert in den Stuhl zu­rück. Er blieb bis zum Ende der Stun­de stumm und ver­ließ den Deut­sch­raum bei­nah be­lei­digt, wort­los.

      Zu Hau­se an­ge­kom­men, schob sich die Au­to­tür ge­nau­so wi­der­wil­lig auf, wie sich Re­bec­cas Kör­per aus dem Wa­gen be­weg­te. Die we­ni­gen Schul­ta­ge las­te­ten wie ein zent­ner­schwe­res Ge­wicht auf ih­ren Schul­tern. Da­bei woll­te sie sich mit der Aus­sicht trös­ten, dass es nur we­ni­ge Wo­chen bis zu den Os­ter­fe­ri­en wa­ren.

      Beim Ausstei­gen sah Re­bec­ca die Schnee­we­hen, die sich in der Ein­fahrt zu klei­nen Dü­nen auf­ge­tan hat­ten. In den letz­ten zwei Ta­gen hat­te es un­un­ter­bro­chen ge­schneit. Über der Ein­fahrt zum Haus hat­te sich ein dich­ter Man­tel aus wei­ßem Samt ge­legt. Re­bec­ca stapf­te durch die Schnee­de­cke, öff­ne­te die Haus­tür und zog ihre nas­sen Schu­he aus, die sie zum Trock­nen et­was ab­seits stell­te.

      Da Paul erst ge­gen sie­ben nach Hau­se kam, muss­te sie sich in der Zwi­schen­zeit um al­les al­lein küm­mern: Schnee weg­räu­men, den ste­hen ge­blie­be­nen Auf­wasch er­le­di­gen und Un­ter­richt vor­be­rei­ten. Am liebs­ten hät­te sich Re­bec­ca ins Bett ver­kro­chen, die De­cke über den Kopf ge­zo­gen und ge­schla­fen. Noch lie­ber säße sie in ge­nau die­sem Mo­ment in ei­nem Flug­zeug – ir­gend­wo­hin, bloß weit weg von der Schu­le und von Paul.

      Doch es nutz­te nichts. Um sich trüb­sin­ni­gen Ge­dan­ken hin­zu­ge­ben, blieb kei­ne Zeit. Sie ver­stau­te ihre Schul­ta­sche im Ar­beits­zim­mer, zog sich hohe Stie­fel an und trot­te­te nach drau­ßen in die Käl­te. Ihre Pelz­müt­ze hat­te sie tief ins Ge­sicht ge­scho­ben, da ein ei­si­ger Wind weh­te.

      Ein Kampf zwi­schen dem Schie­ber und dem nas­sen Schnee­matsch zeich­ne­te sich ab, doch Re­bec­ca ge­wann. Eine Schnee­we­he nach der an­de­ren ver­schwand vom Hof.

      Erst 19:15 Uhr nahm sie von ih­rem Ar­beits­zim­mer aus die Schein­wer­fer von Pauls Auto wahr. Ob­wohl sie schon längst Fei­er­abend ha­ben woll­te, saß sie im­mer noch über ih­rem Rech­ner und be­rei­te­te den Un­ter­richt in den mor­gi­gen Klas­sen vor.

      Paul brach­te eine un­an­ge­neh­me Käl­te ins Haus hin­ein. Er be­grüß­te Re­bec­ca mit ei­nem leich­ten Kuss auf die Lip­pen. »Machst du schon wie­der so lan­ge?«, frag­te er be­sorgt.

      »Hm. Hast du ge­se­hen, dass ich Schnee ge­scho­ben habe?« Er ver­ließ das Zim­mer.

      »Ja«, hör­te sie ihn bei­läu­fig mur­meln. Re­bec­ca konn­te nur müde lä­cheln. Ob er wirk­lich re­gis­triert hat­te, wie viel Ar­beit sie auf sich ge­nom­men hat­te?

      Was für ein igno­ran­ter Typ ihr Freund ge­wor­den war! Die Frus­tra­ti­on stei­ger­te sich, denn in der Vor­be­rei­tung auf die Stun­de mit ih­ren Acht­kläss­lern gab es Pro­ble­me. Re­bec­ca fand ein wich­ti­ges Ar­beits­blatt nicht, das sie für eine Ko­pie be­nö­tig­te. We­der in der Abla­ge noch im Ord­ner für die­se Klas­sen­stu­fe war es auf­zu­trei­ben. »So ein Mist«, fluch­te sie vor sich hin.

      Paul hör­te da­von nichts. Nach­dem er sei­nen Man­tel aus­ge­zo­gen hat­te, ver­schwand er ins Schlaf­zim­mer. In der Re­gel lag er dort etwa eine hal­be Stun­de, be­vor er zum Es­sen in die Kü­che zu­rück­kehr­te. »Wo zum Hen­ker …« Die Flü­che lie­ßen das Ar­beits­blatt nicht ver­ängs­tigt un­ter dem Blät­ter­sta­pel her­vor­tre­ten. Es blieb ver­schwun­den.

      Ihr blieb kei­ne an­de­re Wahl, als das Ar­beits­blatt noch ein­mal zu er­stel­len, in der Hoff­nung, es an­nä­hernd so zu kon­zi­pie­ren wie ehe­dem.

      Wäh­rend sie ge­nervt auf der Ta­s­ta­tur her­um­tipp­te, nä­her­te sich der di­cke Zei­ger der Uhr im­mer mehr der Acht. Ent­spre­chend fiel das Er­geb­nis aus.

      Wie ge­rä­dert wach­te Re­bec­ca am kom­men­den Mitt­woch­mor­gen auf. Vor al­lem ihre ei­ge­ne ach­te Klas­se be­rei­te­te ihr be­reits am Früh­stücks­tisch Kopf­zer­bre­chen, wäh­rend sie am Kaf­fee nipp­te.

      Wann trat end­lich das Wun­der ein, auf das sie schon so lan­ge Zeit war­te­te und das sie end­lich zu ei­ner re­spek­tier­ten Per­sön­lich­keit her­an­rei­fen las­sen wür­de? Heu­te zu­min­dest kam es nicht zu­stan­de.

      Es war die zwei­te Stun­de. Die ner­vi­gen Siebt­kläss­ler la­gen hin­ter Re­bec­ca. Jetzt blie­ben ihr we­ni­ge Mi­nu­ten, um den Raum zu wech­seln und in ih­rer ei­ge­nen ach­ten Klas­se zwei Stun­den Kunst zu ge­ben.

      Es hat­te be­reits zur Stun­de ge­klin­gelt, aber weil sie nicht pünkt­lich den Raum der Siebt­kläss­ler ab­schlie­ßen konn­te, war sie zu spät dran und muss­te über den Gang ren­nen, um noch pünkt­lich den Kuns­t­raum zu er­rei­chen. Eine un­an­ge­neh­me, pein­li­che Si­tua­ti­on, die sie auf dem Gang wild vor sich hin flu­chen ließ. Sie kam nie zu spät!

      Schon von Wei­tem hör­te sie eine auf­ge­brach­te Meu­te durch die Gän­ge des Kunst­flü­gels ru­fen und grö­len. »Kommt die Alte heu­te etwa nicht?«, gröl­ten sie. Wahr­schein­lich ver­ri­e­ten sie die Ab­sät­ze ih­rer Schu­he, die laut auf dem Fuß­bo­den auf­schlu­gen. Zu­min­dest wur­de es lei­ser, als sich Re­bec­ca dem Raum nä­her­te.

      Ab­ge­ar­bei­tet und er­schöpft er­reich­te sie die Schü­ler­hor­de, fand aber in der Eile ih­ren Schlüs­sel nicht, mit dem sie mein­te, so­eben den Raum der Siebt­kläss­ler ab­ge­schlos­sen zu ha­ben. Wie irr wühl­te sie in der – ihr in die­sem Mo­ment über­pro­por­ti­o­nal groß er­schei­nen­den – Ta­sche.

      Die Un­ru­he bran­de­te wie­der auf und schon schau­te Kol­le­gin Fröh­lich aus ih­rem Raum her­aus, wer die Laut­stär­ke auf dem Gang ver­ur­sach­te.

      Nach ei­ner ge­fühl­ten Ewig­keit des Su­chens be­merk­te Re­bec­ca, dass sie den Schlüs­sel gar nicht in der Schul-, son­dern in ih­rer Ho­sen­ta­sche hat­te, aus der sie ihn nun um­ständ­lich