Rebeccas Schüler. Tira Beige

Читать онлайн.
Название Rebeccas Schüler
Автор произведения Tira Beige
Жанр Языкознание
Серия Rebeccas Schüler
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752924428



Скачать книгу

sich über sie. Sei­ne Wor­te hall­ten in Re­bec­cas Kopf nach. Auf sie wirk­te er ganz nor­mal.

      Mit der Wurst­stul­le in der Hand stand Re­bec­ca am Diens­tag vor dem Ver­tre­tungs­plan des Leh­rer­zim­mers, als Hei­di, Elou­ans Tu­to­rin, den Raum be­trat. »Und, hat­test du schon Deutsch bei Lou?«

      Re­bec­ca, die ge­ra­de da­bei war, das Ge­wirr an Zet­teln am Schwa­r­zen Brett zu sor­tie­ren, er­schrak und schau­te Hei­di ins Ge­sicht. Wen mein­te die Bio­lo­gie­kol­le­gin?

      »Du un­ter­rich­test doch Deutsch in mei­nem Kurs. Hast du Elou­an schon ken­nen­ge­lernt?«

      Re­bec­ca schüt­tel­te den Kopf. »Nein, die kom­men­de Stun­de erst. Aber sag mal, Hei­di, ich habe mich ges­tern mit Ha­rald un­ter­hal­ten. Über Elou­an.«

      Hei­di lach­te auf. »Be­stimmt hat er ihn für ver­rückt er­klärt.« Re­bec­ca nick­te.

      »Du soll­test dir ein ei­ge­nes Ur­teil bil­den. Bei ei­nem Kol­le­gen ist er so, beim an­de­ren so.«

      »Wie alt ist er?«

      »Zwan­zig.« Hei­di schau­te auf die Uhr, die auch Re­bec­ca dar­an er­in­ner­te, dass der Un­ter­richt bald be­gann. »Wir re­den mal, wenn wir un­ge­stört sind, ja?«

      Re­bec­ca schul­ter­te ihre Schul­ta­sche und ver­ließ das Leh­rer­zim­mer, das in­zwi­schen zu ei­nem Stall vol­ler wild ge­wor­de­ner Hen­nen und auf­ge­bla­se­n­er Häh­ne mu­tiert war. Im Ge­gen­satz dazu herrsch­te auf dem lee­ren Gang eine an­ge­neh­me Stil­le. Nur die Ab­sät­ze ih­rer Stie­fel er­zeug­ten einen har­ten Takt, der an den Wän­den des Ge­bäu­des wi­der­hall­te.

      Am Kurs­raum an­ge­kom­men, pack­te sie das Deutsch­buch und ihre Un­ter­la­gen aus. Vor­freu­de er­füll­te sie an­ge­sichts des an­ste­hen­den Ken­nen­ler­nens mit dem ihr noch un­be­kann­ten, aber höchst in­ter­es­sant er­schei­nen­den Schü­ler.

      Wäh­rend die letz­ten Stim­men auf dem Schul­hof ver­schwan­den, be­tra­ten die ers­ten Elft­kläss­ler den Raum. Ei­ner nach dem an­de­ren ging zu sei­nem ge­wohn­ten Platz, pack­te die Schul­sa­chen aus und war­te­te auf das Klin­gel­zei­chen. Bis auf Elou­an wa­ren alle da.

      Die Elft­kläss­ler wärm­ten die Stüh­le an und starr­ten ge­lang­weilt vor sich hin oder re­de­ten mit dem Ban­knach­barn.

      »Wir be­kom­men heu­te einen neu­en Schü­ler. Hat ihn schon je­mand ge­se­hen?«, frag­te Re­bec­ca in die lust­lo­se Run­de, nach­dem der Un­ter­richt be­gon­nen hat­te. Ali­cia, ein cle­ver­es, gut aus­se­hen­des Mäd­chen be­jah­te die Fra­ge.

      »Weiß Elou­an, wo er jetzt Un­ter­richt hat?« Die Schü­le­rin zuck­te die Schul­tern.

      »Ich sehe mal nach«, sag­te Re­bec­ca und öff­ne­te be­hut­sam einen Spalt der Klas­sen­zim­mer­tür. Ihr Blick schweif­te nach drau­ßen auf den men­schen­lee­ren Gang.

      Sie trat aus dem Raum und bli­cke um sich. Aber so wie sie den Schritt hin­aus wag­te, stand un­er­war­tet ein schlan­ker jun­ger Mann vor ihr und lä­chel­te sie freund­lich an. Er war Re­bec­ca so nahe, dass sie sein männ­lich her­bes Pa­r­fum rie­chen konn­te. Er ver­ström­te eine Aura, die nicht mit Wor­ten zu er­klä­ren war. Ob er ihre Schüch­tern­heit spür­te? Re­bec­ca fühl­te die auf­stei­gen­de Wär­me in ih­rem In­ne­ren. Ihre Wan­gen muss­ten glü­hen!

      »Gu­ten Tag«, sag­te er freund­lich, aber be­stimmt. Sei­ne Stim­me war ju­gend­lich kräf­tig. Sie strahl­te Männ­lich­keit und Sanft­mut glei­cher­ma­ßen aus.

      »Ich bin Frau Pe­ters.«

      »Elou­an.«

      Wie ly­risch weich er sei­nen un­ge­wöhn­li­chen Na­men aus­sprach.

      »Nen­nen Sie mich doch bit­te Lou.« Da­bei schüt­tel­te er ihre Hand. Der Griff war fest, aber nicht so ker­nig wie bei al­ten Män­nern.

      Da war die­ses voll­kom­me­ne Ge­sicht, in das Re­bec­ca ein­tauch­te.

      Der Mo­ment dehn­te sich. Der Hän­de­druck war eine Se­kun­de zu lang, ge­nau wie der Blick­kon­takt. Sei­ne blau­en Au­gen schie­nen ihre brau­nen zu durch­boh­ren und für sich ein­neh­men zu wol­len. Den Kampf hat­te sie schon jetzt ver­lo­ren.

      Mit ei­nem Male fie­len Re­bec­ca die Schü­ler im Zim­mer ein, die auf die Fort­s­et­zung der Un­ter­richts­stun­de war­te­ten. »Komm rein. Such’ dir einen Platz aus«, sag­te sie mit ge­senk­tem, hoch­ro­tem Kopf. Die Wär­me sei­ner Be­rüh­rung durch­flu­te­te sie noch im­mer.

      Elou­an pack­te sei­ne Un­ter­richt­s­u­ten­si­li­en aus und sah sich nach den Mit­schü­lern um. Einen in­ten­si­ver­en Blick wid­me­te er der hübsch an­zu­se­hen­den Ali­cia, die er freund­lich an­lä­chel­te. Dann be­gann für Re­bec­ca die ers­te Un­ter­richts­stun­de mit ih­rem neu­en Schü­ler.

      Ka­pi­tel 2

      Elou­an zog es vor, al­lein zu sit­zen. Ab­seits von ihm: die üb­ri­gen Elft­kläss­ler. Der er­wach­sen wir­ken­de, mys­te­riöse neue Schü­ler be­frem­de­te sie. Freun­de schien der Neu­an­kömm­ling in der Run­de des lust­lo­sen Deutsch­kur­ses nicht zu fin­den. Neu­er­dings be­trat er zu­sam­men mit Ali­cia den Raum, setz­te sich je­doch nicht ne­ben sie. Re­bec­ca in­ter­es­sier­te, wor­über sie sich aus­tausch­ten, konn­te je­doch nie Wort­fet­zen auf­fan­gen.

      Wäh­rend die Ju­gend­li­chen ar­bei­te­ten, schau­te sie sich im Kurs um und sah, wie Lou zu sei­ner Mit­schü­le­rin schau­te. Der Grund­kurs be­stand fast aus­schließ­lich aus Jun­gen. Nur vier Mäd­chen sa­ßen Re­bec­ca ge­gen­über. Da­von zog die leis­tungs­star­ke, hübsch an­zu­se­hen­de Ali­cia die größ­te Auf­merk­sam­keit von Elou­an auf sich.

      In Ein­zel­a­r­beits­pha­sen nutz­te Re­bec­ca die Ge­le­gen­heit, sich Lou aus der Nähe an­zu­se­hen. Mit sei­nen zwan­zig Jah­ren stach er aus der Mas­se der Ju­gend­li­chen deut­lich her­vor: Sein mar­kan­tes Kinn mit den ro­bus­ten schwa­r­zen Bart­stop­peln ließ sein Ge­sicht ab­ge­klär­ter und rei­fer wir­ken als das der an­de­ren Jungs. Mal kam er frisch ra­siert in die Schu­le, mal trug er einen ge­pfleg­ten Drei­ta­ge­bart.

      Sei­ne blau­en Au­gen lug­ten des Öf­te­ren von dem Deutsch­buch auf und schau­ten sich im Klas­sen­raum um. Un­ver­mit­telt tra­fen sie auf die von Re­bec­ca. »Frau Pe­ters, könn­ten Sie bit­te zu mir kom­men, ich habe eine Fra­ge«, sag­te er über­trie­ben höf­lich.

      »Si­cher, was gibt es denn?«

      Das ak­tu­el­le The­ma hob die meis­ten Ju­gend­li­chen nicht son­der­lich an, aber Lou schien dar­an Ge­fal­len zu fin­den, Re­den aus­ein­an­der­zu­neh­men.

      In­zwi­schen stand Re­bec­ca an sei­nem Platz, beug­te sich über sei­ne Schul­ter, um zu schau­en, was er ihr zei­gen woll­te. »Ich kom­me an die­ser Stel­le hier nicht wei­ter. Weiz­sä­cker sagt, nach dem Zwei­ten Welt­krieg …«

      Ihre Au­gen wan­der­ten zu sei­nen dunk­len, kur­z­en Haa­ren, hin­ab zu dem blau­en, eng an­lie­gen­den Jeans­hemd und von dort nach oben zu sei­nem Ge­sicht. Ihr fie­len sei­ne ta­del­los ge­ra­de Nase so­wie sei­ne leicht ge­schwun­ge­nen Lip­pen auf. Ihr Ver­stand wur­de zu­sätz­lich durch das mas­ku­li­ne Pa­r­fum ge­trübt, das