Wie isses nur tödlich. Günther Seiler

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Название Wie isses nur tödlich
Автор произведения Günther Seiler
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783745046359



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Häkelbüddelverein aus Wilhelmshaven und wir wollen noch bis Tannenhausen. Dort steht unser Auto. Wir wollen uns aber hier bei Ihnen aufwärmen. Wir sind alles Arbeitskollegen von der Zulassungsbehörde aus Wilhelmshaven. Können wir bei Ihnen eine heiße Zitrone haben?“ Der Wirt witterte seine Chance und meinte in einer abstoßenden Art, die er wohl für verführerisch bei Damen aus der Zulassungsstelle hielt: „Na klar, ich setze gleich Wasser auf, wenn mir die Damen folgen wollen.“ Dabei grinste der Wirt Rindelt widerlich und die Damen mussten sich zusammen nehmen, als sie seine ungepflegten, gelben Zähne sahen.

      Sie stellten ihre Stöcke an die Hauswand des Lokals ab und gingen in den Gastraum. Es waren keine Gäste anwesend, der Raum war leer und sehr warm. Der Kamin bollerte ordentlich und das Holz knackte. Die Funken stoben auf, als einige glühende Scheite in sich zusammenfielen. Der Wirt ging um seinen Tresen und versuchte, einen Wanderprospekt unter einen Stapel von Tageszeitungen verschwinden zu lassen. Frauke bemerkte es von den Damen als einzige und blickte unauffällig und interessiert durch den Raum. Rindelt rief in die Küche seiner Frau zu, sie solle gleich das heiße Wasser mitbringen. Rindelt hatte schon die Tassen für die vier Damen auf den Tresen gestellt und war damit beschäftigt, die frischen Zitronen auszupressen. Rindelt drehte sich um und wischte sich die Hände in dem Handtuch ab: „Meta!“ Er rief lauter als sich in der Küche oder in den Räumlichkeiten dahinter nichts rührte: „Meta, bring bitte das Wasser vom Herd mit!“ Er lauschte, aber es rührte sich nichts. Daher drehte sich der Wirt um und ging in die Küche.

      Auf diesen Augenblick hatte Frauke gewartet. Während sich die anderen weiter unterhielten, beugte sie sich über den Tresen, nahm den Stapel Zeitungen hoch und sah den Prospekt. Sie blätterte ihn auf und entdeckte ein dickes Kreuz, das auf der freien Fläche im Hoddelker Moor in der Nähe der kleinen Ortschaft Tannenhausen eingezeichnet war. Daneben stand: Nach drei Tagen, hier Pinkkoffer. Frauke legte schnell den Prospekt unter die Zeitungen zurück, drehte sich harmlos unterhaltend zu den Damen um und sagte laut: „War das eben auf der Landstraße nach Rechtsupweg nicht lustig? Ich habe vor zwei Tagen an den Händler Meierjohann aus Tannenhausen ein rotes Kennzeichen ausgegeben, das mit der Nummer 33 endete. Genau dieses Kennzeichen habe ich dort gesehen. Ist doch ein komischer Zufall, oder?“ Bruni sah sie besorgt an. Hatte sie sich durch den Marsch vielleicht zu sehr körperlich angestrengt?

      Der Wirt goss das heiße Wasser ein und stellte die dampfenden Becher auf den Tresen: „So, die netten Damen, erst einmal etwas Warmes von dem netten Onkel Buhrfeind für den langen Marsch zum Aufwärmen.“ Frauke nahm ihren Becher und sagte: „Ich nehme meine Zitrone mit, ich gehe vor die Tür eine rauchen, kommt jemand mit?“ Der Wirt meinte: „Ihr könnt hier ruhig rauchen, ich halte es nicht so genau mit dem Rauchverbot.“ Heidelinde sagte: „Wir sind von der Po...“ Weiter kam sie nicht. Die Polizeipräsidentin stieß ihr heftig gegen das Bein. Heidelinde begriff schnell und sagte, als der Wirt sie groß anblickte: „Wir sind von der populären Zulassungsabteilung für Oldtimerzulassungen mit dem sogenannten H-Kennzeichen. Das H steht für Historie. Bisher wurden diese alten Autos immer nur in Oldenburg zugelassen und jetzt seit Neuestem auch bei uns in Wilhelmshaven. Wir sind für ganz Ostfriesland zuständig.“ Heidelinde strahlte, als hätte sie die Kennzeichen selber geprägt. In Wirklichkeit freute sie sich, dass sie geschickt die Kurve bekommen hatte. Die Anderen sahen sie an und nickten zustimmend. Heidelinde sagte zu Frauke: „Ich komme mit vor die Tür, ich habe auch Appetit auf eine Zigarette. Mit tun richtig die Füße weh.“ Der Wirt lachte.

      Auch Heidelinde nahm ihren Becher und fasste ihn am Henkel an, der Becher war noch sehr heiß. Sie schlossen die Gasthoftür, Frauke suchte nach ihrer Zigarettenschachtel und bot Heidelinde eine Zigarette an. Als sie Heidelinde das Feuerzeug gab, nachdem sie ihre Zigarette angezündet hatte, sah sich Frauke vorsichtig um und flüsterte: „Der Wirt steckt mit in der Entführung drin. Im Prospekt ist eine Markierung im Hoddelker Moor eingezeichnet, mit der Bemerkung: In den nächsten drei Tagen, hier Pinkkoffer.“ Heidelinde sah sie erschrocken an: „Deshalb deine Bemerkung von dem Händler Meierjohann aus Tannenhausen.“ Frauke nickte und flüsterte noch leiser: „Was meinst du, sollen wir gleich zugreifen oder noch abwarten?“ Heidelinde als ausgebildete gute Polizeibeamtin vom Sondereinsatzkommando meinte überlegend: „Wir müssen abwägen. Wenn wir zuwarten und das Geld nicht kommt und die zweite Frist nur eine Tarnung ist, bringen sie den Richter gleich um. Was machen wir, wenn der Richter zum Beispiel hier im Stall ist und wir jetzt abrücken, die Wirtsleute trotz unserer Tarnung Verdacht schöpfen und ihn in ein anderes Versteck schleppen? Dann sehen wir alt aus! Andererseits, wenn wir den Wirt mitnehmen und der Richter nicht hier ist, haben wir mit Zitronen gehandelt. Ich könnte sagen, entscheide du, du bist im Rang höher als ich und ich muss deinen Befehl ausführen. Wir sind aber auch Freundinnen und haben ein so gutes Verhältnis in der gesamten Truppe! Deswegen sage ich, Zugriff!“ Frauke nickte und sagte: „Du bist körperlich trainierter als ich. Schnappen wir ihn! Ach, ich hätte gerne eine Kamera im Raum, um festzuhalten, wie die anderen von unserer plötzlichen Aktion überrascht sein werden!“

      Heidelinde drückte ihre Zigarette aus, Frauke warf ihre Zigarette brennend in den großen Sandeimer vor dem Eingang. Sie hielten vor der Tür kurz inne, konzentrierten sich und gingen dann laut scherzend und lachend mit ihren Bechern in den Gasthof zurück. Der Wirt hinter der Theke beobachtete aufmerksam die beiden eintretenden Damen, dann stellte er das polierte Bierglas in das obere Regal und sah kurz nach oben. Frauke warf ihren Becher mit einem gezielten Wurf klirrend an die Wand hinter dem Wirt und die anderen Kolleginnen sagten nahezu synchron: „Frauke, bist du übergeschnappt?“ In diesem Augenblick hechtete Heidelinde mit einem gekonnten Satz über den Tresen und riss im Fallen den Wirt krachend zu Boden.

      Der Polizeipräsidentin stockte erst der Atem, aber dann ahnte sie blitzartig, dass die Teammitglieder mehr als sie wussten, was sie ihr hier nicht so schnell mitteilen konnten. Frauke lief flink wie ein Wiesel um den Tresen herum und knallte die Tür zur Küche mit einem Schwung so auf, dass diese krachend zersplitterte. Meta Buhrfeind stand am Herd und kochte eine Zwiebelsuppe - so roch es zumindest - und sah sich erschrocken um. Frauke sprang mit einem Satz auf sie zu, drehte Meta um die eigene Achse. Meta hatte noch den Griff von dem Topf in der Hand und Frauke rechnete blitzschnell damit, dass Meta den heißen Topf gegen sie als Schlagwerkzeug erheben würde. Sie schleuderte Meta ganz herum, drückte sie auf den Küchenboden und legte ihr Handschellen an. Der Topf mit der dampfenden Suppe ergoss sich auf den Fliesenboden.

      Inzwischen waren die anderen beiden Damen ebenfalls um den Tresen in die Küche gekommen und Bruni fragte atemlos: „Was ist denn los?“ Frauke schnaufte vor Anstrengung: „Die gehören zu den Entführern oder sind es selber. Als ich am Tresen saß, sah ich, wie der Wirt Buhrfeind versuchte, einen Prospekt schnell unter dem Zeitungsstapel verschwinden zu lassen. Als er in die Küche ging, um den Kessel mit dem heißen Wasser zu holen, beugte ich mich über den Tresen und sah mir den Prospekt an, warte, ich hole ihn.“ Frauke nahm ein Taschentuch und suchte aus dem Zeitungsstapel den Prospekt heraus. Sie fasste diesen jetzt mit dem Taschentuch an und schlug ihn auf. Bruni las: „Hoddelker Moor, hier ist ein Kreuz. In drei Tagen, Pinkkoffer. Oh je“, entfuhr es ihr. Sie ging in die Hocke und beugte sich zu dem Wirt hinunter: „Herr Buhrfeind, wir sind von der Polizei. Wo ist der Richter Akke Döhring-Feyke, der nach dem Boßeln zum Essen letzte Nacht hier war?“ Rindelt Buhrfeind meinte nur weinerlich „Ihr seid doch von der Zulassungsstelle aus Wilhelmshaven! Polizei? Ich weiß von nichts, ich bin nur ein armer Wirt.“

      Die Damen waren noch immer in ihrem Sportlerdress, als sie im Zimmer der Polizeipräsidentin saßen. Die Räumlichkeiten der Gaststätte waren von den Beamtinnen schnell, aber ohne Erfolg, nach dem Richter durchsucht worden, während das Wirtsehepaar von einem zivilen Streifenwagen abgeholt worden war, ohne Aufsehen zu erregen. Sie hatten nun das Für und Wider des schnellen Zugriffes diskutiert und die Polizeipräsidentin hatte das eigenständige Handeln ihrer Beamtinnen gebilligt. Es war ihre Devise, dass ihre Mitarbeiter den Kopf gebrauchen und eigene Entscheidungen treffen sollten, falls die Situation ein schnelles Handeln ohne große Absprachen erforderlich machen sollte.

      Leider war der spektakuläre und filmreife Sprung von Heidelinde über den Tresen und die Festnahme der Wirtsleute nicht von Erfolg gekrönt. Der Richter blieb verschwunden und die Frage war, inwieweit die Entführer gewarnt worden waren. Frau Bruns-Werheim meinte nur beruhigend: „Abwarten, Kinder,