Wie isses nur tödlich. Günther Seiler

Читать онлайн.
Название Wie isses nur tödlich
Автор произведения Günther Seiler
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783745046359



Скачать книгу

Sie alle vier waren von dem Bericht des Polizeibeamten Büchel geschockt. Er hatte gerade das Büro verlassen und Frau Bruns-Werheim, hier in der Behörde nur liebevoll Bruni genannt, hatte dem Beamten für zwei Tage frei gegeben. Frau Döhring-Feyke war noch am Vormittag in das Krankenhaus nach Oldenburg mit dem Hubschrauber geflogen worden, es war ihr nach dem Verlesen des Briefes immer schlechter gegangen.

      In dem Lokal ‚Windschiefe Kate‘ waren schon seit Stunden die Kollegen der Spurensicherung an der Arbeit. Die Wirtsleute Buhrfeind wurden von der Einsatzgruppe der Kripo verhört, aber bisher waren keine brauchbaren Ergebnisse zustande gekommen. Ein Hubschrauber der Polizei der Einsatzstaffel aus Oldenburg überflog schon die ganze Zeit das gesamte Gebiet und suchte auch mit der Wärmebildkamera die Moore ab. Der Hubschrauber landete nur zum Auftanken auf dem Bundeswehrflugplatz in Wittmund. Ab Mittag lösten zwei Hubschrauber aus Hannover und Bremen die Kollegen aus Oldenburg ab.

      Der rabiate jugendliche Martin Mewes wurde zuhause aus seinem alkoholbedingten Tiefrausch von seiner Mutter wachgerüttelt, damit Kripobeamten ihn befragten konnten. Sie hatten ein selten dämliches Gesicht am frühen Morgen gesehen. Seine Mutter bestätigte, dass ein Taxi den Martin nach Hause gebracht hatte, die genaue Uhrzeit könnte sie nicht sagen, es müsste so gegen drei Uhr gewesen sein.

      Danach fuhren die Beamten zum Jugendwart Uffe Helms, zu Fokken Albers und Heddine Altendorf. Die Protokolle wurden aufgenommen und im Schreibzimmer angefertigt. Greifbare Erkenntnisse gab es bisher immer noch nicht.

      Die Polizeipräsidentin Hinrika Bruns-Werheim stand jetzt nach einer kleinen Bürowanderung mit verschränkten Armen am Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Sie durfte hier in ihrem Zimmer rauchen. Sie sah den blauen Rauchkringeln nach und sagte ruhig: „Die ersten vierundzwanzig Stunden nach einer Entführung sind die wichtigsten. Danach wird es immer schwerer. Die Entführer spielen auf Zeit und wollen die Nerven der Beteiligten aufreiben.“ Sie hatte die Ermittlungen in diesem Fall ihrer sehr bewährten und äußerst fähigen Beamtin Elseke Oltmanns anvertraut, die sofort ein kleines Team mit den Damen Frauke Nissen und Heidelinde Gambrino-Spezzano gebildet hatte. Frau Nissen kam aus Borkum, ihre Eltern hatten dort ein Hotel mit einem angegliederten Restaurant. Heidelinde stammte von italienischen Eltern aus Sizilien ab, die sich auf Borkum im Restaurant der Eltern von Frauke Nissen kennengelernt hatten. Wie das Leben so spielte. Inzwischen waren die Eltern nach Sizilien zurückgezogen, während Heidelinde hier geblieben war. Ihre Eltern hatten sich damals versprochen, ihrem Kind einen deutschen Vornamen zu geben. Aber ein echter ostfriesischer Vornamen sollte es doch nicht sein, den würde in ihrer Heimat keiner richtig aussprechen können. Heidelinde war von dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden und bei der englischen Polizei in London zur Profilerin ausgebildet worden und hatte zusätzlich eine Ausbildung für das Sondereinsatzkommando bei der Bundespolizei absolviert.

      Elseke Oltmanns war Trägerin eines Schwarzgurtes für Selbstverteidigung, während Frauke Nissen im Turnen in der Schule schlecht gewesen war. Auch heute noch war sie eine bekennende Nichtsportlerin, wie sie immer betonte. Sie hatte aber einen Vorteil. Gescheit waren sie alle hier im Raum, aber Frauke war blitzgescheit, furchtlos und hatte einen scharfen, analytischen Verstand.

      Bruni drückte ihre Zigarette aus, klatschte in die Hände und sagte: „So, Kinder, jetzt mal Butter bei die Fische, wie soll die Sonderkommission heißen und wie verteilen wir die Arbeit?“ Heidelinde sah ihre direkte Vorgesetzte Elseke Oltmanns an und als diese mit der Schulter zuckte, sagte Heidelinde: „Soko Fisch.“ Bruni blickte sie ungläubig an: „Soko Fisch? Warum Fisch? Weil wir hier in Ostfriesland sind?“ Heidelinde lachte und meinte: „Nein, bei meinen Eltern in Sizilien bekommt einer von der Mafia einen Fisch an die Tür als eine Art Warnung genagelt. Aus dem Grunde schlage ich den Namen vor. Er ist kurz, prägnant und alle denken, wie du Bruni, es hat mit Ostfriesland zu tun.“ Die Polizeipräsidentin meinte: „Nicht schlecht, wenn du zustimmst, Elseke, können wird den Namen nehmen.“ Elseke sagte: „Klar, nehmen wir. Wie heißt es so schön, der Fisch stinkt am Kopf zuerst.“

      Frauke war blass und machte ein nachdenkliches Gesicht: „Leute, der ganze Schmus in dem Erpresserbrief ist abgekupfert, um allen Angst zu machen. Wir sollen glauben, hier würde eine Art internationale Mafia dahinterstecken, damit alles schnell nach deren Plan geht. Warum soll sich ausgerechnet eine Erpresserbande, die angeblich als Auftragshelfer arbeitet, hier bei uns in Ostfriesland einen Richter schnappen? In dem Brief werden deutliche Anschuldigungen zu Korruptionsvorwürfen sowohl bei der Frau als auch bei dem Mann erhoben. Wir sollten Ermittlungsteams bilden, die sich nur mit den einzelnen Punkten beschäftigen. Die Banken müssen befragt werden, die Krankenhausleitung und wir sollten uns die Krankenakten der letzten Zeit zu den Einweisungen durch den Richter an die Klinik seiner Frau vornehmen. Es könnte ja auch sein, dass sich da ein ehemaliger Insasse oder ein Angehöriger rächen will. Der Martin Mewes hatte es ja bereits in seinem betrunkenen Kopf im Saal für alle hörbar herausgebrüllt. Auch wenn der Martin vielleicht sauber ist, zumindest ist das von ihm in der Wut Ausgerufene ein Thema bei den Jugendlichen, eventuell auch bei anderen Boßelern. Es könnte ja auch sein, dass einer von den Sportskameraden den Richter nicht leiden kann und er eine Steilvorlage von Martin für die Tat bekam.“ Heidelinde sah sie an und meinte: „Ich habe schon an einigen Entführungen teilgenommen.“ Die anderen lachten laut auf und da musste Heidelinde über sich selber lachen: „Nein, auf der Seite der Guten natürlich. Mir erschien der Brief auch etwas zu dick aufgetragen. Die teilen selber mit, sie freuen sich, wenn Polizei oder Privatdetektive eingeschaltet werden, die allerdings unter ihrer Augenhöhe angesiedelt sind. Und die dann irgendwann angeschwemmt, sprich also umgebracht, werden würden. Das Ganze zeugt von einer überheblichen Arroganz und soll, wie bereits gesagt, nur zur Abschreckung dienen. Schnell das Geld in den rosa angesprühten Koffer packen, bei einer Fristüberschreitung wird der Preis gleich mehr als verdoppelt und falls die Übergabe wieder nicht klappen sollte, wird die Falle ganz geschlossen. Die geben ihren Auftrag als nicht erledigt zurück und der Richter wird im Himmel richten.“ Frauke sagte: „Oder in der Hölle.“ Die Damen sahen sie verständnislos an. Frauke fuhr fort: „Ich werde meinen Freund, den Gustav, in meinem Büro aufsuchen. Das, was ich eben sagte, ist aber nur eine Theorie von vielen. Es muss aber einer von den Boßeler Freunden sein, denn wie sonst hätte man in dem Brief von diesen detaillierten Aussagen des betrunkenen Martin gewusst?“ Sie lachten, da sie wussten, dass sie ihren Computer Gustav nannte. Denn Frauke lebte aus Prinzip alleine in ihrer schicken Wohnung hier in Aurich. Elseke rief ihr nach: „Frauke, wie findest du es als bekennende Nichtsportlerin, wenn wir uns heute Nachmittag dort treffen, wo die Boßelfreunde losgegangen sind? Und den Weg als Nordic Walking Gruppe auf dem Fahrradweg ablaufen?“ Frauke drehte sich in der Türfüllung um und meinte: „In Ordnung, wenn du den Bollerwagen ziehst und ich darin sitzen darf?“ Bruni lachte auf und meinte: „Das ist eine gute Idee, ich komme mit und bringe ein paar Thermosflaschen voll mit heißem, schwarzem Tee mit.“ Elseke meinte: „Gut, aber mit Honig! Und dann wollen wir mal sehen, was der Wirt in Rechtsupweg für Augen macht. Wir werden uns aber nicht als Polizeibeamtinnen zu erkennen geben. Ach ja, zu der Theorie, dass es ein oder mehrere Mitglieder der Boßeltruppe waren. In dem ominösen Brief wird mehrfach von Kameras, besser Internetkameras gesprochen. So könnte es auch gut sein, dass in dem Lokal Kameras mit Mikrofonen installiert waren , die alles unsichtbar aufzeichneten. Bei Internetkameras wird es schon schwieriger werden, da die am anderen Ende auch gut und gerne in Neuseeland sitzen könnten.“ Bruni sah sie an: „Wieso Neuseeland? Nur weil du da einmal gerne hin möchtest? Als Dienstreise nicht schlecht, ich komme mit. Ich merke, wir sind schon mitten im Ermittlungsstrudel.“

      Sie hatten nur noch wenige Meter zu gehen. Frauke war mit ihren Nordic Stöcken des Öfteren stehen geblieben, weil sie teilweise den Takt falsch angesetzt hatte. Und einmal war sie sogar über den rechten Stock gestolpert. Sie hatte aber alles gelassen und mit Humor genommen.

      Als sie auf das Gelände des Gasthofes ‚Windschiefe Kate‘ einbogen, sahen sie den Wirt Rindelt Buhrfeind mit seiner Frau auf dem Platz in eine intensive Diskussion vertieft stehen. Als sie die kleine Gruppe bemerkten, hörten sie sofort zu sprechen auf und sein vorher böses Gesicht hellte sich quasi wie auf Knopfdruck auf. Er lächelte so unnatürlich, dass sogar seine Frau ihn böse von der Seite anschaute und in einem Nebengebäude verschwand. Die Damen lachten und freuten sich, eben wie eine Sportlergruppe, die Etappe geschafft zu haben.

      Der