Wie isses nur tödlich. Günther Seiler

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Название Wie isses nur tödlich
Автор произведения Günther Seiler
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783745046359



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Wasser.“

      Der Jugendwart Uffe Helms hatte sich für seine jugendliche Truppe einen Schlachtplan zurechtgelegt. Im letzten Jahr waren die Jugendlichen durch sehr viele Fehlwürfe Letzter geworden und die Mannschaft hatte sehr oft Pausen einlegen müssen, um das Holz im Graben zu suchen. Das hatte natürlich einiges an Gelächter und Gespött bei den anderen Mannschaften ausgelöst und auch später, bei den monatlichen Vereinssitzungen, hatten sie immer wieder diesbezüglich Seitenhiebe von den Vereinskameraden abbekommen. Bei einer Sitzung war es aber dem zweiten Vorsitzenden zu viel geworden und Fokken Albers hatte ziemlich erbost das Wort ergriffen und an die älteren Mitglieder deutliche Worte der Mäßigung gerichtet.

      Heute wollte es Uffe mit seinen jungen Leuten allen zeigen. Sie hatten auf einer einsamen Straße in der Nähe des Bauernhofes seiner Eltern viel geübt. Sein Vater stand ihnen als „Trainer“ zur Verfügung. Er war früher einmal sehr gut im Klootschießen auf dem Feld gewesen und im Boßeln auf der Straße war er sogar mehrfach in Ostfriesland Herbstmeister geworden. Jetzt aber war sein Rücken von der harten Landarbeit stark lädiert. Er war zwar noch Mitglied im Boßelverein von Upgant-Schott und Marienhafe, jedoch konnte er selber nicht mehr boßeln. Zum Grünkohlessen fuhr er mit seiner Frau mit dem Auto, denn Alkohol konnte er in seinem Alter auch nicht mehr vertragen. Einmal hatte ein Vereinskollege mitfühlend gesagt: „Thees, du bist aber ein richtiger armer Hund geworden.“ So sind sie, die Ostfriesen, mitfühlend und herzlich!

      Sie hatten sich hier etwas außerhalb der Stadt Norden hinter dem Ortsteil Süder-Neuland an dem sogenannten Wurzeldeich auf dem großen Parkplatz zusammengefunden. Von hier aus sollte es auf der Kreisstraße bis nach Wirdum gehen und dann in einem Linkschwung auf der bekannten Störtebeker Straße über Buschhaus nach Upgant-Schott. Bei Tjüche würde die Bundesstraße 72 überquert werden und über den Ortsteil Oster-Upgant ginge es dann zum Ziel nach Rechtsupweg.

      Die Schriftführerin Heddine Altendorf stand auf einer umgedrehten leeren Bierkiste, deren Inhalt in dem Bollerwagen verstaut worden war und klatschte in die Hände. Sie hatte von der Kälte schon ein rote Nase und musste sich häufig schnäuzen: „So, Kinnings, jetzt alle mal hergehört. Die Sicherungsleute haben schon ihre roten Leuchtwesten an und sind eingewiesen worden, um die einzelnen Mannschaften abzusichern. Die Polizei ist auch mit zwei Streifenwagen hier. Und, wie ich sehe, stehen die Mannschaften bereit und sind schon ganz hippelig, können es gar nicht erwarten, dass es endlich losgeht. Bitte denkt daran, das kann man euch nicht oft genug sagen, trinkt während der Veranstaltung euren Alkohol mäßig! Achtet immer darauf, dass ihr trotz der Sicherungsleute nicht unter ein Auto kommt! Seid fair zueinander und sportlich! Möge die bessere Mannschaft gewinnen und nun „Gut Holz!“

      Das aufgeregte Gemurmel wurde lauter, man suchte seine Utensilien zusammen, es wurde gelacht und gescherzt und die Mannschaften stellten sich auf. Einige stampften mit einem dicken Schal um den Hals gemummelt von einem Fuß auf den nächsten, um die Füße warm zu halten. Man sah auch, wie heißer Grog aus Thermosflaschen in die Schraubkappe als Trinkgefäß gegossen wurde. Hier kam nun der gute und echte Rumgrog aus Jamaika zum Einsatz. Auch dampfender, heißer Tee wurde gereicht. Der sichtbare Atem vermischte sich mit den dampfenden Getränken. Die Menschen waren aufgeregt und man konnte es ihnen anmerken, dass sie sich schon seit Monaten auf diesen Augenblick, an dem es endlich losgehen sollte, freuten.

      Der erste Streifenwagen setzte sich mit Blaulicht als Sicherungsfahrzeug an die Spitze der Sportveranstaltung, denn das war das Boßeln hier, ein ernstzunehmender Sport. Geboßelt wurde nicht nur in Ostfriesland, sondern ebenfalls in Nordfriesland. Und sogar in Irland und in einigen Kantonen der Schweiz gab es diesen schönen Sport an der frischen Luft.

      Mit einem Mal wurde es ruhiger und konzentrierter. Die erste Mannschaft stellte sich auf, die Schiedsrichter waren in Position. Es konnte losgehen.

      Nach einigen Kilometern mit vielen Suchstopps zum Holz war Wirdum erreicht, wo auf einem Parkplatz eine Pause eingelegt wurde, die allerdings nicht zu lange sein durfte, damit die Sportler nicht allzu sehr auskühlten. Uffe Helms Wangen leuchteten vor Aufregung und er dampfte beim Atmen wie eine schwer arbeitende Moorlokomotive, die die langen Torfloren zog. Uffe war glücklich, sie lagen nach Punkten weit vorne und er hatte seine Truppe auf dem Parkplatz in Wirdum außerhalb der Hörweite der anderen Spieler zusammengeholt und sprach eindringlich auf die Mannschaft ein. Sie standen in bester Eishockeymanier im Kreis eingehakt nach vorne gebeugt und schrien einen selbst kreierten Schlachtruf. „Zieht euch warm an“, grölten sie über den Parkplatz und man konnte sie bis in den Ort Wirdum hören. Die anderen Teilnehmer der Mannschaften unterbrachen einen Augenblick verdutzt ihre Gespräche. Die kalten Körner wurden schnell als Zielwasser getrunken und die Gläser wieder in die Geschirrhandtücher stoßfest eingewickelt und im Bollerwagen verpackt. Nun rief Akke laut und vernehmlich: „Es geht weiter, ich habe Hunger auf Grünkohl.“

      Die Sicherungsleute und die Polizei hatte nicht viel zutun, es war relativ wenig Autoverkehr auf der Straße. An den Straßenrändern standen vereinzelt die Anwohner aus den Ortschaften und viele hatten Kornflaschen und Gläser dabei. Sie versorgten die Boßeler und auch sich selber, denn schließlich benötigen auch die Zuschauer Zielwasser, damit sie die Boßelkugeln auf der Straße gut und fachmännisch verfolgen konnten. Die örtliche Presse war ebenfalls anwesend und interviewte in den Wettkampfpausen die Teilnehmer und schoss Fotos von den aktiven Werfern.

      Oster-Upgant lag schon lange hinter ihnen und sie näherten sich ihrem Ziel. Die Ortschaft Rechtsupweg kam in Sichtweite und sie hatten nur noch wenige hundert Meter im Wettkampf zu absolvieren. Dann war die Zielmarke erreicht und die Schiedsrichter notierten sich die letzten Ergebnisse, während die anderen Mannschaften, die den Wettkampf hinter sich gebracht hatten, nach links in den Gasthof ‚Windschiefe Kate‘ in den Weg ,Hinter dem Moor‘, abbogen. Sie stellten ihre Bollerwagen vor dem Gasthof ab und betraten lärmend und scherzend den Saal. Dort war alles festlich gedeckt und jeder Gast wurde von dem Wirtsehepaar Buhrfeind mit einem Glas Sekt zur Feier des Tages begrüßt. Im Saal spielte eine Kapelle aus Leer. Sie suchten sich ihre Tischkarte, um Platz zu nehmen. Als alle anwesend waren, stand die Schriftführerin Heddine Altendorf auf und man sah ihr die Kälte an ihren rot-blau gefrorenen Wangen richtig an. Sie schnippte mit ihrem rechten Zeigefinger an ihr leeres Bierglas und sagte vergnügt: „Liebe Boßel- und Klootschießerfreunde unseres Vereines von Upgant-Schott und Marienhafe. Wir haben es geschafft. Zuerst danke ich im Namen des Vorstandes der Polizei von der Polizeiinspektion Norden und unseren Sicherungsleuten. Sie haben dafür gesorgt, dass wir und das ist das Wichtigste überhaupt, alles unfallfrei über die Bühne gebracht haben. Wir danken auch unseren Schiedsrichtern und den Helfern mit einem kräftigen Applaus.

      Die Wertungen der einzelnen Mannschaften stehen aus und unsere fleißigen Schiedsrichter rechnen bereits. Ich hoffe, ihr hattet Spaß.

      Die Geldauszahlung für das Kästchensparen erfolgt im Anschluss an das Essen. Bitte wendet euch an unsere Kassenwartin Heidi, der wir auch einen großen Dank für ihre bewerte Tätigkeiten aussprechen. Ich wünsche euch einen kräftigen Appetit. Und, last, but not least, möchten wir uns auch den Wirtsleuten Buhrfeind hier in Rechtsupweg für die nette Bewirtung bedanken.“ Es wurde geklatscht und auf den Tisch nach alter Studentensitte geklopft.

      Die Bedienungen des Lokales trugen den dampfenden Grünkohl auf und ein Boßelbruder klopfte an sein Weinglas: „Bevor wir den guten Grünkohl essen möchte ich im Namen aller Freunde dieses wunderbaren Sportes dem Vorstand für die Ausarbeitung des Wettkampfes und für die viele Arbeit im Verein herzlich danken.“ Im Klatschen rief ein sichtlich angetrunkener Boßelbruder: „Jetzt reicht es mit den Ansprachen, wir sind hier nicht im Parlament in Berlin! Wir haben Hunger und Durst!“ Es erfolgte ein Gelächter und die Stimmen der Unterhaltungen nahmen Fahrt auf.

      Gegen Mitternacht sah Akke seine Vorstandskollegen besorgt an, denn aus der Jugendgruppe waren einige Mitglieder ziemlich angetrunken. Sie hatten vom Alkohol rote Köpfe und die Asche hing an ihren Zigaretten, obwohl einige von ihnen bestimmt von Gesetzes wegen noch nicht rauchen durften. Auch hielten sie sich nicht an das Rauchverbot im Lokal, was die Wirtsleute bei Gesellschaften schon kannten. Sie hatten mehrfach, leider vergebens, gebeten, zum Rauchen vor die Tür zu gehen.

      Als mehrere Jugendliche einen sehr angetrunkenen Jugendlichen unter Johlen