Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034684



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gehörten Tjerulf und seine Freunde zu den wenigen, die sich in solchen Dingen auskannten.

      „Was war das?“, waren die ersten Worte, die Meneas fand.

      Allmählich begann er, seine Fassung wieder zurückzuerlangen, die das Geschehen arg beansprucht hatte. Aber immerhin hatte er es bis jetzt fertiggebracht, an der Wand stehenzubleiben. Idomanês Verstand hatte weit eher nachgegeben. Durhad und Trywfyn hatten ihr bei ihrer Rückkehr aus der Bewusstlosigkeit geholfen und nun saß sie, immer noch blass, das heißt hellblaugrau, mit dem Rücken an die Wand gelehnt da und schwieg. Bei genauer Betrachtung konnte man erkennen, wie es in ihr arbeitete.

      „Was?“, fragte Tjerulf und lächelte.

      „Das“, erwiderte Meneas einsilbig und zeigte auf Freno, der vor ihnen lag und scheinbar ruhig schlief. Meneas war noch nicht dazu in der Lage, sich über Tjerulfs Scheinheiligkeit zu ärgern.

      „Also gut, ich will es dir sagen“, erklärte sich Tjerulf schließlich bereit. „Offensichtlich habt ihr einer Geisteraustreibung noch nie beigewohnt und nichts anderes habt ihr eben, zumindest teilweise“, und damit warf er einen Blick auf Idomanê, „miterlebt. Der Geist oder das Bewusstsein des Entführers“, jetzt deutete er auf den schwindenden Leichnam an der Wand, „war in Freno eingedrungen, nachdem Trywfyn ihn verwundet hatte. Ein sicheres Anzeichen dafür, und eigentlich zunächst das einzige, waren seine winzigen Pupillen in den Augen. Aber täusche dich nicht, Meneas. Dieser Zustand wäre nur vorübergehend gewesen. Morgen hätte Freno auf euch einen fast natürlichen Eindruck gemacht, äußerlich auf jeden Fall. Nur sein Verhalten hätte sich für euch auf unerklärliche Weise verändert. Und so lange er Freno beherrscht hätte, wäre er der perfekte Spion der Priester gewesen.“

      „Wie lange wäre dieser - Geist - in Freno geblieben?“, fragte Meneas. „Und was wäre geschehen, wenn er ihn wieder verlassen hätte, falls das freiwillig möglich gewesen wäre?“

      Wie bereits erwähnt, waren Meneas und seine Freunde bereits früher auf einigen ihrer Reisen auf Geister unterschiedlicher Art gestoßen, zuletzt waren es die Sinaraner gewesen. Sie waren ihnen also nicht fremd. Das Besondere in diesem Fall jedoch war die Geisteraustreibung. Einem solchen Ereignis waren sie bisher tatsächlich noch nie begegnet.

      „Durchaus“, bestätigte Tjerulf. „Aber wann, kann keiner sagen, und ich bin ziemlich sicher, dass es dieser Geist, der gerade erst im Erwachen begriffen war, selbst noch nicht wusste. Auf jeden Fall wäre Freno dann wirklich gestorben. Manch ein plötzlicher Tod mag auf diese Weise verursacht werden, wovon die Leute nie etwas erfahren.“

      „Und um Freno zu helfen, war so eine Schweinerei nötig?“, entrüstete sich Idomanê. Sie hatte sich jetzt so weit erholt, dass sie an dem Gespräch teilnehmen konnte. „Und Eure Verwandlung.“

      Durhad und Trywfyn lachten leise und wissend. Sie wussten natürlich die Antworten. Tjerulf saß kurz mit gesenktem Haupt da und überlegte. Dann blickte er auf und erklärte weiter:

      „Ich weiß, es war kein schöner Anblick und es hätte unter anderen Umständen auch andere Möglichkeiten gegeben. Hier jedoch konnte es nur auf diese Art geschehen. Aber ich kann Euch versichern, Freno wird sich an nichts erinnern, wenn er zu sich kommt. Ja, er wird nicht einmal den Schmerz gespürt haben. Und wie ihr seht, liegt er unversehrt da und sieht auch nicht allzu mitgenommen aus, oder?“

      Tjerulf hatte Recht. Nun fiel Meneas und Idomanê auch auf, dass selbst das schwarze Blut begonnen hatte zu schwinden.

      „Trotzdem“, beharrte Idomanê, „warum dieser grässliche Eingriff?“

      „Nun gut, auch das will ich erklären“, meinte Tjerulf. „Fremde Geister, die die Körper anderer Wesen übernehmen, haften sich zuerst an das Sonnengeflecht. Von dort können sie am leichtesten ihre Macht auf die Organe und den Leib übertragen. Sie bilden sehr schnell und für andere nicht erkennbar einen eigenen Leib, nennen wir ihn Dämonenleib, aus, der dem ursprünglichen aufs Haar gleicht und ihn bis in die kleinste Zelle überlagert. Kurz gesagt, der Geist benutzt den übernommenen Körper, um sich seinen eigenen nach dieser Vorlage bauen zu können. Trotzdem bleibt der andere Körper im Dämonenkörper erhalten. Der Geist des ursprünglichen Wesens wird nicht verdrängt, sondern so weit unterdrückt, dass seine Sinne ihm keine Nachrichten mehr von außen übermitteln können, er jedoch nicht wie beim Tod den Leib verlassen kann. Er fällt sozusagen in ein dunkles Verließ. Erst wenn der Dämon sich wieder davon macht, kommt auch er wieder frei, kann seinen Körper jedoch nicht mehr verwenden, der dann unwiderruflich sterben muss. Bei Freno hatte dieser Vorgang aber erst begonnen und wir waren früh genug bei ihm, um ihm helfen zu können. Daher war es Ughel-do´bec ohne besondere Schwierigkeiten möglich, das fremde Bewusstsein aus dem Sonnengeflecht Frenos zu vertreiben. Die Durchtrennung der Adern war notwendig, um es dann zusammen mit dem im Aufbau begriffenen Dämonenkörper herauszuspülen. Ihr habt die farbliche Veränderung des Blutes gesehen. Damit kam Frenos eigener Körper wieder zum Vorschein und der war von dem ganzen Vorgang nicht betroffen. Jetzt bereitet sich sein Geist gerade darauf vor, zu erwachen. Nun wisst ihr, was wir gemacht haben.“

      „Aha“, machte Meneas, und sein Gesichtsausdruck bewies Tjerulf nicht eindeutig, ob er ihn verstanden hatte.

      „Ughel - wer? War das dieses Unge- ähm - dieses Wesen?“, fragte Idomanê.

      „Ughel-do´bec, ja“, erwiderte Tjerulf. „Er ist ein Wächter aus der Dämonenwelt. Aber ein Ungeheuer ist er nicht, wenn er für menschliche Augen auch von wahrhaft erschreckender Erscheinung ist. Bei gewissen Gelegenheiten stelle ich ihm meinen Körper zur Verfügung. Doch ist jetzt nicht die Zeit, darüber mehr zu sagen.“

      „Dann bist du sozusagen ein Mittler zwischen den Welten, wenn es so etwas gibt“, stellte Meneas erstaunt fest.

      Er ahnte, dass er seinen Freund mächtig unterschätzt hatte und in ihm unbekannte Fähigkeiten steckten. Tjerulf, Durhad, Solvyn und Trywfyn schienen eine Gruppe zu sein, die noch ganz andere Dinge tat, als bloß hinter Altertümern herzujagen, so wie Meneas und seine Freunde.

      „So ähnlich könnte man es beschreiben“, meinte Tjerulf, ließ sich aber auf keine weitere Erklärung ein.

      „Ihr wollt nicht darüber sprechen“, stellte Idomanê fest. „Nun gut, das ist Euer gutes Recht, doch sagt uns wenigstens eines. Ughel-do´bec scheint ein mächtiges Wesen zu sein. Kann er uns nicht vor dem Orden von Enkhór-mûl schützen, oder sie wenigstens ausfindig machen, damit Gnum und Osir etwas gegen sie unternehmen können?“

      „Nein“, antwortete Tjerulf bestimmt und fast ärgerlich und seine Stimme stach wie eine scharfe Klinge. Idomanê spürte es fast am Leib. Sie ahnte, sie hatte einen wunden Punkt berührt. Tjerulf war also nicht Herr jeder Lage. Sie ließ es dabei bewenden, ohne weiter zu fragen und möglicherweise Tjerulfs Zorn zu erregen.

      „Freno kommt wieder zu sich“, unterbrach Durhads Stimme kurz darauf die gespannte Stille.

      Und tatsächlich, seine Arme und Beine bewegten sich, wie es oft beim Erwachen aus dem Schlaf der Fall ist. Dann schlug er die Augen auf. Er sah sich blinzelnd um und schien sich erst zurechtfinden zu müssen. Dann richtete er sich etwas mühselig auf, bis er sich auf seine Ellenbogen stützen konnte. Jetzt konnte er mehr erkennen und machte ein zunehmend verwirrtes Gesicht.

      „Was ist denn hier los?“, fragte er entgeistert und ohne zu ahnen, dass es im Sinne des Wortes geschah. „Und woher kommt all das Blut? Das ist doch nicht meins, oder? Wo sind wir hier überhaupt?“

      Die Flut der Fragen bewies, dass es nach allem nicht allzu schlecht um ihn stehen konnte.

      „Zunächst einmal, wie fühlst du dich?“, antwortete Meneas mit einer Gegenfrage.

      Er war erleichtert darüber, dass Freno keine Fragen nach ihnen selbst gestellt hatte. Das bedeutete, dass er sie immer noch erkannte.

      „Gut“, meinte Freno, der sich ein wenig über die Frage wunderte. „Ich habe Hunger und vor allem Durst, aber sonst geht es mir gut. Nun sag´ schon, wie kommen wir alle hier her und was ist mit mir los?“

      „Weißt du wirklich