Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034684



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sie nur noch in dem letzten Raum sein. Mit knirschenden Schritten, erhobenen Schwertes und beide Lampen nach vorn gerichtet, näherten sie sich der Tür.

      Plötzlich hörten sie dahinter einen gellenden Schrei. Er war so bestialisch und übernatürlich, dass er kaum von einem Menschen oder einem anderen irdischen Wesen ausgestoßen worden sein konnte. Trywfyn und Tjerulf sprangen vor und rissen die Tür auf. Auf dem Boden lag der bewegungslose Körper Frenos. Über ihm beugte sich die schwarze Gestalt eines Entführers, die beiden Arme mit einem Schwert in den Händen erhoben und bereit zuzuschlagen. Bevor er jedoch dazu kam, war Trywfyn heran und hieb ihm mit seiner Axt beide Hände ab. Polternd schlugen sie, das Heft des Schwertes immer noch umklammernd, gegen die Wand und fielen dann auf den Boden. Erneut erklang ein Schrei, der von allen Wänden widerhallte und weder von Freno noch von dem verwundeten Körper des Geistes ausgestoßen worden war.

      Die Verletzungen waren schwer, wenn für gewöhnlich auch nicht sofort tödlich, doch der Entführer verhielt sich vollkommen anders, als sie es erwarten konnten. Nicht ein Tropfen Blut kam aus den Armstümpfen und anstatt vor Schmerzen aufzuschreien und zu toben, verharrte er für kurze Zeit reglos und stumm in seiner Haltung und sackte dann langsam zur Seite, ohne zu zucken oder einen weiteren Laut von sich zu geben. Fast lautlos fiel er auf den Boden.

      Außer ihm waren keine weiteren Krieger des Enkhór-mûl in dem Raum und Trywfyn und Tjerulf vermuteten, dass dieser hier als Wächter zurückgeblieben war.

      „Hoffentlich kommen wir nicht zu spät“, sagte Trywfyn mit rauer Stimme. „Er hatte viel Zeit zum Übertritt.“

      „Das werden wir gleich sehen“, entgegnete Tjerulf. „Freno ist noch bewusstlos und hat die Augen geschlossen. Das Beste wird sein, wir holen erst einmal Durhad, Meneas und Idomanê herein. Ich glaube nicht, dass sie draußen weiter Wache stehen müssen.“

      Trywfyn machte sich auf den Weg und kurz darauf hörte Tjerulf seine schweren Schritte auf den Dielen über sich. Staub rieselte herab.

      Freno lag auf der Seite. Tjerulf vermutete, dass er schon seit längerem bewusstlos war, sonst hätte er sicher versucht, um Hilfe zu rufen, als er und Trywfyn das Haus betreten hatten. Spätestens als der Ogmari auf den Dachboden hinaufpolterte, hatten sie so viel Lärm verursacht, dass er bis in den Keller vorgedrungen sein musste. Tjerulf drehte Freno auf den Rücken und untersuchte ihn. Was er feststellte, bestätigte seine und Trywfyns Befürchtung. Freno schien zwar unversehrt, doch als Tjerulf seine Augenlider hochschob, blickten ihn fast weiße Augäpfel an. Die Pupillen waren bis auf winzige Punkte verengt. Sie waren also doch zu spät gekommen. Der Dämon, dessen Körper sie getötet hatten, hatte von Freno Besitz ergriffen und bereitete die Wiedererweckung vor. Jetzt durfte er keine Zeit verlieren.

      Tjerulf drehte Frenos Körper auf den Bauch und leuchtete den Raum ab. An einer Wand fand er, was er gesucht hatte. Dort hingen einpaar kräftige Taue. Sie waren zwar alt, aber Tjerulf hoffte, dass sie noch fest genug waren, um den Kräften des Geistes zu widerstehen. Er riss die Taue von den Haken und fesselte Freno an Armen und Beinen. Tjerulf war noch nicht ganz fertig, da hörte er über sich die Schritte mehrere Leute und kurze Zeit darauf kam Trywfyn mit Meneas, Idomanê und Durhad die Treppe herunter.

      „Was tust du da?“, fragte Meneas erstaunt und ein wenig ungehalten, als er seinen Freund in Fesseln sah.

      Tjerulf antwortete nicht sofort. Er hatte nicht viel Zeit, und kaum war er fertig, da begann sich Freno zu bewegen. Ruckartig riss er an den Stricken. Tjerulf stand wieder auf. Er war gerade noch rechtzeitig fertiggeworden.

      Ein von einem fremden Geist übernommener Mensch konnte über außerordentliche Kräfte verfügen. Es waren nicht immer übelwollende Geister, die von fremden Körpern Besitz ergriffen, doch hier war Tjerulf sicher, dass dieser in Freno ihnen gefährlich werden konnte.

      „Seht euch Frenos Augen an“, forderte Tjerulf seine Freunde auf.

      Im Licht der Leuchten zuckten sie wild hin und her. Durhad und Trywfyn wussten, was sie erwartete, denn Freno war nicht der erste von einem boshaften Geist besessene, den sie sahen. Für Meneas und Idomanê kam dieser Anblick aber vollkommen unvorbereitet. Entsetzt traten sie einen Schritt zurück.

      „Was ist das?“, fragte Idomanê gequält. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“

      „Zunächst besteht kein Grund mehr, Angst zu haben“, erklärte Tjerulf. „Euer Freund wurde von dem Geist eines seiner Entführer ergriffen. Er steckte vorher in dem Körper des Leichnams dort. Deswegen musste ich ihn mit den Stricken fesseln. Es war die einzige Möglichkeit, ihn zu bändigen. Solange er in den Fesseln bleibt, sind wir und auch er selbst einigermaßen sicher.“

      „Und wie lange soll er in diesem Zustand bleiben?“, fragte Meneas. „Wir können ihn doch nicht für immer in dieser Lage lassen.“

      Tjerulf lächelte und das, fand Meneas, war in diesem Augenblick unangebracht, denn weder ihm noch Idomanê war nach Frohsinn zumute. Tjerulf strahlte dagegen eine Gelassenheit aus, die nur in geübtem Umgang mit solchen Dingen entstanden sein konnte.

      „Das habe ich auch nicht vor“, versuchte er die beiden zu beruhigen. „Wir, das heißt Durhad, Trywfyn und ich, werden versuchen, den Geist wieder auszutreiben. Er ist noch nicht lange in Frenos Körper und seine Bindung zu ihm noch nicht gefestigt. Daher sollte es verhältnismäßig leicht sein. Ihr könnt uns dabei nicht helfen. Das Einzige, was ihr tun könnt, um uns zu unterstützen, ist, uns mit den Taschenlampen zu leuchten. Wir werden es gleich hier versuchen. Ihn zuerst ins Wirtshaus zu bringen, hieße Zeit zu verlieren und außerdem würden wir dort unnötiges Aufsehen erregen. Seid ihr bereit?“

      Alle nickten, obwohl Meneas und Idomanê nicht wussten, was sie erwartete. Trywfyn und Tjerulf gaben den beiden ihre Taschenlampen. Durhad hatte keine mitgenommen, da seine außerordentliche Sehfähigkeit sie in so hellen Nächten wie dieser überflüssig machte.

      Die drei räumten den Fußboden in der Mitte des Raumes frei und schoben den Körper des Entführers an die Seite. Er war bereits spürbar leichter geworden, seit er sich aufzulösen begonnen hatte. Dann drehten sie Freno wieder auf den Rücken. Er versuchte sich zu wehren und blickte die Herumstehenden mit einem wütenden und entsetzlichen Gesichtsausdruck an. Seine weißen Augäpfel mit den winzigen Pupillen traten unnatürlich weit hervor und er versuchte jeden zu beißen, der in seine Nähe kam. Ein unheimliches und hohles Knurren kam aus seiner Kehle.

      Meneas und Idomanê erschauderten bei diesem Anblick und Idomanê spürte, wie sie zu zittern begann.

      Tjerulf wickelte einen festen Knebel um den Mund Frenos und Trywfyn, der gewiss über beachtliche Kräfte verfügte, hatte alle Mühe, seinen Kopf festzuhalten.

      „Ihr werdet jetzt einige fremdartig wirkende und zweifellos abstoßende Dinge sehen“, bereitete Tjerulf Meneas und Idomanê auf das Kommende vor. „Was wir auch immer tun, es ist zur Rettung eures Freundes und keiner von euch darf einschreiten, weil er glaubt, dass wir Freno etwas zuleide tun wollen. Es würde nicht nur unseren Erfolg verhindern, sondern Freno wäre endgültig verloren und wir alle in größter Gefahr. Habt ihr mich verstanden?“

      Meneas und Idomanê lösten ihren Blick von Freno und nickten. Zu einer anderen Antwort waren sie nicht fähig. Beide glaubten, auf das Schlimmste gefasst zu sein, doch das, was kam, war schlimmer.

      Trywfyn beugte sich wieder nach vorn über den Kopf von Freno. Durhad kniete sich vor seine Füße. Beide zückten ihre Messer und ritzten die Haut an den Schläfen und den Innenseiten der Knöchel ein, bis die ersten Blutstropfen hervortraten. Der Geist in Freno wehrte sich immer heftiger gegen die Misshandlung seines neuen Körpers und durch den Knebel gab er tierische Laute von sich. Idomanê glaubte, ein kurzes Aufleuchten seiner Augen gesehen zu haben. Es mochte aber auch die Spiegelung des Lichtes ihrer Taschenlampen gewesen sein.

      Durhad legte unter jedem Schnitt, den er getan hatte, eine Ader frei, schob jeweils ein Holzstäbchen, die er bei sich getragen hatte, unter sie und verhinderte so, dass die Blutgefäße wieder unter die Haut rutschten. Das gleiche tat Trywfyn mit den Schläfenadern. Die waren jedoch ungleich dicker als die an den Füßen und schienen unter den schnellen Herzschlägen zu pulsieren.