Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034684



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seiner eigenen Verfassung zu tun gehabt, dass er Erests Erklärungen überhört hatte.

      „Er ist weg“, antwortete Meneas, „Entführt.“

      „Entführt! Von wem?“, erwiderte Anuim überrascht.

      Meneas zuckte mit den Achseln.

      „Bis jetzt wissen wir es nicht“, meinte er. „Vermutlich waren es wieder Häscher des Enkhór-mûl. Dort am Fenster liegt einer der Entführer. Erest hat ihn an der Flucht gehindert. Er ist tot.“

      „Das wollte ich aber wirklich nicht“, wiederholte Erest, den trotz der Umstände ein schlechtes Gewissen plagte, denn noch nie zuvor hatte er jemanden getötet.

      „Da hatte ich ja noch richtig Glück“, meinte Anuim. „Vielleicht wollten sie mich ja auch mitnehmen. Erstaunlich, dass sie mich nicht umgebracht haben, als die Entführung misslang.“

      „Ich glaube, Erest und ich haben es vereitelt“, vermutete Meneas. „Vielleicht wäre es geschehen, wenn wir nur wenige Augenblicke später aufgetaucht wären. Oder sie hätten dich bewusstlos mitgenommen. Für sie vielleicht noch besser, wenn es in ihren Plan gepasst hätte. Ich fürchte, die Priester sind uns dichter auf den Fersen, als wir dachten. Unsere Reise bleibt gefährlich.“

      „Wo sind Idomanê und Valea?“, fragte Anuim. „Ihnen ist hoffentlich nichts geschehen.“

      „Nein“, beruhigte ihn Meneas. „Sie holen Tjerulf aus der anderen Herberge.“

      „Wir sind ja so blöd´“, hörten sie Erest plötzlich fluchen.

      Er hielt eines der Funkgeräte von Gnum in der Hand. Es musste von Freno stammen.

      „Wieso? Was gibt´s?“, wollte Meneas wissen.

      „Na ja, wir hätten Tjerulf auch anrufen können“, erklärte er seinen Ärger.

      „Jetzt, wo du es sagst“, meinte Meneas. „An diese Möglichkeit müssen wir uns erst gewöhnen. Bisher haben wir es schließlich noch nicht gebraucht und in der Aufregung vergessen.“

      Ohne vorheriges Klopfen öffnete sich in diesem Augenblick die Tür und Tjerulf, Solvyn, Durhad, Trywfyn - jetzt mit einer Streitaxt in der Hand - Idomanê und Valea traten ein. Hinter ihnen drückte sich der Wirt durch die Tür und brachte das Wasser. Er erkannte widerwillig, dass er jetzt fehl am Platz war, besaß aber immerhin so viel Anstand, dass er mit einem kurzen „Ruft-mich-wenn-Ihr-mich-braucht“ wieder in den Flur verschwand. Trotzdem fiel es ihm ein wenig schwer, nicht zu lauschen, was gesprochen wurde.

      „Freno wurde entführt?“, fragte Tjerulf knapp.

      „Ja“, bestätigte Meneas kurz. „Dort aus dem Fenster. Ich schätze, wir konnten verhindern, dass sie Anuim auch mitnahmen. Allerdings nicht, dass er verletzt wurde.“

      „Wie geht es ihm?“, fragte Valea.

      Sie konnte sehen, dass er bei Bewusstsein war, sich aber immer noch den Kopf hielt.

      „Den Umständen entsprechend lausig“, antwortete er selbst auf Valeas Frage. „Aber Meneas hat mir versprochen, dass ich keinen bleibenden Schaden davontragen werde.“

      Valea feuchtete ein Tuch mit dem Wasser, das der Wirt gebracht hatte, an und legte es auf die Schwellung an Anuims Schläfe. Sie hatte bereits beachtliche Ausmaße angenommen.

      Durhad ließ sich eine Taschenlampe von Idomanê geben und untersuchte den Toten.

      „Tjerulf, schaue dir das hier einmal an“, forderte der Morain seinen Freund auf.

      Auch Erest und Meneas kamen näher heran, um zu sehen, was er meinte. Durhad hatte sehr gefasst gesprochen, aber was die beiden sahen, erschütterte sie. Der Tote hatte kein Gesicht. Es war keine Wunde zu sehen, die das verursacht haben konnte, aber es fehlten Mund und Nase und wo die Augen einst gewesen sein mochten, waren jetzt nur noch graue Flecken auf einer offensichtlich geschlossenen Haut. Wenn der Tote einst richtiges Kopfhaar besessen hatte, so waren jetzt nur noch einige gerupft wirkende Haarbüschel übrig.

      „Was ist das?“, fragte Meneas entsetzt.

      „Unsere Gegner vom „Schwarzkittel“, klärte ihn Tjerulf betont ruhig auf. „Du hast sie damals nur lebend oder sehr kurz nach ihrem Tode und im Zwielicht der Nacht gesehen. Einige Zeit später hatten sie das gleiche Aussehen wie dieser hier - bevor sich die Körper vollständig auflösten.“

      Valea und Idomanê waren jetzt ebenfalls herangekommen. Auch wenn sie angewidert schlucken mussten, so ertrugen sie diesen erschreckenden Anblick tapfer.

      „Du meinst, es waren die gleichen Geister wie die, die dich verfolgt haben?“, fragte Meneas.

      „Ob es die gleichen waren, weiß ich nicht“, erwiderte Tjerulf, „aber sie sind von der gleichen Art und ich bin sicher, vom gleichen Feind geschickt. Offensichtlich hat der Orden von Enkhór-mûl unsere Fährte doch nicht verloren, wie wir gehofft hatten. Aber damit war zu rechnen gewesen.“

      „Und Freno ist jetzt in der Gewalt der noch lebenden Geister“, stellte Idomanê fest. „Wir müssen ihn suchen.“

      Meneas war etwas hilflos. Natürlich mussten sie ihren Freund suchen. Auch er wollte Freno so schnell es ging befreien. Er hatte nur keine Vorstellung, wo sie nach ihm suchen sollten. Meneas stellte sich einen kurzen Augenblick vor, wie sie monatelang jedes Haus in der Stadt durchkämmten. Verzweifelt schüttelte er den Kopf.

      „Dieser Geist lebt auch noch“, berichtigte Tjerulf Idomanê. „Durch den Todesstoß von Erests Schwert ist dieser Körper für ihn aber unbrauchbar geworden, und er hat ihn verlassen und dem raschen Zerfall preisgegeben, da es kein üblicher, natürlicher Körper war.“

      „Kein Grund für ein schlechtes Gewissen, Erest“, meinte Meneas. „Du hast keinen Menschen oder ein anderes gewöhnliches Wesen umgebracht.“

      Erest nickte nur. Auch ohne Meneas´ Erklärung, war er schon zu dem gleichen Schluss gekommen. Tjerulf sah Meneas fragend an.

      „Erest wollte ihn nicht töten“, erklärte Meneas.

      Tjerulf nickte verstehend und meinte:

      „Dieses Mal war es jedenfalls kein Fehler. Wie es aussieht, wollten sie Freno lebend, sonst hätten sie ihn hier getötet. Das bedeutet, dass der Orden ihn als Pfand will. Damit wäre Freno zunächst in Sicherheit, wenn auch in einer misslichen Lage.“

      „Mich wollten sie wohl auch“, vermutete Anuim und hob seinen Kopf. „Wahrscheinlich hat mich gerettet, dass Meneas und Erest so schnell aufgetaucht sind.“

      „Möglich“, gab Tjerulf zu, aber ein leichter Zweifel lag in seiner Stimme. „Vielleicht wollten sie aber auch nur einen. Das ist schwer zu sagen. Ich rechne auf jeden Fall damit, dass sie sich in irgendeiner Weise wieder melden.“

      Durhad durchsuchte die Kleidung des dahinschwindenden Körpers. Neben ihm lag das Schwert. Er betrachtete die Waffe näher, es war ein gebogenes Kurzschwert mit einem Griff aus einem schwarzen Material, das sich für Metall zu warm anfühlte und auch mit Sicherheit kein Holz war. Ähnliche Waffen trugen die drei Angreifer, die versucht hatten, Tjerulf umzubringen.

      „Das ist der Beweis, falls noch jemand gezweifelt haben sollte“, meinte er nach kurzer Untersuchung. „Das Zeichen der Schwarzen Distel auf der Klinge, das Symbol des Ordens von Enkhór-mûl.“

      Durhad reichte Erest das Schwert, damit er es sich ebenfalls genauer anschauen konnte, und wandte sich wieder dem Leichnam zu. Nach wenigen Augenblicken hielt er ein doppelt gefaltetes Stück Papier in der Hand. Es war nicht in einem Umschlag gewesen.

      „Hier ist noch etwas“, sagte er und stand auf.

      Er trat ins Licht und faltete das Blatt auseinander. Dann las er vor:

      „Eine letzte Warnung: Kehrt um, dann lassen wir euren Freund wieder frei.“

      „Wie erwartet“, sagte Tjerulf kopfnickend.

      „Wie erwartet vielleicht“,