Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034684



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      „Ich verstehe kein Wort.“

      Meneas lachte trocken.

      „Ich wollte fragen, warum er den Zettel in der Tasche hatte, und ob die Priester sein Ende und unsere Durchsuchung eingeplant hatten.“

      „Ja, und?“

      „Und? Ich nehme an, er hätte die Nachricht zurückgelassen.“

      „So wird es sein“, stimmte ihm Tjerulf zu.

      „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Valea.

      Plötzlich blickte Trywfyn von außen durch das Fenster. Das kam so überraschend, dass Erest, der am nächsten stand, erschrocken zusammenzuckte.

      „Ich habe eine Spur“, sagte der Ogmari. „Sie führt zu einem abbruchreifen Haus an der Stadtmauer.“

      Keinem aus Meneas´ Gruppe war aufgefallen, dass Trywfyn, kurz nachdem sie herausgefunden hatten, dass Freno entführt worden war, ebenfalls aus dem Zimmer verschwand.

      „Schnell, führt uns dort hin“, forderte Meneas den Ogmari kurzentschlossen auf.

      Er bewaffnete sich wieder mit seinem Schwert, das er auf einen Stuhl gelegt hatte, griff sich eine Blendlaterne und sprang aus dem Fenster. Tjerulf und Durhad folgten.

      „Halt, wartet!“, rief Idomanê.

      Sie lief aus dem Zimmer und kam kurz darauf mit zwei Lichtschwertern zurück. Eines davon gab sie Meneas, das anderen behielt sie selbst.

      „Ich gehe mit“, sagte sie entschieden. „Vielleicht können uns diese Dinger helfen.“

      „Gut“, meinte Meneas. „Ihr anderen kümmert euch um Anuim. Und - werft den Leichnam raus. Bis es hell wird, wird er sich aufgelöst haben.“

      Tjerulf, Meneas, Durhad und Idomanê folgten Trywfyn in die Dunkelheit.

      Um diese Nachtzeit waren nur wenige Einwohner der Stadt auf den Straßen. Während die merkwürdige Gruppe der Verfolger über den Marktplatz lief, blickten ihr nur zwei oder drei Augenpaare neugierig hinterher, bis sie in einer schmalen Gasse verschwand. Dort waren sie dann unter sich.

      Trywfyn führte sie um unzählige Ecken und Winkel und er war erstaunlich schnell. Meneas war überrascht, wie gut Tjerulf ihn im Auge behielt, denn immer wieder, wenn der Ogmari in den Schatten eines Hauses geriet, in dem er dann um die nächste Ecke bog, wurde er für Meneas unsichtbar. Er war sicher, dass er den Ogmari sehr schnell verloren hätte, hätte er ihm allein folgen müssen.

      Solange sie durch die Straßen liefen, brauchten sie ihre Taschenlampen nicht, denn das Licht der Monde war hell genug, um sich zurechtzufinden. Schließlich tauchte vor ihnen der schwarze Schatten der Stadtmauer auf. Trywfyn ließ die Gruppe an einer wenig erhellten Stelle anhalten.

      „Dort drüben ist es“, sagte er leise und streckte seinen Arm aus. „Das Haus unterhalb des Wachturms.“

      Sie konnten das Gebäude gegenüber, auf der anderen Seite der Querstraße, die nur wenige Schritte vor ihnen begann, gut erkennen. Das Haus lag in prallem Mondlicht und so zeigte es sich ihnen fast so deutlich wie am Tage, wenn es jetzt in der Nacht auch unheimlich und fahl leuchtend vor ihnen stand.

      Der Ogmari hatte nicht übertrieben. Das Haus konnte nicht bewohnt sein. Die Schindeln auf dem Dach waren teilweise zerbrochen oder fehlten ganz, einige Fenster waren eingeschlagen und ein Teil der Fensterläden hing nur noch schief in den Halterungen. Einer war ganz verschwunden. An einigen Stellen bröckelte der Putz von der Wand und gab Fachwerk und Lehmmauerwerk frei. Nur die Haustür schien noch in Ordnung zu sein. Sie saß gerade und war geschlossen. Aus keinem Fenster schien Licht.

      „Und warum glaubt Ihr, dass Freno ausgerechnet in dieses Haus verschleppt wurde?“, fragte Meneas flüsternd den Ogmari.

      Ein leiser Zweifel war bei dessen Anblick in ihm aufgestiegen, andererseits konnte kein anderes Gebäude besser als Unterschlupf von Geistern, wenn auch verkörperten, geeignet sein.

      „Ich habe sie gerochen“, erklärte der Ogmari.

      Meneas sah Tjerulf fragend an. Er vermutete, dass der Ogmari einen Scherz gemacht hatte, aber Tjerulf nickte nur zur Antwort. Trywfyn hatte ihn also nicht an der Nase herumgeführt. Es war kaum zu glauben.

      „Trywfyn und ich gehen durch die Haustür“, flüsterte Tjerulf. „Durhad, du behältst die linke Seite des Hauses im Auge. Meneas, du und Idomanê, ihr schleicht euch auf die rechte Seite. Das Haus ist bis an die Stadtmauer herangebaut, also kann niemand nach hinten flüchten. Zögert nicht, jemanden, der Ähnlichkeit mit den Helfern der Enkhór-mûl hat, zu erschlagen, wenn er das Haus verlässt. Bedauerlicherweise können wir sie nicht dauerhaft töten. Also los.“

      Leise und flink wie die Wiesel überwanden sie die Straße und stellten sich so auf, wie Tjerulf es angeordnet hatte. Meneas hatte sich nicht dagegen gesträubt, da er keinerlei Erfahrungen mit Unternehmungen dieser Art hatte. Bei Tjerulf und seinen Freunden sah die Sache offenkundig anders aus. Meneas, Idomanê und Durhad nahmen im Schatten der Hauswände ihre Beobachtungsposten ein und hielten ihre Waffen kampfbereit in den Händen. Warum, fragte sich Meneas, sollten die Geister nicht auch durch die Stadtmauer fliehen können?

      Trywfyn drückte vorsichtig gegen die Haustür. Sie war nicht verriegelt und sprang nach kurzem Widerstand auf. Mit verhaltenem Quietschen schwang sie in den Flur hinein. Langsam traten Tjerulf und der Ogmari ein. Knarrend bogen sich die Dielen unter ihren Füßen. Der Flur war leer. Durch eine offenstehende Zimmertür drangen die Strahlen silbrigen Mondlichtes in den Flur. Vorsichtig gingen die beiden vorwärts, tiefer in das Haus. Dann standen sie für einen Augenblick schweigend da und horchten. Es herrschte buchstäblich eine Grabesstille.

      Das Haus war leergeräumt. Nur wenig Gerümpel lag in den Zimmern herum. Dadurch waren sie auch leichter überschaubar. Das Haus war eingeschossig errichtet und zumindest zu ebener Erde fanden sie weder eine Spur von Freno noch von seinen Entführern. Als sie vor der Treppe zum Dachboden standen, zeigte Trywfyn auf die Bodenluke. Tjerulf nickte und der Ogmari eilte mit wenigen Schritten die Treppe hinauf, drückte die Luke hoch, die nur lose auf ihrem Rahmen lag, wie es für gewöhnlich immer war, und sprang mit einem mächtigen Satz auf den Dachboden.

      Mit der eingeschalteten Blendlaterne in der einen und der Streitaxt in der anderen Hand wirbelte er herum, bis er sich einen Rundumblick verschafft hatte. Außer einigen Fledermäusen, die er aufschreckte, gab es nicht viel zu entdecken. Auch hier oben hatten die früheren Bewohner nur wenig zurückgelassen. Er schaltete die Lampe wieder aus.

      Trywfyn stand bewegungslos da und spürte Gerüche auf. Er hatte einen ausgezeichneten Geruchssinn und seine Erfahrung darin war sehr groß. Tatsächlich konnte Trywfyn besser riechen als sehen, wenn er auch meilenweit davon entfernt war, blind zu sein. Die Fledermäuse hatte er schon bemerkt, bevor er sie im Lichtkegel der Taschenlampe gesehen hatte. In einer dunklen Ecke verharrten reglos und unsichtbar zwei Ratten. Auch sie versuchten mit ihren Sinnen herauszufinden, wer sie da mitten in der Nacht mit mächtigem Lärm gestört hatte. Nicht weit von den beiden Nagern hing ein verlassenes Wespennest aus dem Vorjahr. Ungerührt und ohne sich zu ducken, ließ Trywfyn eine Fledermaus nur eine Handbreit entfernt über sich hinwegfliegen und durch ein Loch im Dach nach draußen verschwinden. Nein, war er schließlich sicher, hier oben waren weder Freno noch einer der Geister gewesen. Er ging wieder die Treppe hinab.

      „Da ist nichts“, sagte er und dieses Mal gab er sich keine große Mühe mehr, leise zu sein, denn er hatte genug Lärm veranstaltet, um von jedem, der hier in diesem Haus sein mochte, gehört zu werden.

      „Dann in den Keller“, befahl Tjerulf.

      Unter der Bodentreppe lag die Kellertreppe. Tjerulf und Trywfyn schalteten ihre Leuchten wieder an und gingen vorsichtig hinunter. Sie hofften so, schnell genug handeln zu können, wenn sie in einen Hinterhalt geraten sollten. Die beiden, Tjerulf voran, kamen in einen kurzen, engen Flur, in dem einige Trümmerstücke herumlagen, die im Lauf der Zeit aus den Dielen über ihnen herausgebrochen waren. Drei Räume zweigten von dem Flur ab, einer zur Linken,