Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034684



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in der ersten Zeile. Er selbst mag es so beurteilt haben. Und nun zum Inhalt. Den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr, aber sinngemäß heißt es da, dass ein göttliches Artefakt einst abhandenkam und in neun Teile zerfallen sein soll. Das ist doch zumindest ein merkwürdiger Zufall, denn schließlich wurde der Chrysalkristall ebenfalls zerlegt. Wenn das Artefakt, von dem er spricht, mit Sicherheit auch nicht gleichbedeutend mit dem Kristall ist, immerhin ist die Rede von neun und nicht von sieben Fragmenten, so werden wir gleich sehen, dass es möglicherweise eine Verbindung zwischen beidem gibt. Es wird nicht näher erklärt, aber Hephram behauptet, dass der Besitzer des vollständigen Artefaktes beinahe göttliche Macht erlangt, eine Macht sowohl schädlicher als auch nützlicher Natur und nur schwer zu bändigen. Dieses Ding, es wird an späterer Stelle als »Sphäre« bezeichnet, was immer das Wort bedeuten mag, kam offensichtlich mit einer kleinen Anzahl von Göttern nach Elveran, die nur kurze Zeit blieben und es zurückließen. Später wurde es von Menschen gefunden. Da niemand wusste, was mit der Sphäre anzufangen war und bei ihrer Untersuchung anscheinend unwissentlich Fehler gemacht wurden, kam es zu bedauerlichen Unfällen, bei denen die Opfer aber nicht getötet, sondern verwandelt wurden.“

      „Verwandelt?“, wiederholte Freno erstaunt. „In was?“

      „Die Inschrift spricht von Drachen, die auch nicht näher beschrieben werden.“

      „Drachen? Wer glaubt denn so etwas?“

      „Nun, zumindest behauptet es die Inschrift“, meinte Erest. „Diese Drachen zogen nicht zerstörend durchs Land, wie ihnen, allerdings erst in späteren Legenden, nachgesagt wird, sondern versteckten sich in Höhlen in abgelegenen und unzugänglichen Gegenden, bis sie vergessen wurden, wie sie hofften. Möglicherweise, und hier drückt sich die Inschrift etwas unklar aus, wurde die Sphäre durch die Drachen selbst zerstört und die einzelnen Teile sind danach irgendwie verschwunden. Über ihren Verbleib ist nichts bekannt, zumindest äußert sich Erlau Hephram nicht dazu. Die Drachen schienen wenig Begeisterung dafür zu empfinden, die Gegenden unsicher zu machen. Sie ließen sich nur selten sehen und kämpften nur, wenn sie von Wichtigtuern herausgefordert wurden, dann aber heftig.“

      „Zumindest das und auch ihre Existenz kann ich bezeugen, wenn ich die Drachen auch nicht selbst gesehen habe“, sagte Trywfyn. „Mein Großvater beobachtete einst eines dieser Wesen bei den nach ihnen benannten Drachenbergen, und obwohl sie sich gegenseitig sahen und nicht weit voneinander entfernt waren, machte das Tier nicht nur keine Anstalten, ihn anzugreifen, sondern zog sich sogar wieder zurück.“

      „Daher ist ihre Geschichte ja auch viel unspektakulärer, als die Legenden behaupten“, meinte Idomanê, „aber so steht es tatsächlich in dieser Höhle, ich kann mich erinnern. Und nun weiß ich auch, worauf du hinaus willst, Erest.“

      „Ihr meint, sie verstecken und bewachen die Fragmente des Kristalles“, schloss Anuim etwas voreilig. „Das könnte erklären, warum sie nicht daran interessiert sind oder waren, Aufsehen zu erregen. Aber warum oder für wen versteckten sie sie, wenn das alles wahr ist.“

      „Ich glaube nicht, dass sie die Wächter sind“, sagte Meneas kopfschüttelnd. „Dann hätten Gnum und Osir davon gesprochen. Außerdem geht das aus der Inschrift nicht hervor. Und es liegt eine sehr lange Zeitspanne zwischen dem Diebstahl des Kristalles und dem anscheinend viel früheren Auftauchen der Sphäre und der Drachen.“

      „So ist es“, bestätigte Erest, „und nichts von dem, was ich bisher erzählt habe, war eine Prophezeiung. Die steht erst am Ende der Inschrift und sagt, dass in der Zeit, in der - und nun hört genau zu - das Erbe der Ax´lán, die sogenannten »Tränen der Götter«, zueinanderfinden, ein noch größeres Ereignis stattfinden wird, das die Wächter der Sphäre, also wahrscheinlich die Drachen, in große Unruhe versetzen und das Ende ihres Daseins bedeuten soll. Das Schicksal der Sphäre ist eng mit den »Tränen der Götter« verbunden. Die »Tränen der Götter«, denke ich, können wir als gleichbedeutend mit den Fragmenten des Chrysalkristalles ansehen. Ich glaube kaum, dass es auf Elveran allzu viele Gegenstände gibt, die ein solches Schicksal teilen.“

      Freno stieß hörbar einen langen Pfiff aus.

      „Und diese Wächter der Sphäre sind die Drachen?“, fragte Anuim. „Dann könnte es sie also noch geben.“

      „Ja, das glaube ich“, meinte Erest, „aber ich glaube nicht, dass sie unmittelbar mit den Kristallfragmenten in Zusammenhang stehen. Beide, Sphäre und Chrysalkristall haben aber offensichtlich eine Gemeinsamkeit. Sie wurden von außerhalb nach Elveran getragen.“

      „Aber warum?“, fragte Idomanê.

      Erest zuckte mit den Achseln und meinte:

      „Das geht aus der Inschrift nicht hervor und andere Quellen, die mir bekannt sind, geben keine Auskunft.“

      Es trat eine nachdenkliche Stille ein.

      „Falls es eine so bedeutende Weissagung ist, dann verstehe ich aber nicht, warum dieser Hephram sie an einem Ort verewigt hat, den vielleicht nie jemand gefunden hätte, so versteckt, wie er ist“, meinte Freno. „Die Höhle hätte außerdem über die Zeit zusammenfallen oder verschüttet werden können.“

      „Das stimmt“, gab ihm Meneas Recht. „Darüber hinaus scheint es mir auch eine Prophezeiung für nur wenige zu sein, die sie verstehen können.“

      „Also für uns“, stellte Anuim fest.

      „Zum Beispiel. Und sie setzt voraus, dass sie sich gründlich genug mit dieser Angelegenheit beschäftigen, um die Höhle überhaupt zu entdecken. Einen Hinweis auf sie haben wir aber noch nicht gefunden, und wie es aussieht, Tjerulf auch nicht.“

      „Es ist eben eine Hinterlassenschaft, die eines Mystikers würdig ist“, fand Erest.

      „Aber vielleicht sind wir auch gar nicht die beabsichtigten Empfänger dieser Botschaft“, wandte Idomanê ein.

      „Möglich“, erwiderte Erest. „Aber trotzdem lässt sich vielleicht auch von uns damit etwas anfangen.“

      „Und diese Ereignisse sollen in unseren Tagen stattfinden“, meinte Anuim zweifelnd. „Wir finden die Einzelteile des Kristalles, setzen sie zusammen und rotten nebenbei die letzten Drachen aus, deren Dasein nur als Legende belegt ist. Verzeiht, aber das ist mir alles zu unvorstellbar. Und was ist mit dem großen Ereignis, von dem in der Inschrift die Rede ist? Welcher Art soll das sein?“

      „Darüber wird nichts gesagt“, erwiderte Meneas, der sich umso besser an die Inschrift erinnerte, je länger sie darüber sprachen. „Vielleicht zwischen den Zeilen, aber dann unverständlich. Eben kryptisch. Das alles muss aber jetzt nicht eintreten. Vielleicht erfüllt sich diese Prophezeiung erst in vielen Jahren - wenn überhaupt jemals.“

      „Dass jedoch würde heißen, dass wir nicht in der Lage sein werden, die Fragmente zu finden und zu dem Kristall zusammenzusetzen“, gab Valea zu bedenken.

      „Diese Möglichkeit allerdings besteht“, gab Meneas zu. „Allerdings haben Prophezeiungen die leidige Eigenschaft, nicht unbedingt einzutreten. Man kann sich also nicht auf sie verlassen. Und das wiederum bedeutet, dass wir noch nicht am Ende unseres Weges angekommen sind.“

      „Ich finde, wir sollten uns mehr mit den Tatsachen befassen und uns weniger über Dinge Gedanken machen, die vielleicht irgendwann eintreten könnten, oder auch nicht, und die vor allem auf vagen Vorhersagen beruhen“, sagte Trywfyn. „Zu den Tatsachen gehören, dass es im Norden von Ogmatuum zu unerklärlichen Unruhen gekommen ist, ob durch einen Drachen oder nicht. Eine weitere Tatsache ist die Wanderung der Walgeister und schließlich scheinen die Ereignisse so beunruhigend zu sein, dass die Landwachen in meiner Heimat verstärkt Patrouille laufen. Also irgendetwas ist dort im Gange. Lasst uns versuchen, mehr darüber herauszufinden, wenn wir dort sind.“

      „Du hast Recht“, stimmten Tjerulf und Meneas gleichzeitig zu und nickten.

      „Wir rasten schon wieder zu lange“, stellte Trywfyn fest. „Brechen wir besser wieder auf. Vielleicht erreichen wir bis heute Abend noch den Rand des Limarenwaldes.“

      Die zehn Reiter packten