Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

Читать онлайн.
Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034684



Скачать книгу

      Meneas bedauerte den Verlust seines Schwertes. Als er nur noch eine Hälfte davon aus der Scheide ziehen konnte, da wusste er, dass es unbrauchbar geworden war. Es war keine besonders schöne Waffe und auch nicht sehr kunstvoll gearbeitet, aber es war ein altes Erbstück und Meneas war nicht der erste in seiner Familie, in dessen Besitz es übergegangen war. Seinem Alter nach hätten sich zahllose Legenden um das Schwert ranken müssen, aber keine war Meneas bekannt. Doch abgesehen von seiner Wanderung durch die Generationen der Dolgards war das Schwert leicht zu handhaben und hatte Meneas bereits gut Dienste geleistet. Deshalb hing er ein wenig an ihm, auch wenn es familiengeschichtlich vollkommen bedeutungslos zu sein schien.

      „Zeige mir die Waffe und die Tasche“, forderte Trywfyn ihn auf.

      Meneas reichte ihm beide Teile. Trywfyn ließ mit einem Ruck auch die zweite Hälfte des Schwertes aus der Scheide gleiten und legte beide Hälften auf seinen Schoss. Ohne etwas zu sagen, untersuchte er die Bruchstellen, hielt sie aneinander und fühlte mit dem Daumen darüber. Dann nickte er und brummte etwas.

      „Es wird gehen“, sagte er dann verständlicher. „Meneas, bewahre die beiden Hälften der Klinge und die Tasche auf. Im Land Ogmatuum werden wir Ogmari die Klinge neu schmieden.“

      Trywfyn gab Meneas alles wieder zurück.

      „Du meinst, das geht?“, fragte Meneas erstaunt und ein wenig zweifelnd. „Wird die Waffe halten?“

      Trywfyn nickte.

      „Mache dir keine Sorgen“, beruhigte er Meneas. „Die Klinge wird wie neu werden, und sie wird biegsamer, fester und schärfer sein, als sie es bisher war.“

      Meneas schüttelte fast ungläubig den Kopf und sah sich um, doch weder Durhad noch Solvyn oder Tjerulf machten einen Gesichtsausdruck, der ihm angedeutet hätte, dass der Ogmari ihn verspotten wollte. Also hatte er die Wahrheit gesagt.

      „So etwas gibt es doch nur in alten Sagen - und Märchen“, meinte Meneas.

      Trywfyn lächelte und erwiderte in verschwörerischem Tonfall:

      „Aber Sagen und Märchen, wie du es nennst, nahmen irgendwann ihren Anfang.“

      „Ich gehe jetzt schlafen“, sagte Tjerulf. „Es ist spät. Ich schlage vor, dass wir das Feuer nicht ausgehen lassen. Ich glaube, es zu löschen wäre gefährlicher, als es in Gang zu halten. So erkennen wir vielleicht die Gefahr früh genug, falls es noch einmal eine gibt. Weckt mich, wenn ich mit der Wache dran bin.“

      Tjerulf stand auf und ging zu seinem Zelt. Auch Durhad, Trywfyn und Solvyn verabschiedeten sich. Bevor der Morain-Mensch verschwand, meinte er grinsend:

      „Falls uns das Feuerholz ausgeht, die Reste der Baumläufer brennen sicher sehr gut.“

      Das stimmte.

      Erest und Idomanê übernahmen die erste Wache. Valea und Solvyn blieben in dieser Nacht von dieser Aufgabe verschont.

      Ehe Meneas in sein Zelt ging, blieb er ein wenig abseits von dem Lagerfeuer stehen und blickte in den Himmel. Die Sterne leuchteten in aller Pracht, denn die Monde waren noch nicht aufgegangen und ihr Licht schwächte das der Sterne noch nicht.

      „Die Klinge wird neu geschmiedet“, murmelte er und lächelte.

      Er sah sich plötzlich in einer uralten Geschichte, aus denen Legenden wurden. Nur dort gab es solche Dinge. Meneas hatte darüber gelesen, aber er hätte es sich niemals träumen lassen, dass ihm ähnlich Sagenhaftes eines Tages selbst widerfahren würde. Jetzt zweifelte er nicht mehr an den Worten Trywfyns und der Ogmari erschien Meneas weit mächtiger zu sein als ein gewöhnlicher Angehöriger seines Volkes. Ein unbekanntes Gefühl von Erhabenheit und Glück erfüllte Meneas, als er sich in seine Decke einrollte und einschlief.

      Die Nacht blieb ruhig. Die Stille wurde weder durch einen weiteren Angriff noch durch den Lärm einer Lastkutsche oder anderer Reisender gestört. Noch vor dem Frühstück wechselte Meneas den Verband an Valeas Kopf. Sie hatte schlecht geschlafen, da sie nicht auf der Seite des verletzten Ohres liegen konnte. Dank seiner Heilkünste hatte sich die Wunde bereits geschlossen, trotzdem hielt er es für besser, sie noch nicht offen zu tragen. Als er fertig war und Valea das schmale Tuch um ihren Kopf trug, das den Verband über dem Ohr halten sollte, sah sie erstaunlich verwegen aus, ganz im Gegensatz zu ihrer gewöhnlichen Erscheinung. Meneas konnte sich eines Schmunzelns nicht erwehren.

      Sie hatten jetzt noch drei Tage im Limarenwald vor sich, von denen sie hofften, dass sie in dieser Zeit vor Angriffen verschont blieben. Ihre Aussichten dafür schätzten sie als nicht schlecht ein, denn nicht in jeder Nacht hatten sich ihre Gegner geregt und am Tage schienen sie ziemlich sicher zu sein. Aber erstens gab es dafür nach wie vor keine Gewähr, auch wenn die Feinde immer nur nachts zugeschlagen hatten, und zweitens war der Angriff von zwei Baumläufern ungewöhnlich und bereits eine Steigerung.

      Meneas und Tjerulf und auch die anderen waren natürlich sehr unzufrieden mit ihrer Lage, denn sie fühlten sich den Angreifern hilflos ausgesetzt. Dass die bisher noch keinen größeren Schaden angerichtet hatten, hielten sie für einen glücklichen Umstand, denn oft genug hatte der eine oder andere von ihnen in Lebensgefahr geschwebt und mancher Überfall hätte böse enden können. Letztlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihr erstes ernsthaftes Opfer zu beklagen haben würden.

      Meneas und Tjerulf überlegten lange, was sie gegen die fortgesetzten Angriffe tun konnten, doch keinem der beiden fiel etwas ein. Meneas hatte von sich nicht viel erwartet, da er zum ersten Mal mit solchen Gegnern zu tun hatte, aber er war ein wenig enttäuscht, dass Tjerulf, der doch eine weitaus größere Erfahrung im Umgang mit den Schwarzen Reitern, Baumläufern und welche Helfer der Orden von Enkhór-mûl noch alles aufbieten konnte, auch keine brauchbare Lösung einfiel. Ihm kam der Gedanke, sich mit Gnum oder Osir zu beraten. Er hatte nur keine rechte Vorstellung, wie er mit ihnen in Verbindung treten konnte, denn die Sprechgeräte hatte sie für den Sprechverkehr unter sich erhalten und nicht, um die Sinaraner damit anzurufen. Außerdem hatte Gnum selbst gesagt, wenn überhaupt, dann würden sie mit der Gruppe Verbindung aufnehmen. Andersherum wäre es nicht möglich. Meneas hoffte, dass sie es bald taten.

      Wieder begann es zu regnen. Der Himmel war bereits seit dem frühen Morgen, als es hell wurde, bedeckt gewesen, doch erst zum Mittag hin hatten sich die Wolken so weit verdichtet, dass es anfing zu regnen. Und dieses Mal richtig. Da sie sich bereits weit im Südosten Päridons befanden, wenn auch noch im Schutz des Limarenwaldes, wurde das Klima bereits rauer. Daher war der Regen oft schon unangenehm kühl. Mit einem Anflug von Galgenhumor behauptete Anuim, dass sie bei einem solch lausigen Wetter mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Überfall befürchten mussten. Kaum einer wollte darüber lachen.

      Bis zum Abend wurde es nicht besser und es gelang ihnen nur unter Schwierigkeiten, ein Lagerfeuer zu entfachen. Allzu lange hielten sie sich auch nicht davor auf. Lediglich den Wachen, die sie - ungeachtet der Zuversicht Anuims - auch in dieser Nacht aufstellten, machte es das Leben ein wenig angenehmer.

      Am folgenden Morgen war keiner aus der Gruppe wirklich ausgeruht. Das lag weniger daran, dass jeder von ihnen, abgesehen von Valea, Wache halten musste. Valea ließen sie in dieser Nacht noch einmal ruhen, obwohl sie selbst diese Ausnahme für sich nicht mehr beansprucht hätte. Doch schließlich hatte sie sich Meneas Worten gefügt, nicht zuletzt deswegen, weil ihre Wunde tatsächlich immer noch schmerzte. Aber die klamme Kleidung, die kühle Luft und das nächtliche Trommeln des Regens auf den Zeltdächern hatten einen erholsamen Schlaf verhindert.

      Da der Regen immer noch nicht aufgehört hatte, fiel das Frühstück auch an diesem Morgen ziemlich knapp aus. Als die Dämmerung in die Helligkeit des Tages überging, wobei an diesem Morgen nur wenig Unterschied zwischen beidem festzustellen war, ließen sie das Lagerfeuer ausgehen, denn keiner verspürte noch die Lust, sich an ihm wärmend niederzulassen. So nass, wie ihre Sachen waren, verstauten sie sie in ihren Taschen. Die Pferde würden an diesem Tag schwerer zu tragen haben als sonst.

      Plötzlich kam Erest aufgeregt ins Lager gelaufen. Er hatte sich kurz in eigener Sache zurückziehen wollen, als er eine besorgniserregende Entdeckung machte.

      „Meneas!