Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738034684



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alles zu glauben.

      Niemand außer Durhad war aufgefallen, dass sich Tjerulf, seit die sogenannte »Sphäre« erwähnt worden war, ungewöhnlich wortkarg verhalten hatte. Seinem Gesichtsausdruck war kaum anzumerken gewesen, wie seine Erinnerungen in eine ferne Vergangenheit schweiften. Und auch der Morain selbst war darüber in grüblerisches Nachdenken verfallen. Erst als es Zeit für den Aufbruch wurde, kehrten ihre Gedanken wieder in die Gegenwart zurück.

      3. Abenteuer im Limarenwald

      Gegen Abend erreichten sie den Rand des Limarenwaldes, so wie sie es vorgehabt hatten. Die Sonne senkte sich dem westlichen Horizont entgegen und war bereits hinter dem Wald verschwunden. An diesem Tag mussten sie wieder in ihren Zelten übernachten, denn für die nächste Zeit gab es nirgends einen Ort mit einem Gasthaus und das würde sich auch nicht ändern, solange sie sich im Limarenwald befanden. In ihm gab es noch nicht einmal Dörfer ohne Gasthaus.

      Der Limarenwald war in seiner ganzen Ausdehnung von Menschen unbewohnt mit Ausnahme einiger weniger Einsiedler, die aus verschiedenen Gründen die Einsamkeit der Natur dem Treiben in den menschlichen Siedlungen vorzogen. Dafür war er aber reichlich gesegnet mit Tieren aller Art, und falls sich in ihm auch Morain-Menschen aufhielten, dann taten sie es so geschickt, dass sie sich niemandem verrieten.

      Die zehn Reiter verließen die Straße in Richtung einer kleinen Einbuchtung des Waldrandes, etwa zweihundert Schritte waldeinwärts. Dort konnten sie ungesehen von der Straße ihr Lager aufschlagen. Meneas und seine Freunde hätten diesen Platz kaum gefunden, aber Tjerulf war er bekannt, denn er und seine Begleiter hatten dort bereits auf früheren Reisen Rast gemacht. Er bot nicht nur Schutz gegen Sicht und vor unleidlichem Wetter, was in dieser Nacht allerdings kaum zu erwarten sein würde, sondern auch frisches Wasser, denn ein kleiner, munter dahinplätschernder Bach streifte die Halblichtung. Gras für die Pferde war im Überfluss vorhanden.

      Die Zelte waren schnell aufgestellt und kurz darauf begannen sie, ihr Abendessen über einem in einer kleinen Erdgrube entfachten Lagerfeuer zuzubereiten. Das war so geschickt überdeckt, dass es kaum einen Lichtschein erzeugte und trotzdem noch ausreichend Wärme verbreitete und die Zubereitung des Essens ermöglichte. Im Hinblick auf ihre Verfolger erschien ihnen diese Vorsichtsmaßnahme erforderlich, wenn sie von ihrer Wirkung auch nicht uneingeschränkt überzeugt waren.

      Jetzt, da sie wieder im Freien übernachteten, war es erneut notwendig, Wachen aufzustellen. Jeweils zwei von ihnen sollten ständig die Umgebung im Auge behalten. In dieser Nacht hatten sie aber Ruhe. Sie wurden weder von Schergen des Ordens von Enkhór-mûl behelligt noch von Sinaranern oder anderen bekannten und unbekannten Wesen besucht. Die Wachen konnten in der Dunkelheit - nur der Halbmond Duglars wanderte über den Himmel; Folgar ließ sich zwar für kurze Zeit über dem Wald sehen, verschwand dann aber bald wieder. Und beide Monde wurden zudem die meiste Zeit von einer Wolkenschicht verdeckt - nicht erkennen, ob sie durch irgendwen aus dem Wald heraus beobachtet wurden. Und sie hörten nur die gewöhnlichen Geräusche des nächtlichen Waldes.

      Einmal jedoch wurden sowohl die Wachen als auch einige der Schläfer durch einen ungewöhnlichen Lärm aufgeschreckt, zumindest für diese Tageszeit. Es war kurz nach Mitternacht, als ein seltsames Rumpeln, Ächzen, Schnaufen und Geklapper von der Straße her immer lauter wurde. Dann schob sich ein seltsames Ungetüm aus dem Wald heraus, das zwar beleuchtet war, aber so dürftig, dass sie es nicht sofort erkennen konnten. Solvyn und Anuim, die gerade Wache hatten, sowie Idomanê, Tjerulf und Meneas gingen der Straße so weit entgegen, dass sie wenigstens etwas sehen konnten.

      Da waren zunächst nur drei hin- und herbaumelnde Laternen oder besser Funzeln zu erkennen. Zwei schwebten vorne und eine kam in kurzem Abstand hinterher, während sie sich über die Straße bewegten. Dann wurde in dem trüben Licht der Umriss eines mächtigen australischen Lastkarrens sichtbar, der von zwei Lambwas gezogen wurde.

      Die Laternen waren vorne und hinten an der Kutsche angebracht und der Lärm rührte von den Rädern und den Hufen auf den Pflastersteinen her. Das Ächzen und Knirschen des Wagens ließ darauf schließen, dass er weit überladen war. Von einer antreibenden Stimme des Kutschers hörten sie nichts. Er mochte dösend auf seiner Bank hin- und herschaukeln und die Führung des Gefährtes den beiden Zugtieren überlassen haben. Kaum mehr als ein schwacher Umriss war von ihm zu erkennen.

      Schließlich wurden die Geräusche wieder leiser und die letzte Laterne verschwand hinter einem Hügel, an dessen abgewandter Seite die Straße entlang lief.

      „Ich denke, wir können wieder ins Zelt gehen“, meinte Tjerulf und verschwand im Dunkeln.

      Schließlich wurde es wieder hell und Durhad und Trywfyn, die die letzte Wache hatten, weckten ihre Gefährten. Ihr Frühstück war etwas ungemütlicher als das Abendessen, denn in den Morgenstunden hatte es angefangen, leicht zu regnen, und so ging alles ein wenig schneller als gewöhnlich vonstatten. Nachdem Nephys über dem östlichen Horizont aufgegangen war, was sie allerdings nur an einer allgemeinen Zunahme der Helligkeit feststellen konnten, brachen sie wieder auf.

      Wie bereits erwähnt, gab es keine Siedlungen im Limarenwald, aber in unterschiedlichen Abständen lagen Rastplätze an der Straße, die auch zur Aufnahme größerer Gruppen und ihrer Fahrzeuge geeignet waren. Natürlich waren diese Plätze nicht planvoll angelegt worden, sondern es waren ursprünglich unbewachsene, lichte Stellen am Straßenrand, die der Wald ausgespart hatte und die von Reisenden zur Rast und Übernachtung genutzt wurden. Da sie ihr Feuerholz nicht nur sammelten, sondern gelegentlich auch schlugen, waren die Plätze nach und nach immer ein wenig größer geworden. Und sie waren auch notwendig, denn selbst bei einem einigermaßen schnellen Ritt, und zu mehr sahen Meneas und Tjerulf keinen Anlass, würden sie gut eine Woche benötigen, um die Stadt Sigera auf der anderen Seite des Waldes zu erreichen.

      Trotzdem wollten die zehn Reiter diese Rastplätze nicht benutzen. Sie wurden schließlich von den Häschern des Ordens von Enkhór-mûl verfolgt und mussten annehmen, dass auch ihnen diese Orte nicht unbekannt waren, deshalb wollten sie versuchen, geschütztere Stellen zu finden. Außerdem wollten sie durch die merkwürdigen Dinge, die immer wieder um sie herum geschahen, weder die Aufmerksamkeit anderer Reisender erregen, denn sie würden an den Rastplätzen nur selten allein sein, noch wollten sie andere durch ihre eigene Anwesenheit in Gefahr bringen.

      Auf der Suche nach geschützten Lagerplätzen halfen ihnen die Erinnerung Tjerulfs, Durhads Kenntnisse des Waldes und die Spürnase von Trywfyn, sodass sie niemals Schwierigkeiten hatten, in nicht allzu weiter Entfernung von der Straße eine Lichtung zu finden.

      Die ganze Zeit auf ihrem Ritt und nachts durch ihre Wachen blieben sie aufmerksam. Außer den üblichen Reisenden, die seltener waren, als sie erwartet hatten, sahen sie niemanden, der ihren Argwohn erregte. Bis zum ersten gefährlichen Ereignis fiel ihnen niemand auf, der sich in mehr oder weniger auffallend gleichem Abstand hinter ihnen hielt. Einerseits war diese Beobachtung beruhigend, andererseits bot sie keine Gewähr, dass sie mit der Vermutung, noch nicht wieder verfolgt zu werden, Recht hatten, denn ihre Gegner hatten auch schon Krieger ins Feld geführt, die keinem Angehörigen der zweibeinigen Völker Elverans glichen. Und durch sie wurde in der vierten Nacht im Limarenwald der erste von zwei Überfällen verübt, bevor sie die Stadt Sigera erreichten. Es geschah einige Zeit, nachdem sie zu Abend gegessen hatten.

      Als sie eine Stelle erreichten, an der Tjerulf mit Solvyn und Durhad vor einigen Jahren schon einmal übernachtet hatte, mussten sie zunächst einiges von dem neuen Aufwuchs entfernen, bevor sie für sich und ihre Pferde ausreichend Platz hatten. Sie entzündeten ein offeneres Feuer als in den Tagen zuvor, denn der Wald um sie herum war dank des üppig wuchernden Unterholzes um die Lichtung herum sehr dicht und schien für einen schwachen Feuerschein kaum durchlässig.

      Da es noch früh war, saßen fast alle noch im Kreis um das Feuer herum und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Lediglich Valea, Freno und Trywfyn hatten sich schon zurückgezogen. Meneas stand auf, um noch einen Arm voll Feuerholz zu holen, das sie noch im Hellen am Waldrand aufgeschichtet hatten.

      Plötzlich griff sich Solvyn mit aufgerissenen Augen an den Hals. Zuerst wusste keiner, was sie hatte, doch dann erkannten sie einen fingerdicken