Tote Gäste. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Tote Gäste
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562577



Скачать книгу

neuesten Wahnideen erzählen, ein freundliches Gläschen in der Hand – das konnte ich mir sehr nett vorstellen.

      Anette war zu Hause, und als sie die Tür aufriss und mich sah, ging ein eigenartiges Strahlen über ihr Gesicht. „Kati, schön, dass du endlich da bist!“ Ich musste recht dumm dreingeschaut haben, denn sie flüsterte: „Spiel mit!“ Dann fuhr sie mit normaler Lautstärke fort: „Ich warte schon auf dich. Ach, du kennst ja Andi noch, nicht?“

      Ich folgte ihr ins Wohnzimmer und nickte Andi, der meinen Platz auf dem geblümten Scheusal okkupiert hatte, kalt zu. Was wollte der denn schon wieder hier? „Tja, Andi, tut mir Leid, aber wir haben was zu besprechen“, wandte Anette sich an ihn, und er erhob sich zögernd. „Ich darf aber doch bald mal wieder kommen?“

      „Wozu sollte das denn gut sein?“, fragte Anette unfreundlich. „Ach, Süße, du weißt doch... ich liebe dich doch immer noch. Warum bist du so hart zu mir?“

      „Vielleicht hast du bei ihr einfach verschissen?“, schlug ich freundlich vor und erntete einen giftigen Blick. „Halt du dich da gefälligst raus!“

      „Warum?“, fragte Anette. „Sie hat doch völlig Recht! Du hast bei mir verschissen, und so was ist irreversibel. Tut mir Leid, aber deine Rührstories kannst du anderswo verkaufen.“

      „Da will man einer Frau was bieten und wird so abgebürstet“, brummte Andi auf dem Weg nach draußen. „Was wollt ihr eigentlich? Sonst gucken doch auch bloß alle immer aufs Geld. Hast du einen anderen? Kann er öfter oder was?“ Wir verdrehten synchron die Augen. „Nur Männer können so blöd fragen!“, fand Anette.

      „Was wir wollen, ist zum Beispiel Zuverlässigkeit“, ergänzte ich, „aber dir zu erklären, was man darunter versteht, würde viel zu lange dauern. Tschüss, Andi, ein schönes Leben noch!“

      Der Blick, den mir das eintrug, war mörderisch, eindeutig. Aber immerhin machte sich dieser Idiot endlich vom Acker. „Hübsch ist er ja“, seufzte Anette, als sie mit zwei Gläsern zum Sofa zurückkam, auf dem ich schon gemütlich lümmelte, „aber so eine Nervensäge. Dieses schleimige Getue! Mir was bieten wollen, ha! Er ist abgehauen, weil er was Spannenderes gefunden hatte. Jetzt hab ich Geld, und da will er ran, sonst nichts. Und er glaubt, ich weiß das nicht!“

      „Etwas dümmlich war er ja immer schon“, stimmte ich zu und nahm ihr ein Glas ab. „Hm, lecker. Campari Orange?“

      „Klar, ich weiß doch, was du magst. Hast du ein bisschen Zeit?“

      „Ich schon. Wenn ich heimfahre, muss ich bloß waschen und bügeln. Und die Spülmaschine ausräumen und die Staubmäuse aufsaugen. Keine Lust. Aber du? Hast du das eben nicht bloß wegen Andi gesagt?“

      „Quatsch. Ich freu mich immer, wenn du kommst.“

      „Und ich freu mich immer, wenn ich bei dir bin. Bei dir ist es saugemütlich. Wie machst du das bloß?“ Anette zuckte die Achseln. „Keine Ahnung.“

      Sie lümmelte sich quer in einen der Opasessel mit den schweren geschnitzten Füßen und dem knallbunten Bezug und nahm einen ordentlichen Schluck.

      Anettes Wohnung war einfach perfekt, aber auch ich wusste nicht, woran das lag. Meine Wohnung gefiel mir eigentlich besser (wenn sie aufgeräumt war), aber hier war es kuscheliger. Vielleicht waren es die bunt zusammengewürfelten Möbel? Oder die hohen Räume? Das Haus stammte aus der Jahrhundertwende und war in den Siebzigern ziemlich brutal modernisiert worden, aber immerhin hatte man die Decken nicht abgehängt. Bei Anette sah es immer aus, als hätte sie eine große, glückliche Familie. Wie eine Ikea-Werbung, nur nicht so billig. Echter irgendwie. Dabei lebte sie leidenschaftlich gerne alleine – seit Andi wenigstens.

      „Und? Wie furchtbar wird die Hochzeit?“

      „Noch furchtbarer“, seufzte ich. „Aber ich hab schon die Ringe besorgt. Mensch, jetzt hab ich vergessen, sie Cora zu zeigen, aber die hat sich so schnell davongemacht – na, vielleicht besser so.“ Ich kramte in meiner Tasche. „Hier, schau mal!“

      Anette lachte schallend. „Scharfe Teile. Vor allem der für die Braut... So was Hässliches hab ich noch nie gesehen, Carla kippt vor dem Altar um. Wer muss die den beiden präsentieren?“ Ich lehnte mich wieder in die Kissen. „Keine Ahnung. Vielleicht der Trauzeuge von Paul. Das ist irgendein väterlicher Freund von ihm, sein ehemaliger Tutor oder so was. Ich kenn den nicht.“

      „Was ist Paul eigentlich für einer, beruflich, meine ich?“

      Ich dachte nach. So gut kannte ich ihn gar nicht. Carla lieh sich zwar gerne meine Freunde aus, aber eigentlich hatten wir getrennte Bekanntenkreise.

      „Jurist? Ja, Jurist, stimmt. Er hat den Ehevertrag bei einem Kollegen machen lassen. Mensch, hoffentlich ist der nicht ziemlich einseitig!“

      „Wenn schon. Wie oft heben die Gerichte sittenwidrige Eheverträge auf! Das ist doch eh ein Glücksspiel. Jurist, soso. Ich mag Juristen nicht so sehr.“

      „Ich auch nicht“, stimmte ich heuchlerisch zu und dachte an den einen Juristen, an den ich doch eigentlich nicht mehr denken wollte. Leichter gesagt als getan! „Gehört sich für BWLer ja auch so. Wenn man sich vom ersten Semester an mit diesem arroganten Gesocks um den Großen Hörsaal prügeln muss...“

      Gut, dass ich nie jemandem von Rosen erzählt hatte – wahrscheinlich, weil es mir selbst vor meinen Freundinnen zu peinlich war, diesen so uncharmanten Kerl anzuschmachten wie eine Zwölfjährige einen Popstar! „Glaubst du, dieser Andi taucht noch mal bei dir auf?“, versuchte ich von der Juristenfrage abzulenken.

      Anette zuckte die Achseln. „Kommt drauf an, ob er es mit der Steter-Tropfen-Taktik hält. Das Geld hätte er schon gerne, und dass ich ihm keine seiner blöden Ausreden geglaubt habe, damit findet er sich so schnell nicht ab. Doch, ich glaube, der steht in drei Tagen wieder auf der Matte, mit einer neuen Geschichte und seinem altbewährten Schmalzblick.“

      „Hält der dich für doof?“, empörte ich mich.

      Anette lachte etwas bitter. „Der hält alle Frauen für doof, hast du das damals nicht gemerkt? Wenn er mit einer neuen Ausrede daher kommt, glaubt er, ich hätte alle alten vergessen und würde die Widersprüche nicht bemerken. Schließlich schulden ihm die Weiber sein Auskommen.“

      „Wir sollten ihm was antun“, fand ich. „Der Kerl gehört doch hinter Gitter!“

      „So blöd ist er leider auch wieder nicht. Gut, wenn ich ihm Geld gäbe und er würde es undurchsichtig investieren... nein, das ist doch nicht mal Heiratsschwindel. Dämliches Finanzgebaren alleine ist noch nicht strafbar, und bloß, um ihn in den Bau zu kriegen, will ich weder das Haus riskieren noch Gott behüte ihn heiraten.“

      „Ja, stell dir vor, wir wollen ihn zum Heiratsschwindel verleiten und er heiratet dich wirklich. Dann musst du dich bloß wieder teuer scheiden lassen.“

      „Und Ich hab gedacht, das ist bloß ein Schwindel, ich wollte ihn gar nicht wirklich heiraten ist auch ein ziemlich bescheuerter Scheidungsgrund“, stimmte Anette zu. Wir seufzten einträchtig.

      „Der reitet sich schon selber in die Scheiße“, hoffte ich schließlich.

      Ich hatte genug anderes zu tun, auch ohne Andi reinzulegen. Gut, wenn sich eine unwiderstehliche Gelegenheit ergeben sollte...

      „Genau. Sag mal, wie wär´s, wenn mir morgen alle vier ins Fabrizio gehen? Silke hat vorhin angerufen, sie hat Zeit. Und Nina muss sicher auch mal raus. Einen richtigen Weiberratsch haben wir lange nicht mehr gehabt.“

      Die Idee gefiel mir – Pizza, Cocktails und Ablästern über die Brautjungfernkleider, die ganze bescheuerte Hochzeit und doofe Männer. Komisch – es musste doch auch vernünftige geben, aber alle Frauen, die ich kannte, hatten entweder gar keinen oder einen, über den sie jammern mussten. Gut, fast alle. Silke und Carla waren im Moment anscheinend sehr zufrieden.

      Ich trug Anette diese Theorie vor. Sie lachte. „Ob Carla zufrieden ist, wissen wir doch gar nicht – glaubst du, sie würde diese Monsterhochzeit canceln, bloß