Tote Gäste. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Tote Gäste
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562577



Скачать книгу

keinen Sekt so mag, dann mit Saft. Orangensaft und irgendwas ausgefalleneres, Mango oder so.“

      „Blätterteigschweinereien?“, fragte Carla misstrauisch nach.

      „Du weißt schon, so kleine Pastetchen, mit Krabben gefüllt oder Ricotta und Spinat. Oder Käse und Schinken. Macht dir jedes Catering. Einen Catering-Service hast du doch schon?“

      Sie sah mich beleidigt an. „Wofür hältst du mich?“

      Ich feixte. „Für eine, die den Fotografen vergessen hat. Also, Sekt, Saft, Pastetchen. Oder willst du Käsewürfel und Trauben auf bunte Spießchen stecken?“

      „Gotteswillen! Voll die Fünfziger!“ Sie hielt inne. „Obwohl – so ein Stück Leerdamer mit einer schwarzen Olive... schon lecker..."

      „Ihh! Grüne Oliven, wenn schon!“, protestierte ich, und im Handumdrehen waren wir in den schönsten Streit verwickelt.

      „Wie alt seid ihr eigentlich?“, fragte Mama schließlich. „Nicht alt genug zum Heiraten, fürchte ich. Jetzt lasst das alberne Gezanke und macht weiter.“

      „Wir könnten uns eine Pizza kommen lassen, mit extra vielen Oliven“, schlug Carla vor. „Mit grünen? Ich bin dabei!“

      „Okay, zwei Pizzen. Und dann machen wir weiter.“

      „Wenn du mich mit der Pizza ködern willst, die Tischordnung zu machen“, versuchte ich vorzubauen, „dann vergiss das lieber ganz schnell. Für so was ist Mama doch ideal.“

      „Ich denke nicht daran“, verkündete Mama.

      „Und wenn du nur einen Tisch für euch und die Brauteltern machst und viele kleine Tische für alle anderen? Wo sie sich nach Belieben setzen können? Oder – hey, das ist es! Nummeriere die Plätze und die Tische durch und lass die Leute Lose ziehen, dann lernen sie sich wenigstens kennen!“

      Carla sah zweifelnd drein. Kunststück, das war in Vier Hochzeiten nicht vorgekommen. „Gute Idee“, fand Mama, die augenscheinlich bloß froh war, dass ich sie vom Haken genommen hatte.

      „Ja, findest du?“ Carla war noch nicht recht überzeugt. Mama nickte und ich nickte mit. Wieder ein Problem negiert!

      „So, jetzt bestell mal die Pizza. Extra Käse, Anchovis und viele grüne Oliven“, verlangte ich. „Und dann gucken wir, was es noch so zu tun gibt.“

      „Du denkst auch bloß ans Essen“, maulte Carla, „dabei haben wir doch noch so viel zu tun. Heirate du erst mal, das ist Schwerstarbeit!“

      „Zwingt dich doch keiner“, schnappte ich. Das war doch die Höhe! Wer hatte denn von ihr verlangt, so ein Fass aufzumachen? „Wenn ich jemals heirate – ich sage ausdrücklich wenn – dann im Vorbeigehen auf dem Standesamt, ohne Gäste, ohne alles. Und am Abend eine Party. Ordentlich Alkohol, dann fällt alles andere gar nicht mehr auf.“

      „Typisch Kati“, fand Mama. „Keinen Sinn für schöne Formen.“

      Das war mir doch egal! „Hundert Leute“, jammerte Carla wieder los. „Bis die ihre Plätze ausgelost haben, ist doch das Essen kalt!“

      Mich traf fast der Schlag. „Hundert Leute? Wenn habt ihr denn um Himmels Willen alles eingeladen? Ich kenne nicht mal halb so viele Leute, und von denen würde ich mindestens drei Viertel nicht auf meiner Hochzeit haben wollen. Findest du nicht, dass ihr ein bisschen übertreibt?“

      Carla stöhnte. „Meine Familie – seine Familie. Meine Freunde – seine Freunde. Die Freunde seiner Eltern. Leute, die man einfach einladen muss, weil sie einen auch immer einladen. Alle, bei denen ich Brautjungfer war. Deine Freundinnen, damit ich nicht so hässliche Brautjungfern habe wie die anderen, und Nina, weil ich ihre Kinder brauche. Außerdem heißt Nina von, und ich muss den Zorns zeigen, dass ich auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen bin. Apropos – bringst du einen Mann mit?“

      „Wieso apropos? Was hat ein Kerl mit der Brennsuppe zu tun? Erwartest du, dass ich einen richtigen Proll anschleppe?“

      Carla wedelte mit der Hand. „Schnapp doch nicht immer gleich ein! Mir ist doch bloß grade eingefallen, dass ihr alle ja vielleicht auch noch einen Macker anschleppt.“

      „Um Gottes Willen, nein. Bloß Silke bringt Fabian mit, aber das weißt du doch, den habt ihr doch selbst eingeladen. Außerdem hätte ich gedacht, dass du die Gästeliste jetzt allmählich mal fertig haben müsstest, was sollen denn sonst die Leute vom Catering sagen?“

      Carla zuckte ganz untypisch die Achseln. „Ach, die haben mal so locker zehn Leute extra einkalkuliert. Bei euch kommt also keiner mehr dazu?“

      Irgendwie klang das enttäuscht, fand ich.

      „Bei mir ganz bestimmt nicht. Fabian für Silke weißt du schon. Ninas Mann natürlich. Und Anette kommt genauso alleine wie ich – und wehe, du suchst uns irgendwelche Pappnasen als Partner aus.“ Carla grinste kurz und kuschelte sich tiefer in ihren Sessel. „Ich glaube, ich weiß schon einen...“

      „Mach nur“, drohte ich, „ich werde ihm dafür ein paar Geschichten über dich erzählen. Geschichten, die dein Paulimausi noch nicht kennt, darauf wette ich.“ Carla runzelte die Stirn. „Zum Beispiel dieses Wettsaufen auf dem Volksfest am Mönchensee, weißt du noch?“

      „Was?“ Mama schob sich die Brille wieder auf die Nase. „Das würde mich jetzt aber auch interessieren. Wie alt warst du da, Carla?“

      „Fünfzehn“, murrte die. „Kati, wenn du jetzt noch ein Wort sagst, setz ich dich neben Onkel Joseph!“

      Ich schwieg sofort. Schade, aber Onkel Joseph – das war eine gewichtige Drohung. Er sabberte, er roch ziemlich streng und er war der Ansicht, dass alle Mädels mit sechzehn heiraten und möglichst schnell sechs Kinder kriegen müssten, um ihnen die Flausen auszutreiben. Die Tischgespräche konnte ich mir schon vorstellen! Außerdem wollte ich das Essen genießen und das konnte ich schlecht, wenn ich nur ganz flach durch den Mund atmen konnte, weil Onkel Joseph mal wieder seit Weihnachten nicht gebadet hatte.

      „Warum lädst du den alten Drecksack überhaupt ein?“, fragte ich also nur.

      „Mama sagt, ich muss“, gab Carla den schwarzen Peter sofort weiter.

      „Kinder!“, mahnte Mama und versuchte vergeblich, nächstenliebend dreinzuschauen. „Er ist ein einsamer alter Mann, seid nicht so hart.“

      „Mundgeruch macht eben einsam“, kommentierte ich ungerührt. „Und wenn er nicht so einen Scheiß reden würde, wäre er auch nicht unbeliebt. Carla, hat der überhaupt schon eine Einladung?“

      „Nö. Der hat doch sowieso Zeit. Er wird nur zetern, dass ihn jemand abholen muss.“

      „Ich nicht!“, verwahrte ich mich sofort. „Ich will das Auto noch länger fahren. Da hilft doch kein New Car-Duftbaum mehr. Carla, du kannst niemanden neben ihn setzen, was soll das werden? Und daran ist er wirklich selbst schuld.“

      Carla sah mich an und zerriss langsam den Umschlag mit Onkel Josephs Adresse. Ich zwinkerte ihr zu. „Gut so. Dafür erzähle ich auch nichts weiter. Jedenfalls jetzt nicht. Wenn ich natürlich einen geeigneten Tischherrn kriege...“

      „Schon gut, schon gut. Wie wär´s mit Onkel Jürgen? Dann könnt ihr über Computer reden.“

      „Genehmigt. Apropos, wieso machst du deine Tischordnung nicht am Rechner? Ich wette, es gibt extra Hochzeitsplanungs-Software zu kaufen! Oder stand das nicht in deinen Ratgebern und Zeitschriften?“

      Carla schleuderte ein Sofakissen nach mir und traf das halbleere Sektglas, mit dem sie sich anscheinend über ihren Hochzeitsstress hatte hinwegtrösten wollen. Ich nutzte die allgemeine Aufregung und das Gerenne um einen Lappen, um mich unauffällig zu verkrümeln. - Tischordnung – wirklich nicht! Und die Pizza hatte Carla ja auch nicht bestellt.

      Aber nach Hause wollte ich auch nicht, da wartete Hausarbeit auf mich. Ich schaute schnell zu Papa ins Arbeitszimmer und berichtete von den kaum feststellbaren Fortschritten