Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738037159



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      „Sind wir hier eigentlich schon in Tetker?“, fragte Meneas.

      „Nein, aber die Grenze ist nicht mehr weit“, erklärte Tjerulf. „Morgen Abend werden wir die Biberau erreichen.“

      „Biberau?“, wiederholte Erest, der die früheren Erklärungen Tjerulfs nicht gehört hatte.

      „Ja, das ist der Fluss, der östlich von diesem Wald nach Norden fließt. Er kommt aus den Drachenbergen und mündet in die Droswern.“

      Obwohl es eine angenehme Nacht - verglichen mit denen zuvor - zu werden versprach, stellten sie doch noch einmal ihre Zelte auf. Erst in den nächsten Tagen würde es so warm werden, dass sie endlich wieder unter freiem Himmel schlafen konnten.

      Rings herum im Wald gab es genug Holz für ein Lagerfeuer, genauso, wie es Tjerulf versprochen hatte. Obwohl sie von den Bäumen um sie herum gut geschützt waren, nur ein kleiner Ausschnitt zwischen den Kronen gab einen Blick auf den Himmel frei, entschlossen sie sich dazu, wieder Wachen aufzustellen. Tjerulf und Meneas hielten es für wenig wahrscheinlich, dass der Orden von Enkhór-mûl bereits wusste, wo sie waren, außerdem befanden sie sich noch auf dem Gebiet Ogmatuums, aber es gab Tiere im Wald und darunter befanden sich einige auch für Menschen nicht ganz harmlose Nachträuber. Da waren Wachen durchaus angebracht. Idomanê und Durhad übernahmen die erste.

      Die Nacht blieb ruhig. Ab und an war ein leises Rascheln oder Knacken im Wald zu hören, aber sie schlossen aus der Ruhe der Pferde, dass es sich um Nachttiere handelte, die nicht gefährlich waren. Die Pferde hätten Raubtiere wahrgenommen.

      In den frühen Morgenstunden ging Freno in den Wald, um nach jagdbarem Wild Ausschau zu halten. Er brauchte sich nicht lange zu gedulden. Kurz darauf kam er mit einem erlegten Reh wieder zurück. Das brachte eine willkommene Abwechslung in den Speiseplan. Erest merkte als letzter, was sich tat und erst angezogen vom Bratenduft steckte er seinen Kopf aus dem Zelt.

      „Du musst dich beeilen, wenn du noch etwas abhaben willst“, sagte Valea mit unüberhörbaren Essgeräuschen. Diese Aussicht half ihm umso schneller aus seiner Decke.

      Am frühen Vormittag erreichten sie die Landesgrenze. Wie erwartet gab es dafür keine Anzeichen und sie mussten Tjerulfs Worten glauben.

      „Woran erkennst du das?“, fragte Meneas.

      „Das wirst du nicht wissen“, meinte er. „Diese beiden Bäume und die drei dort bilden eine besondere Baumgruppe, wie du siehst. Aber nur wer darum weiß, wird auch darauf achten.“

      „Und was ist, wenn ein Baum umfällt oder abgesägt wird?“, wollte Anuim wissen und fand seine Frage gar nicht dumm.

      „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass jemand so tief im Wald herumsägt, aber selbst, wenn es einer täte, wird er sich kaum die Mühe machen, anschließend auch noch den Stubben auszugraben. Und ein umgefallener Baum würde wahrscheinlich an Ort und Stelle liegen bleiben, meinst du nicht auch? Also, selbst wenn keiner mehr stehen bliebe, könnte man diesen Ort noch eine lange Zeit wiederfinden. Aber letztlich ist es auch gleichgültig, weil sich keiner um den Grenzverlauf hier kümmert.“

      Anuim war plötzlich sicher, dass er früher oder später auch selbst darauf gekommen wäre.

      Der Wildpfad war erstaunlich gleichmäßig in seinem Verlauf. Es war kaum zu glauben, dass ein Naturweg so aussehen konnte, aber Tjerulf versicherte ihnen mehrmals, dass er einzig und allein durch wilde Tiere entstanden war und erhalten wurde. Zwar begegnete ihnen keines, vermutlich wurden sie rechtzeitig von dem dumpfen Trommeln der Pferdehufe gewarnt und flüchteten sich dann ins Unterholz, aber die Fährten waren eindeutig. Es gab weder welche von anderen Pferden noch menschliche Stiefelabdrücke. Allerdings mochten von Zeit zu Zeit auch Ogmari diesen Weg benutzen. Aber dafür gab es ebenfalls keine Anzeichen.

      Der Tag verlief in wohltuender Eintönigkeit, aber zum Abend hin wurde der Wald lichter und kurz darauf blickten sie auf das ferne silberne Band der Biberau. Dahinter erstreckte sich eine weite Landschaft, nach Nordosten hin hügeliger, nach Westen flach und immer wieder von Wäldchen und Wäldern bewachsen. Jetzt entdeckten sie das erste Haus seit langer Zeit. Es war ein Bauernhof. Und um ihn herum lagen bewirtschaftete Felder und Weiden. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf.

      „Den Bauern dort kennst du aber nicht, oder?“, fragte Meneas Tjerulf.

      Der lachte.

      „Doch, aber ich werde ihn euch nicht vorstellen. Wir werden den Hof umreiten. Vielleicht würde er es mit der Angst zu tun bekommen, wenn er eine so große Reiterschar sich seinem Hof nähern sähe.“

      Meneas war nicht sicher, ob Tjerulf es damit ernst gemeint hatte, aber auch er sah keinen Grund, bei irgendwem unangemeldet einzufallen. Offensichtlich besaß dieser Bauer keine magische Kugel.

      „Wir reiten noch ein wenig nach Norden“, sagte Tjerulf. „Eine oder zwei Meilen von hier gibt es eine flache Stelle, dort können wir morgen den Fluss überqueren. Ich schlage vor, heute Nacht am Waldrand zu lagern. Das ist immer noch ein wenig geschützter als irgendwo zwischen Wiesen und Feldern.“

      Auf ihrem weiteren Weg, rechts von sich die Biberau, zur linken Seite ein lichter Wald, der sich dem Grenzwald im Nordosten anschloss, sahen sie tatsächlich überwiegend Kulturflächen jenseits des Flusses. Irgendwo im Norden würde wieder dichter Wald kommen, aber von dort, wo sie sich befanden, wurden die Felder nur noch von wenigen einzelnen Bäumen überragt - und von dem gewaltigen Massiv der Regenberge, dem sie in den letzten Tagen unübersehbar näher gekommen waren.

      Erest wurde bei dem Anblick der Berge und dem Gedanken, dort hinaufzusteigen, unbehaglich zumute. Er war kein Freund von Bergen. Er schätzte mehr das ebene Land oder die Nähe eines Meeres (wenn auch keine Bootsausflüge) und auch mit der feuchten Hitze des Urwaldes konnte er sich leichter anfreunden als mit den Beschwerlichkeiten des Bergsteigens, besonders wenn die Luft dünner wurde. Nur, wer würde darauf Rücksicht nehmen? Und dieses Mal mussten sie wohl oder übel in die Berge.

      Auf dem schmalen Uferstreifen zwischen der Biberau und dem Wald zog sich ein etwas breiterer Trampelpfad entlang. Hier stießen sie zum ersten Mal auf fremde Hufspuren. Also wurde er gelegentlich von Reitern und wie es aussah von Lasttieren benutzt. Aber auch an diesem Abend trafen sie keine anderen Menschen mehr. Der Bauernhof blieb bis zum nächsten Tag der einzige bauliche Vorbote der Bewohner dieses Landstrichs.

      Nach kurzem Ritt erreichten sie die Stelle, von der Tjerulf gesprochen hatte. Und nun sahen sie es selbst. Während vorher das Wasser des Flusses graugrün und unergründlich war, kam es ihnen an diesem Abschnitt klarer vor und sie konnten den Grund sehen. Er war sandig und hier und da flitzte ein Fisch von einem Bündel Wasserpflanzen zum nächsten. Obwohl es eine Furt hätte sein können, kam weder vom jenseitigen Ufer ein Weg an den Fluss heran noch zeigten sich an der diesseitigen Uferböschung Spuren einer Durchquerung.

      „Hier ist es“, sagte Tjerulf und stieg von seinem Pferd.

      Erest ging ans Ufer und stellte fest, dass unerwartet viele Fische im Wasser schwammen.

      „Wir hätten eine Angel mitnehmen sollen“, sagte er bedauernd. „Fisch wäre einmal eine Abwechslung.“

      „Warum denn so umständlich?“, fragte Freno. „Warte, bis ich mit meinem Gepäck fertig bin, dann zeige ich dir einmal einen anderen Weg, Fische zu fangen.“

      Doch zuvor richteten sie ihr Nachtlager ein. Die Gegend jenseits des Flusses war weithin übersehbar, aber nirgends entdeckten sie eine Ansiedlung. In diesem Fall war ihnen das ganz recht, denn dieser Umstand verhinderte, dass irgendjemand auf ihre Gruppe aufmerksam und argwöhnisch werden konnte. Sie hatten davor keine Furcht, aber sie wollten Aufsehen vermeiden.

      In dieser Nacht glaubten sie, auf ihre Zelte verzichten zu können. Es war noch milder als am Tag zuvor und der Himmel sah nicht so aus, als würde er sich in der Dunkelheit beziehen. Da konnten sie auch im Freien übernachten.

      Als alles für die Nacht bereit war und sie ein kleines Lagerfeuer entzündet hatten, schnitt sich Freno einen langen, dünnen Ast zurecht, spitzte ihn an und schnitt einpaar Widerhaken hinein.