Verwandte und andere Nervensägen. Elisa Scheer

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Название Verwandte und andere Nervensägen
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562836



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kann. Und weil man als Beamter für die Kinder auch noch Zuschläge bekam…

      Und jetzt ging das ganze Geld für diese blöde Hütte drauf, die Kinder pubertierten oder nervten anderweitig – da konnte man doch mal den Wunsch haben, auszubüxen? Sie hatte Johannes nicht immer besonders gemocht, aber da konnte sie ihn durchaus verstehen.

      Der Stadtplan brachte wenig; sie legte ihn beiseite und griff zu Radiergummi und Rotstift. Bis Valli wieder anrief, konnte sie ja wenigstens die Klausur weiter bearbeiten. Morgen – nein, heute früh würde sie schließlich todmüde sein. Sie radierte, notierte die Punkte, unterschrieb und setzte die Note auf die Vorderseite des Bogens. Der Stapel der fertigen Arbeiten wuchs, und schließlich war sie durch. Wieso rief Valli denn nicht zurück?

      Sie wählte ihre Nummer. Es dauerte ziemlich lange, bis Valli abhob. „Wolltest du nicht zurückrufen? Wenn nicht, gehe ich jetzt nämlich wieder ins Bett, ich muss früh aufstehen“, raunzte sie sie sofort an.

      „Was? Ach so, ja. Alles okay.“

      „Was heißt das? Ist er aufgetaucht?“

      „Nein, das nicht. Aber der Pförtner im Bauamt hat gesagt, Johannes ist ganz aufgeregt weg und hat gesagt, er hat noch einen Termin.“

      „Und wann war das?“

      „Na, so um halb sieben. Er geht immer um diese Zeit, weil wir um Viertel nach sieben essen.“

      „Er hätte dich dann aber ruhig anrufen können, damit du nicht mit dem Essen warten musst“, fand Luise.

      „Naja, wenn er so aufgeregt war… ich wüsste ja gerne, was da los ist, er war die ganzen letzten Tage schon so komisch. Sag mal, war ich vorhin sehr albern?“

      Das entwaffnete Luise wieder völlig. „Naja… ein bisschen. Hysterisch eben.“

      „Sorry, ich hab mich da total reingesteigert. Weißt du, sonst ist er immer total pünktlich oder ruft an, und wenn er dann stundenlang nicht heimkommt – aber jetzt bin ich wieder beruhigt. Und du geh bloß wieder ins Bett, sonst schläfst du morgen am Pult ein.“

      Wie sich die Leute das Lehrerdasein so vorstellten – sie saß doch nicht am Pult! Luise grinste und verzog sich wieder ins Bett.

      Dienstag, 21.11.2006 10:00

      Sehr krisenfest war die gute Valerie eben nicht, dachte sie einige Stunden später, als sie verstohlen gähnend aus dem Klassenzimmer trat. Immerhin schien die Stunde Übungen zum Differenzieren in der 11 c etwas genutzt zu haben, heute hatten sie sich schon erheblich schlauer angestellt, sogar Alina, Marco und Paulina in der letzten Reihe, bei denen man sich sonst immer fragte, was sie an dieser Schule eigentlich wollten, wenn sie nur träge herumsaßen oder ratschten.

      Freistunde – hoffentlich döste sie im Lehrerzimmer nicht ein!

      Sie packte erst einmal an ihrem Platz um - niemand konnte all das, was man für sieben Unterrichtsstunden brauchte, dauernd herumschleppen. Danach holte sie ihr Pausenbrot aus der Tasche und ihren Zeitplaner und studierte ihre Liste.

      Also: achte - erledigt. Elfte - erledigt. Kopieren für den Wirtschaftsgrundkurs – erledigt. Dr. Eisler wegen des Psychoraums kontaktiert – erledigt, sie hatte den Hausmeister schon mit Akkuschrauber und neuem Schloss in die richtige Richtung eilen sehen. Alte Anschläge vom schwarzen Brett entfernen – erledigt. Noten eintragen – nicht erledigt. Sie holte sich den Stapel Notenbücher und ging an die Arbeit. Danach konnte sie auch gleich den Punkt alte Extemporalien ablegen abhaken. Sehr gut, damit standen nur noch die neunte, der Wirtschaftskurs und am Nachmittag ihr Mathe-Leistungskurs auf dem Programm. Da hatte sie doch noch diese fiese Aufgabe… die konnte sie gleich noch kopieren!

      Sie stand kauend vor dem Kopierer, als der Kollege Wiesinger vorbeikam. „Haben Sie das Ampèremeter ruiniert? Irgendwer hat´s zerschossen und einfach wieder in den Schrank gelegt!“

      Luise wappnete sich mit Geduld. „Herr Wiesinger, ich bin jetzt seit sieben Jahren an dieser Schule, allmählich könnten Sie wissen, dass ich keine Physikerin bin. Mein zweites Fach ist Wirtschaft/Recht. Für die Physik hab ich nicht mal einen Schlüssel.“

      Brummelnd schob er ab. Wahrscheinlich kannte er nicht mal ihren Namen – aber da gab es einige. Vor allem die Namen von Frauen waren offenbar schwer zu merken!

      „Frau – äh?“ Das war schon wieder so ein Kandidat!

      „Ja, Herr Dr. Querfurth?“

      Er schob die goldgeränderte Brille etwas höher auf die Nase und musterte sie streng. Und stumm.

      „Kann ich etwas für Sie tun?“, fragte Luise geduldig.

      „Sind Sie da bald mal fertig? Ich muss etwas Wichtiges kopieren!“

      Sollte heißen Entfernen Sie sofort ihren unwichtigen Krempel.

      „Aber bitte, ich bin in einer Sekunde fertig“, flötete Luise, fischte ihre Kopien aus dem Schacht und ihre Vorlage von der Glasplatte, stellte den Kopierer auf Normalbetrieb und verzog sich respektvoll, aber nicht, ohne beim Lochen der Arbeitsblätter amüsiert den Kampf Mensch gegen Maschine zu beobachten. Technischer Idiot gegen launisches Gerät, da gab´s immer was zu lachen.

      Prompt piepte der Kopierer. „Was hat er denn jetzt schon wieder! Also früher war das einfacher, da hat man die Matrizen dem Hausmeister gegeben und fand dann die fertigen Blätter in seinem Fach.“

      „Aber niemand hat mehr eine Schreibmaschine, um die Matrizen zu beschreiben, und ein Laserdrucker schlägt nicht richtig durch“, merkte Luise an und erlaubte sich, das richtige Papierformat einzustellen. „So, jetzt müsste es gehen.“

      „Woher wissen Sie das?“

      „Steht auf dem Display.“

      Sie verzog sich, aber dem Fluchen und Schimpfen im Vorraum zufolge war entweder das Papier aus oder er hatte einen Stau verursacht. Sie überhörte das und trat zu Irene, um ihr mitzuteilen, dass sie sich beim Hausmeister einen neuen Schlüssel abholen könne, den gewöhnliche Kollegen eben nicht bekamen.

      Das hörte natürlich die Kollegin Uhl und zog ein Gesicht. „Und wo soll ich jetzt korrigieren?“

      „Im Konferenzraum, im Silentiumraum, in der Bibliothek, im Bibliotheksnebenraum, hier? Das Psychozimmer ist nur für Frau Zirngiebel gedacht.“

      „Die ist doch da nie drin!“

      „Die ist da sehr wohl oft drin“, entgegnete Irene scharf. „Bitte reden Sie nicht so, als sei ich nicht anwesend. Außerdem liegen dort vertrauliche Akten, und gestern haben Sie sich geweigert, den Raum zu verlassen, obwohl ich einen Beratungstermin hatte!“

      „Mein Gott, wozu brauchen Sie denn einen eigenen Raum! Um unfähigen Eltern und ihren dummen Kindern zu erklären, dass das Gör auf die Hauptschule gehört, wie die meisten hier? Das könnten Sie wirklich auch auf dem Gang erledigen, früher gab´s das sowieso nicht, dieses ganze Psychogeschwätz. Aber für Korrekturen braucht man absolute Ruhe! Haben Sie eine Ahnung, wie viel Arbeit so ein Übungsaufsatz macht?“

      „Zufällig gebe ich auch Deutsch“, entgegnete Irene, „und wenn Sie absolute Ruhe brauchen, scheinen Sie mir ein kleines Konzentrationsproblem zu haben. Ich könnte Ihnen da eine sehr viel versprechende Therapie empfehlen.“

      Die Uhl schoss mit einem Fauchen davon, wahrscheinlich, um sich beim Chef zu beklagen. Aber der hatte es sehr mit der Vertraulichkeit (Datenschutz!!) und würde sie abtropfen lassen.

      „Dabei übersieht sie zwei Drittel aller Fehler und korrigiert immer noch nach der alten Rechtschreibung“, murmelte Irene rachsüchtig.

      „Sie kommt auf die Liste“, beruhigte Luise sie.

      „Welche Liste?“

      „Die Liste von Leuten, die ich sofort feuern würde, wenn ich hier was zu sagen hätte. Und daneben schreibe ich, wann die wahrscheinlich von selbst gehen. Die Uhl ist doch bestimmt schon Ende fünfzig,