Название | Verwandte und andere Nervensägen |
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Автор произведения | Elisa Scheer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737562836 |
Mit einem freundlichen dunkelgrünen Fläschchen kam sie fünf Minuten später wieder nach draußen, zufrieden und fast gar nicht von dem Gedanken geplagt, ob das die ersten Anfänge einer Kaufsucht waren, wenn man sich was gönnen musste, weil das Leben fies war.
Quatsch. Das Parfum brauchte sie doch wirklich, sie liebte es über alles. Und das Leben war nicht fies, nur heute ein bisschen lästig.
Entschlossen stiefelte sie über die Straße und klingelte neben der Messingplatte des Notars. Sofort ertönte der Summer, sie drückte die schwere Holztür auf und machte sich an den Aufstieg. Das Notariat lag im zweiten Stock, und die Tür war durch einen altmodischen Lederbalg vor dem Zufallen geschützt. Überhaupt – ein wunderbar im Original erhaltenes Haus! Sie sah sich interessiert um, als sie eintrat, und wurde von einer eher griesgrämigen Sekretärin an das richtige Zimmer verwiesen.
Montag, 20.11.2006 17:00
Dort trat sie ein und sah sich fünf Augenpaaren mit unterschiedlichen Graden der Feindseligkeit gegenüber. Sie nickte kalt, sagte „Frank“ und setzte sich soweit weg von den anderen wie möglich. Jetzt sollte man eine Zeitung auspacken und sich hinein vertiefen! Dumm, dass sie nichts dabei hatte. Sie konnte natürlich ihren Zeitplaner studieren, aber das sähe jetzt auch affig aus.
Aus dem Augenwinkel versuchte sie, die anderen zuzuordnen. Frank war klar – er hatte um das Kinn herum tatsächlich einen feisten Zug entwickelt, und die Blondine neben ihm mit dem giftigen Blick – war das wohl seine Frau?
Der Dunkelhaarige daneben konnte nur Max sein. Hatte sich ganz gut gehalten, musste sie zugeben. Nicht mehr so niedlich, etwas härter und männlicher. Aber noch straff um das Kinn herum. Der gemütliche Blonde daneben mit den etwas zu langen Haaren war der einzige, der freundlich wirkte. Philipp Hölzl, vermutete sie. Die Rothaarige ganz am Rand wirkte gelangweilt. Wohl eine Freundin von Max oder Philipp, sie kannte sie jedenfalls genauso wenig wie die Blondine, die sie unverhohlen verächtlich musterte. Blöde Kuh, dachte Luise, ich will dich ja gar nicht kennen lernen. Sie sah auf die Uhr und trommelte dann gereizt auf ihre Armlehne. Schon drei nach fünf und weit und breit kein Notar!
In diesem Moment ging die Tür auf und ein freundlicher junger Mann trat ein. Groß, schlaksig, rötliche Haare, Sommersprossen – und der Anzug sah aus, als hätte er die Nacht darin verbracht. Auf dem Boden. Dass der Notar das durchgehen ließ?
„Oh, gut, Sie sind alle schon da! Dann können wir ja beginnen.“
Er setzte sich hinter den Schreibtisch in der Ecke und Luise erkannte verblüfft, dass dieses Jüngelchen mit dem Aussehen eines unbegabten Banklehrlings ganz offensichtlich der Notar persönlich war. Dann musste er gut sein, Notar wurde ja weiß Gott nicht jeder. Vielleicht war das zerzauste Auftreten ja nur Tarnung?
„Es geht heute um das Testament und den letzten Willen des Heinrich Josias Wintrich, geboren am 12.03.1932, verstorben am 11.10. 2006. Anwesend sind sein Sohn, Frank Wintrich, geboren am 31.08.1970, dessen Ehefrau Angela, geborene Schneiderhan, geboren am 12.09.1972, seine Tochter Luise Wintrich, geboren am 24.11.1973, außerdem Max Stettner, geboren am 19.04.1968, Caroline Stettner, geboren am 07.07.1977 und Philipp Hölzl, geboren am 25.01.1968. Die Daten sind soweit richtig?“
Allgemeines Nicken, allerdings sah Frank drein, als habe er etwas einzuwenden, traue sich aber nicht. Diese Caroline war anscheinend Max´ Frau – die hatte ja ein tolles Geburtsdatum, siebter siebter siebenundsiebzig, nicht schlecht.
„Gut, dann wollen wir zur Tat schreiten…“ Brandstetter schlitzte den großen Velinumschlag auf und entnahm ihm ein eher kurzes Dokument, das aber immerhin schön gesiegelt war.
„Das Dokument ist recht einfach gehalten. Die Firmenanteile werden im Verhältnis 8 zu 1 zu 1 aufgeteilt, die 80 Prozent gehen an Frank Wintrich und je 10 Prozent an die Herren Hölzl und Stettner.“
„Was soll das denn?“, murmelte Max. „Hat er denn nie aufgegeben?“
„Das ist doch eine Frechheit“, empörte sich Angela, „wieso bekommt Frank denn nicht alles? Er ist schließlich der einzige Sohn!“ Was für eine arrogante Stimme, dachte Luise sich.
Brandstetter warf ihr einen unfreundlichen Blick zu. „Ich habe das Testament aufgesetzt, aber ich bin für die Bedingungen nicht verantwortlich. Darf ich jetzt fortfahren?“
Angela guckte verkniffen, Frank drückte energisch ihre Hand, Philipp lächelte ihr zu. Max und Caroline starrten vor sich hin.
„Das Haus in der Gützingkstraße 24 in Leisenberg-Leiching fällt zu gleichen Teilen an Frank und Angela Wintrich.“
Frank schaute perplex, Angela nickte billigend.
„Das übrige Vermögen, bestehend aus zwei vermieteten Appartements in der Fuggergasse und dem Inhalt dreier Depots, insgesamt rund zweihunderttausend Euro, mit den Wohnungen rund vierhundertfünfzigtausend, wird folgendermaßen aufgeteilt: zwanzigtausend Euro gehen an Caroline Stettner, je dreißigtausend an Philipp Hölzl und Max Stettner, der Rest an Frank Wintrich. Testamentsvollstrecker sind Frank Wintrich und Sebastian Brandstetter – also ich.“
Caroline sah drein wie vom Donner gerührt. „Wieso hat der mir was vermacht? Ich hab ihn so gut wie gar nicht gekannt! Gibt es eine Begründung?“
Brandstetter schüttelte den Kopf. „Gott sei Dank nicht. Nichts ist peinlicher als diese Begründungen, bei denen entweder Sünden aus der Vergangenheit wieder ans Tageslicht gezerrt oder juristisch unhaltbare Bedingungen angeknüpft werden. Davon habe ich Herrn Wintrich auch seinerzeit energisch abgeraten.“
Luise packte ihren Zeitplaner wieder ein, den sie herausgenommen hatte, falls es etwas zu notieren gab. Wozu sie eigentlich hergebeten worden war, war ihr vollkommen unerfindlich.
„Was will diese Person eigentlich hier?“, fragte jetzt Angela. „Ist das eine Verwandte von dir, Frank?“ Frank grummelte etwas Unverständliches.
„Das würde mich auch interessieren“, sagte Luise kühl, „was habe ich denn mit dieser Familie und diesem Testament zu schaffen?“
Brandstetter sah von seinen Papieren auf und rückte seine Brille zurecht. Ohne hätte er wahrscheinlich ausgesehen, als hätte er noch nicht mal Abitur, dachte Luise. „Wir müssen die Frage des Pflichtteils noch regeln“, verkündete er dann und sah Frank und Angela streng an.
„Welchen Pflichtteil?“, fragte Angela und sah Frank ratlos an.
„Ja, welchen Pflichtteil?“, echote Luise. „Fehlt denn noch irgendein Erbe? Erwähnt wurde doch niemand mehr?“
„Ihren Pflichtteil, Frau Wintrich“, erklärte Brandstetter und sah Luise an, als sei sie etwas zurückgeblieben. „Als Tochter des Heinrich Wintrich haben Sie Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das wäre immerhin ein Viertel des Gesamtnachlasses, beziehungsweise der entsprechende Gegenwert, insgesamt also, wenn man die Firmenanteile und Wert der Villa in Leiching überschlagsmäßig dazurechnet, rund eine Million Euro.“
Frank gab einen entsetzten Laut von sich, und Angela keuchte auf. „Was? Wie das denn? Ist das eine uneheliche Tochter von deinem Vater, Frank? Hast du das gewusst? Und ich finde das sehr unangebracht. Hat nie was von sich hören lassen und kommt jetzt und hält die Hand auf? Aber das ist wohl typisch für solche Leute!“
„Was für Leute?“, fragte Max. Hatte er früher auch schon eine so tiefe Stimme gehabt? „Luise ist Franks Schwester, und das weiß er ganz genau, sie sind doch miteinander aufgewachsen, auch wenn sie dann weggelaufen ist.“
Weggelaufen? Luise staunte, was hier für Geschichten im Umlauf waren.
„Den Unterlagen zufolge ist Luise Wintrich die eheliche Tochter von Heinrich und Barbara Wintrich und demnach voll erbberechtigt. Ihr Verhalten spielt dabei keine Rolle“, verkündete Brandstetter.
Luise hob die Hand. „Darf ich mal was klarstellen? Ich habe nicht die geringste Lust, hier als pflichtvergessene Tochter dazustehen,