Fehlstart. Elisa Scheer

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Название Fehlstart
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737560665



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ein. „In dieser Klitsche“, fügte ich dann noch hinzu und sah mich abfällig um, „wo abends nicht mal der Lift geht.“

      „Niemand hat Sie gebeten, hier herzukommen.“

      „Es mag Sie erstaunen, aber ich hatte keine Lust, vor meiner Wohnungstür zu kampieren“, schnauzte ich ihn an. „Intelligente Leute haben einen Schlüssel bei den Nachbarn hinterlegt“, erläuterte er mit einem fiesen, sanften Lächeln. Ich unterdrückte den Impuls, ihn ans Schienbein zu treten. „Sie kennen meine Nachbarn nicht“, antwortete ich nur. „Ich kann´s mir denken. So, wie Sie arbeiten, können Sie sich wohl bloß ein Loch im Slum leisten, was? Wie wär´s, wenn Sie mal üben, wie man eine Präsentation richtig aufbaut?“

      „Wozu denn noch? Die Sache ist ja wohl gegessen.“

      „Ja, wenn Sie so wenig Ehrgeiz haben, kann ich Ihnen auch nicht helfen!“

      „Wozu noch Ehrgeiz?“, maulte ich. „Morgen such ich mir was anderes. Werbung ist der letzte Scheiß.“

      „Sie geben ja verdammt schnell auf.“

      „Finde ich nicht. Ich hab fünf Wochen gearbeitet, und was kommt dabei raus? Kein Pfennig, Schulden, ein Haufen Anschnauzer. Da such ich mir doch lieber was Friedlicheres.“

      „Am besten werden Sie Hausfrau, da kann man nichts falsch machen. Und Sie könnten den ganzen Tag in Schlappen und Kittel herumlaufen. Wäre direkt eine Verbesserung“, fügte er hinzu und betrachtete mich kritisch. Mittlerweile hatten wir uns wohl beide an das funzelige Notlicht gewöhnt und sahen nun wieder ziemlich gut. „Ach ja? Haben Sie keinen Spiegel? Den Anzug kann ja auch die beste Hausfrau nicht mehr retten. Ihre arme Frau!“

      „Ihr Mann kann einem ja auch bloß Leid tun, wahrscheinlich haben Sie schon die Stereoanlage, den Fernseher und das Auto ruiniert. Wo Sie auftauchen, hinterlassen Sie eine Spur der Verwüstung.“

      „Arschloch“, murmelte ich. „Früher haben Sie wohl Erstklässler verprügelt, was? Gibt Ihnen das einen Kick?“

      „Erstklässler? Klar. An solche Giftnattern wie Sie traut sich doch keiner ran. Wahrscheinlich haben Sie gar keinen Mann, kein Wunder.“

      „Dann brauchen Sie ihn ja auch nicht zu bedauern, oder?“

      „Sowenig wie Sie diese imaginäre Ehefrau! Zimtzicke.“

      „Arroganter Angeber.“

      „Versagerin.“

      „Schnösel.“

      „Was?“

      „Schnösel“, wiederholte ich freundlich. „Haben Sie auch noch was an den Ohren? Da fragt man sich doch, was Ihre Chefs von Ihnen halten.“

      „Meine Chefs?“

      „Gibt´s hier ein Echo oder was? Die drei Leutchen, mit denen Sie heute die Präsentation angeguckt haben.“

      „Sie meinen – den Präsentationsversuch.“

      „Toll! Fühlen Sie sich jetzt besser, ja? So richtig groß und stark? Glückwunsch.“

      „Spielen Sie hier nicht das Opfer, so bissig, wie Sie sind. Und kämmen Sie sich mal, Sie sehen aus wie eine Wetterhexe.“

      „Passt doch zum Wetter.“

      „Hier schneit es aber nicht. In diesem ganzen Chaos werden Sie ja wohl auch einen Kamm haben.“

      Ich kramte herum und fand tatsächlich einen, dann zog ich die schon gefährlich lose sitzende Spange aus den Haaren, zwang den Kamm mühsam durch die verfilzten Strähnen und band die Haare danach wieder stramm zurück.

      „Na, viel besser ist das auch nicht. Aber weniger schmuddelig immerhin. Kriegen Sie auch noch das weiße Zeug von ihrer Jacke ab?“

      „Wenn ich rote Farbe an der Sakkotasche hätte, wäre ich ja ganz, ganz leise“, antwortete ich starrte anzüglich auf seine rechte Seite, wo sich die Tasche ziemlich beulte. Er untersuchte sofort sein Sakko und fluchte recht phantasievoll, als er einen offenen roten Tintenkuli herauszog. „Dokumentenecht“, hoffte ich und meine Stimme hörte sich sogar in meinen eigenen Ohren sehr befriedigend höhnisch an. „Verdammt, ja – ob das wieder rausgeht... Grinsen Sie nicht so blöd, das ist nicht lustig.“

      „Nein? Ich finde, dass geschieht Ihnen recht, so rüde, wie Sie sich benommen haben.“

      „Sie sind kindisch.“ Er zupfte immer noch an der ausgebeulten Tasche herum. „Haben Sie ernsthaft geglaubt, die Vorstellung, die Sie heute geboten haben, bringt Ihnen einen Auftrag ein?“

      „Nein. Aber das Konzept war doch in Ordnung!“

      „Das Konzept schon, aber Ihr unzusammenhängender Vortrag und die eingebauten Slapsticks, dazu der stumme Gast...“

      „Welcher stumme Gast?“

      „Na, wieso haben Sie denn diesen Pumuckl dabei gehabt? Der hat außer Grüß Gott und Auf Wiedersehen doch nichts geboten.“

      „Tom ist kein Pumuckl!“, entrüstete ich mich. Das war doch die Höhe, und das von diesem langweilig aussehenden Typen! „Sieht aber aus wie einer. Sie stehen wohl auf den?“

      „Blödsinn“, murmelte ich. „Er wollte doch bloß, dass ich es auch mal probiere.“

      „Das war Ihr allererster Versuch? Und dann bei einem so großen Konto? Sind Sie beide denn wahnsinnig? Sie hätten doch auch bei etwas weniger Wichtigem üben können. Dieser – hm – Tom – ist das auch so ein Anfänger wie Sie?“

      „Nein. Was geht Sie das eigentlich an?“

      „Sie sind gut - wir stehen ohne Werbekampagne da, und das soll mich nichts angehen?“

      „Darüber können sich ja wohl ihre Chefs aufregen. Und was heißt denn hier ohne Kampagne? Nach uns waren doch noch mehr Agenturen dran?“

      „Da taugten die Konzepte nicht viel. Allerdings waren sie tadellos präsentiert.“

      Er grinste frech, und ich holte aus, aber er fing meine Hand blitzartig ab.

      „Lassen Sie das. Ihnen gehen wohl langsam die Argumente aus?“

      „Nein, aber die Geduld. Hat dieser Saftladen hier jetzt einen Hausmeister oder nicht? Und wieso passiert nichts, wenn man auf den Notruf drückt? Ist das wirklich bloß eine Attrappe?“

      „Natürlich gibt´s hier einen Hausmeister, und das ist kein Saftladen, sondern ein ziemlich solider mittelständischer Betrieb. Seien Sie nicht so arrogant, oder gehört Ihnen etwa Microsoft? Das würde Ihre lasche Arbeitsauffassung erklären.“

      „Solide? Wir hängen jetzt schon eine Dreiviertelstunde hier herum, und dieser Hausmeister kriegt seinen Arsch nicht hoch? Liegt der schon irgendwo besoffen in der Ecke?“

      „Nein!“, fauchte der Schnösel. „Wahrscheinlich ist er auf seinem Rundgang. Wenn er in sein Büro zurückkommt, wird er es schon blinken sehen. Luft kriegen wir doch, also was soll´s? Oder wollten Sie auf die Piste? So??“

      „Nein! Wozu denn auch? Glauben Sie, ich hab heute groß was zu feiern?“

      „Ihr komischer Kollege könnte Ihnen ja wenigstens ein Essen spendieren, wenn er Sie schon ins Messer laufen lassen musste.“

      „Der ist nicht komisch, und er hat´s bloß gut gemeint. Dass ich Erfahrungen sammle und so.“

      „Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. So ein Holzkopf!“

      „Hacken Sie nicht dauernd auf Tom rum, Sie kennen ihn doch gar nicht.“

      „Kunststück, so wenig, wie er sich heute profiliert hat. Soll ich lieber auf Ihnen herumhacken?“

      „Von mir aus, der Tag ist ohnehin schon beschissen gelaufen. Und außerdem will ich hier raus, und zwar subito.“

      „Werden Sie jetzt auch noch hysterisch?