Fehlstart. Elisa Scheer

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Название Fehlstart
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737560665



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find das toll, dass ich mit dir über so was reden kann. Bist ein echter Kumpel, Heike“, fand Tom, der gerade die Poster an den Flipcharts befestigte und das weiße oberste Blatt dann als Sichtschutz davorhängte.

      Toll, Kumpel hatte ich immer schon sein wollen.

      Ich klickte mich verzweifelt durch die Systemsteuerung, bis ich das Display-Bild auf den Beamer umgeleitet hatte. So, na endlich – und warum war immer noch nichts zu sehen? Ach ja – Input drücken...

      Nichts, noch mal.

      Jetzt – Gott sei Dank! Ich legte die CD ein und rief die Präsentation auf, in verbissenem Schweigen. Tom schwieg nicht. „Und diese tolle Figur – findest du nicht? Mensch, hoffentlich läuft da heute Abend was...“

      „Willst du sie bloß flachlegen oder was?“, fragte ich, nun doch zornig.

      „Was? Wieso? Na, nicht nur flachlegen – aber das natürlich auch... Sie schaut aus, als wär sie eine Kanone im Bett.“

      „Wie schaut man denn aus, wenn man eine Kanone im Bett ist?“, fragte ich mit abgewandtem Gesicht und rief die erste Folie auf. Ja, okay.

      „Na, so wie Carla eben. Heißer Feger.“ Und ich war also keiner. Wirklich nett. „Viel Erfolg mit ihr“, wünschte ich verkniffen und arrangierte die Verpackungsmuster neu. „Danke. Und du stellst das Konzept vor, ja?“

      „Muss das sein? Ich hab so was noch nie gemacht!“

      „Einmal musst du´s ja lernen, oder?“ Aber doch nicht gleich jetzt, maulte ich im Stillen. Konnte ich nicht erstmal zugucken? Und jetzt war es schon fast neun Uhr! Eine Sekretärin kam herein, mit Kaffee, Geschirr und Gebäck. Jetzt wurde es langsam ernst. Ich rekapitulierte im Geiste noch mal unser Konzept. Eigentlich war es gut, aber so gut... So ein Knüller waren die Kleinlederwaren, die die Hamm KG herstellte, ja nun auch wieder nicht. Welche Sensationen ließen sich von Brieftaschen und Gürteln schon erwarten?

      Hastig unterdrückte ich diese Gedanken – jetzt war Begeisterung angesagt!

      Die Tür öffnete sich, und eine kleine Prozession trat ein. Drei Männer, eine Frau. Alle schüttelten uns die Hand, ich verstand keinen einzigen Namen, murmelte nur immer „Unger, guten Morgen“ und begann mich richtig zu fürchten. Außerdem war mir heiß – im letzten Moment fiel mir ein, dass ich die Kostümjacke nicht öffnen durfte. Dieser blöde Fleck!

      Ich betrachtete mir die vier, während sie sich umständlich setzten. Die Frau sah sehr kompetent aus, schickes Kostüm, hellblonde, gut geschnittene Haare, perfektes Make-up und einen gewaltigen Terminplaner in der Hand – fast schon DIN A 3, so sah es jedenfalls aus. Sie erwiderte meinen Blick kühl. War das die Chefin? Der junge Kerl neben ihr in dem etwas schlampigen grauen Anzug und der schief sitzenden Krawatte – rosa, zu einem dunkelgrauen Hemd! – war es schon mal nicht, so weit kannte ich mich schon aus in den Chefetagen.

      Eher schon der dickliche Ältere, der seine restlichen schwarzen Haare in bewährter Manier über die kahlen Stellen gebürstet hatte und ganz offensichtlich zu hohen Blutdruck hatte. Der setzte sich auf die andere Seite der Frau. Chef – oder Stellvertreter? Und der dritte – der sah aalglatt aus, aber so, als wüsste er wirklich Bescheid. Dem traute ich das sicherste Urteil zu – nur, war das gut für uns? Die dunklen Haare glatt zurückgekämmt und glänzend: Hatte der sich Gel ins Haar geschmiert? Aber der dunkelblaue Anzug war schick. Und die Krawatte mit dem kleinen Wappen wirkte sehr edel. Schade, dass ich nicht rechtzeitig auf die Schuhe geachtet hatte – in einem Businessmagazin hatte ich mal gelesen, dass man an den gepflegten Schuhen erkannte, wie wichtig jemand war. Alle vier sahen mich erwartungsvoll an. Dann also mal rein ins kalte Wasser! „Ja, also...“

      Mist, so sollte man doch nicht anfangen! Ich räusperte mich verlegen.

      „Guten Morgen, meine Damen und Herren...“ Ich verstummte wieder. Konnte man das sagen, wenn nur eine Dame anwesend war? Egal, eh zu spät.

      „Mein Name ist Heike Unger von MediAdvert, das ist mein Kollege Tom Hartwig, und wir möchten Ihnen unser Konzept für Ihre neue Werbestrategie vorstellen...“

      Bisschen bieder, aber wenigstens kam ich langsam in Schwung. Ich blätterte das erste Poster auf, sprach von Corporate Identity, der Notwendigkeit eines neuen Logos, präsentierte Entwürfe, faselte von hochklassigen Produkten und Hochpreissegmenten (diesen Käse hatte ich schon recht gut drauf), legte Zielgruppenanalysen, real und angepeilt, vor und startete schließlich die Präsentation. Aber eine gewisse Unruhe im Publikum zeigte mir schließlich, dass ich irgendwann einmal zu viel geklickt hatte – die Folien eilten meinem Vortrag etwas voraus.

      Ich warf Tom einen flehenden Blick zu, aber er reagierte nicht. Also blieb mir nichts, als mich für den Fehler zu entschuldigen und mit etwas zittriger Stimme meinen Vortrag weiterzuführen. Wir hatten alles auf schicke junge Leute, die Hamms Lederwaren als Statussymbol benutzten, abgestimmt und nun kam es mir vor, als hätten wir alte Lord extra-Plakate kopiert.

      Sehr überzeugend fand ich mich nicht, auch nicht, als ich die Entwürfe für Verpackungen herumreichte und erklärte, warum Lederwaren von erstklassiger Qualität unbedingt in Pappschachteln verkauft werden mussten und wie man es erreichen konnte, dass das Hamm-Logo so bekannt würde wie das von Chanel oder Etienne Aigner. Schließlich verstummte ich mit den wirklich genialen Schlussworten. „Tja, das war´s...“

      Damit schaltete ich elegant den Beamer aus, aber erst, als es etwas verbrannt zu riechen begann, fiel es mir siedendheiß ein – nur auf Standby, bis der Ventilator verstummt war, sonst brannte er durch! Hastig machte ich einen Schritt, um ihn wieder einzuschalten, bevor er ruiniert war, aber in diesem Moment gab mein lockerer Schuh endgültig nach, ich stolperte, stieß gegen den Laptoptisch und warf ihn um. Einen Moment starrte ich regungslos auf die Bescherung, dann hob ich den Laptop auf. In seinem Inneren klirrte etwas... Scheiße, der war hin. Und der Beamer war immer noch ausgeschaltet und roch verbrannt. Und ich stand da, ein Schuh mit, einer ohne Absatz. Zwei Geräte ruiniert. Außerdem hatte ich die letzten beiden Poster nicht mehr vorgezeigt, aber darauf kam es jetzt wohl auch nicht mehr an.

      Eisiges Schweigen. Dann sahen die vier sich lange an. Mein Blick irrte zu Tom, der mir einen tadelnden Blick zuwarf, aber nicht eingriff.

      Der junge Kerl im grauen Anzug lehnte sich zurück und legte ein Bein angewinkelt über das andere. „Tja... ich fürchte, so ganz überzeugend war das nicht. Trotzdem vielen Dank für Ihren Beitrag. Wegen der Beschädigungen wenden wir uns wohl am besten an Ihre Agentur.“

      „Ja“, murmelte ich mit gesenktem Kopf und begann, unseren Demokram einzusammeln. „Tut mir ehrlich Leid. Mein Schuh...“

      „So etwas kontrolliert man doch, bevor man aus dem Haus geht“, tadelte die Frau. Klar, wenn man sich eins von mehreren Schuhpaaren aussuchen kann! Aber direkt nach dem Studium? Erster Job? Da hatte man noch nicht so viel Business-Garderobe! Nur konnte ich das ja schlecht sagen.

      „Ich werde es mir merken“, murmelte ich also und packte fertig ein. Das CD-Laufwerk klemmte, ich konnte die CD mit der Präsentation nicht mehr herausholen und ließ es schließlich.

      Tom verabschiedete sich gewandt von den vier VIPs, und ich warf meine Handtasche um, sammelte meinen Kram schnell wieder ein und schlich gedemütigt nach draußen.

      „Schwache Vorstellung“, sagte Tom draußen. Mir standen die Tränen in den Augen. „Hättest du mir nicht helfen können? Wenigstens den Beamer rechtzeitig wieder einschalten? Dann wäre das am Ende gar nicht erst passiert.“

      „Es war deine Show, nicht meine.“

      „Aber es war unser gemeinsames Projekt! Wolltest du nicht, dass wir den Auftrag kriegen? Es ist doch klar, dass ich das alleine nicht so hinkriege – ich hab noch nie vorher eine gute Präsentation gesehen!“

      „Wir hatten vorher doch ausgemacht, dass du es vorführst. Ich bin im Moment zu abgelenkt. Jetzt jammere nicht rum, glaubst du, andere haben noch nie eine Präsentation in den Sand gesetzt? So tragisch ist das nicht.“

      „Ach nein? Und was glaubst du, sagt Suhrbier, wenn er erfährt, dass ich die Sache vermasselt