Название | Afrikanische Märchen auf 668 Seiten |
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Автор произведения | T. von Held |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742763129 |
oder Nation jemals eine bedeutende Civilisation aus
sich selbst heraus entwickelt, sondern hat den Anstoß
dazu durch das Eindringen fremder Elemente empfangen.
Nun ist Afrika seit den ältesten Zeiten niemals in
direkter und dauernder Verbindung mit einer belebenden
Civilisation gewesen. D a s l i e g t z u m
g r o ß e n T e i l a n d e r A b g e s c h l o s s e n -
h e i t d e s u n g e g l i e d e r t e n K o n t i n e n t s .
Die Sahara hinderte die Berührung mit der Mittelmeer-
Kultur. Durch Jahrhunderte hindurch ist zwar
die Westküste von Angehörigen christlicher Nationen
besucht worden, die aber nicht Kulturträger, sondern
Sklavenhändler waren. Sonderbar ist allerdings, daß
die Kultur der alten Ägypter und der Punas nicht größere
Spuren hinterlassen hat. Wo islamitische Völker
ihren Einfluß geltend gemacht haben, wie z.B. an der
Ostküste Centralafrikas, da ist ein gewisser Fortschritt
nicht zu verkennen.
2. Die Ü p p i g k e i t d e r a f r i k a n i s c h e n
N a t u r versieht den Neger ohne besondere Anstrengung
seinerseits mit des Lebens Nahrung und Notdurft.
Der Anreiz zur Thätigkeit und zur Anspannung
der Geisteskräfte ist daher sehr gering.
3. Das Bestehen der S k l a v e r e i bildet ein drittes
großes Hindernis der Entwicklung. Alle Arbeit ist
Sache der Sklaven und eines freien Mannes daher unwürdig.
4. Die große Masse der afrikanischen Völker hat
weder eigene Schriftzeichen erfunden, noch ein fremdes
Alphabet adoptiert. Hieraus folgt der M a n g e l
e i n e r g e s c h r i e b e n e n L i t t e r a t u r , die bei
anderen Völkern ein so mächtiger Faktor für die Entwicklung
der Civilisation gewesen ist. Daß eine eigene
Schrift sich nicht entwickeln konnte, liegt sicherlich
an dem allgemein verbreiteten Unwesen der Zauberei.
5. Der Einfluß der F e t i s c h m ä n n e r , Medizinmänner,
oder wie sie sonst heißen, steht endlich jedem
Fortschritt im Wege. Jede Offenbarung von Genie,
jede Erfindung wird dem Einfluß von Geistern zugeschrieben.
Das blöde Volk wird gegen den Armen,
der mehr wissen will als andere, aufgehetzt, und mit
dem Leben bezahlt er seine Kühnheit.
6. Das Bestehen der P o l y g a m i e und des Frauenkaufs
in ganz Afrika untergräbt die Sittlichkeit und
schwächt den Zusammenhang der Familie.
Hieraus geht gleichzeitig hervor, wo die Hebel anzusetzen
sind, um die Afrikaner auf den Weg der Entwicklung
zurückzubringen, den nicht mangelnde geistige
Anlagen, sondern die natürlichen Verhältnisse
des afrikanischen Kontinents und einige unglückliche
soziale Institutionen ihnen verlegt haben.
Nach allem Gesagten wird es weniger auffällig erscheinen,
wenn von der Volkslitteratur der Afrikaner
die Rede ist und hinzugefügt wird, daß ihre Erzeugnisse
sich denen anderer Völker dreist an die Seite
stellen lassen. Die Litteraturgattungen, die der Afrikaner
besonders ausgebildet hat, sind das M ä r c h e n
(mit Riesen, Zwergen, Geistern, Hexen, allerhand
Zaubereien wie bei uns), die F a b e l (meist Tierfabel),
die E r z ä h l u n g oder besser A n e k d o t e
(meist mit didaktischer Tendenz), die r e l i g i ö s e
T r a d i t i o n (über den Ursprung der Welt, die Erschaffung
des Menschen, Entstehung des Todes etc.),
h i s t o r i s c h e E r z ä h l u n g e n (aus der Stammesgeschichte),
R ä t s e l und S p r i c h w ö r t e r .4
Hierzu kommen noch P o e s i e n jeglicher Gattung,
Liebeslieder, Spottlieder, Kriegslieder, Epen, Trauergesänge,
religiöse Lieder, Lehrgedichte u.s.w. Alle
Poesie wird stets mit Gesang begleitet, und bei den
unten folgenden Proben sind an einigen Stellen die
Musiknoten hinzugefügt. Das Metrum ist accentuierend.
Die größeren Gedichte sind meist in Strophen
geteilt. Gereimt sind fast alle und oft sehr kunstreich,
wie aus dem bei einigen Gedichten der folgenden
Sammlung angegebenen Originaltext ersichtlich ist.
Die Sprache in den poetischen Stücken ist oft archaisch,
häufig sehr gedrängt und dunkel und der Kürze
wegen schwer in gebundener Form in andere Sprachen
zu übertragen. Ich habe daher mehrere Gedichte
in prosaischer Übertragung geben müssen und muß
einem in rebus poeticis erfahreneren Nachfolger die
poetische Umformung überlassen.
Die einzelnen Stücke der Sammlung sprechen, was
den Inhalt anlangt, im allgemeinen für sich selbst. Wo
es nötig schien, habe ich eine nähere Erklärung in
Fußnoten gegeben. Hinsichtlich der Tierfabeln mag
indessen hier allgemein bemerkt werden,5 daß der
Elefant im allgemeinen der Typus der Stärke und
Weisheit ist. Der Löwe repräsentiert zwar auch die
Stärke, aber meist den Adel der Gesinnung, wie in unsern
Fabeln. Die Hyäne vereinigt brutale Gewalt mit
Dummheit, der Leopard Macht mit Beschränktheit.
Der Fuchs oder Schakal ist das Urbild der Schlauheit,
der Affe das der Verschmitztheit und Gewandtheit.
Der Hase oder das Kaninchen gilt als klug und behend
und vertritt meist die Stelle des Fuchses in unsern
Fabeln. Der Hund personifiziert alles Niedrige,
Knechtische und Verächtliche; die Turteltaube ist das
Sinnbild der Reinheit, Keuschheit und Weisheit
u.s.w.
Größere Sammlungen von Litteraturstücken einzelner
Völkerschaften sind im Laufe der letzten Jahrzehnte
bereits mehrfach veröffentlicht worden, aber da
sie meist linguistischen Zwecken zu dienen hatten, für
ein größeres Publikum so gut wie unzugänglich,