Название | Afrikanische Märchen auf 668 Seiten |
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Автор произведения | T. von Held |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742763129 |
zurechtrücken und malten die Einzelheiten weiter aus.
Und alle sahen mit Erstaunen, daß der N e g e r
d e n k t u n d f ü h l t , w i e w i r s e l b s t
d e n k e n u n d f ü h l e n .1
Allerdings ist seine D e n k f ä h i g k e i t im
Durchschnitt auf einer verhältnismäßig niedrigen
Stufe der Entwicklung stehen geblieben. Der Geist
des Negers klammert sich noch mehr an das Besondere,
Zufällige der Erscheinungen und übersieht dabei
oft das Gemeinsame, Wesentliche. Freilich zeigen
sich auch Ansätze zu höherem Geistesflug. Am deutlichsten
tritt dies in den Sprachen der Neger zu Tage,
deren es viele Hunderte giebt. Werfen wir beispielsweise
einen Blick auf das Suaheli, die Sprache der
Wasuaheli an der Küste von Deutsch-Ostafrika. Das
Suaheli hat kein eigenes Wort, das generisch »Fisch«
bedeutet, obwohl für jede Fischart, ja für jede Varietät
eine besondere Bezeichnung vorhanden ist. Darin
liegt offenbar der geistige Mangel, daß das W e -
s e n t l i c h e einer Sache zu Gunsten des Z u f ä l l i -
g e n übersehen wird. Diese niedrigste Stufe der geistigen
Potenz hat der Suaheli allerdings heute bereits
überwunden. Er hat gelernt, den Kern einer Sache zu
erfassen, wie sich das auch in seinem Sprichwort
zeigt: Ivushavyo ni mbovu, der Fährkahn ist morsch,
d.h. mag er auch morsch sein, es ist doch ein Kahn,
mit dem man über den Strom setzen kann, und das ist
das Wesentliche. Die Sprache hat daher längst begonnen
zu g e n e r a l i s i e r e n , Bezeichnungen für Gattungsbegriffe
zu bilden, indem entweder die häufigste
Form der den Inhalt des Begriffs bildenden Varietäten
den Namen für die Gattung hergeben muß oder fremde
Sprachen, gewöhnlich das Arabische, in Kontribution
gesetzt werden. So ist z.B. samaki, der Fisch, aus
dem Arabischen importiert, um dem oben berührten
Mangel abzuhelfen. Der Suaheli zeigt sich hier also
auf dem Wege eines gesunden geistigen Fortschritts,
und viele andere sprachliche Erscheinungen stützen
diese Ansicht. Durchgängig hat im Suaheli die nähere
Bestimmung hinter dem zu Bestimmenden zu stehen.
Das W e s e n t l i c h e wird also z u e r s t gedacht
und ausgesprochen, und der Suaheli hat im logischen
Denken einen Vorsprung vor uns, wenn er sagt: mtu
mwema (1. Mann 2. guter) statt: 1. guter 2. Mann;
mtu huyu (1. Mann 2. dieser) statt: 1. dieser 2. Mann;
kisu changu (1. Messer 2. mein) statt: 1. mein 2.
Messer. Der Suaheli setzt das Verbum v o r das Objekt,
andere Afrikaner setzen es dahinter. Er hat ferner
ein besonderes Tempus für die N e b e n h a n d l u n g
ausgebildet. Alles das zeigt eine kräftige, natürlich
unbewußte Logik. Auch das Maß geistiger Anstrengung,
das dem Suaheli die korrekte Handhabung seiner
Sprache in grammatischer Beziehung auferlegt, ist
nicht unbedeutend und überschreitet zum Teil selbst
die Anforderungen, die in dieser Beziehung die bei
den Ausländern wegen ihrer Schwierigkeit verrufene
deutsche Sprache stellt. W i r teilen unsere Hauptwörter
in männliche, weibliche und sächliche, der
Suaheli sondert sie nach ihrer Bedeutung in a c h t
Klassen, deren jede ihre besonderen Artikel (Klassenpräfixe),
ihre besondere Plural- und zum Teil auch
Kasusbildung (Genitiv) hat, und nach denen die Form
der bestimmenden Adjektive und der zugehörigen
Verben variiert. Jeder Klasse entsprechen ferner besondere
Fürwörter. »Mein« kann z.B. je nach der
Klasse des Hauptwortes wangu, changu, yangu,
langu, kwangu, pangu, mwangu heißen. In einzelnen
Negersprachen geht dieser Reichtum noch weiter. So
existieren im Herero, der Sprache der viehzuchttreibenden
Ovaherero in Deutsch-Südwestafrika nicht
weniger als 96 scharf unterschiedene Formen für das
besitzanzeigende Fürwort »sein«, deren Handhabung
dem Europäer recht bedeutende Schwierigkeiten zu
machen pflegen. Eben diese Formenfülle beweist aber
auch andrerseits wieder die geistige Neigung des Herero-
Mannes, überflüssig viele Besonderheiten in seiner
Sprache zum Ausdruck zu bringen, statt sich über
das Chaos der Einzelheiten zu erheben und auf das
Wesentliche zu beschränken. Und so läßt sich diese
Neigung noch auf mancherlei andern Gebieten verfolgen.
Das n a t ü r l i c h e F ü h l e n des Negers beruht
auf denselben Regungen der Seele, die auch im Europäer
Liebe und Haß erwecken. Der Spinozistische
Conatus sui ipsius conservandi, der S e l b s t e r -
h a l t u n g s t r i e b , ist der Ausgangspunkt aller Seelenbewegungen.
Was diesen fördert, l i e b t der Afrikaner;
er h a ß t , was denselben hindert. Und in diesem
dreifachen Grunde wurzelt die ganze Schar der
Affekte, die auch des Europäers Brust durchstürmen.
Nur daß sie der Afrikaner nicht in die strenge Zucht
genommen hat, die die christliche Erziehung dem Europäer
auferlegt. Kaum daß bei den heidnischen Völkerstämmen
gewisse durch die Gewohnheit geheiligte
Rechtsnormen die natürlichen Instinkte bändigen. Bei
den Mohammedanern kommt der geringe sittliche
Halt hinzu, den sie etwa aus den halbverstandenen
und ihrer Eigenart angepaßten Lehren des Islams ge-
wonnen haben. Ihre eigenen religiösen Vorstellungen
sind verworren, kleben am Sinnlichen und leisten für
die Sittlichung ihrer Anhänger so gut wie nichts.2
So sind die Neger von der Natur zwar mit denselben
Anlagen ausgerüstet wie wir, aber sie sind in der
Entwicklung derselben zurückgeblieben. Die Gründe