Название | Ich, Sergeant Pepper |
---|---|
Автор произведения | Fred Reber |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742781635 |
Matthews Vater hörte das. »Kevin Barkley?«, fragte er. Und ich fand es nur fair ihm zu sagen, dass ich Kevin kannte, und er mir irgendwann einmal zu verstehen gegeben hätte, dass er interessiert sei, bei uns einzusteigen.
Wir sollten uns wegen Kevin keine Illusionen machen und uns nach einem anderen vierten Mann umhören, antwortete der Sergeant und trieb uns zum Weitermachen an.
Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ihn verärgert hatte.
Was hatte Matthews Vater gegen Kevin? Lag es wirklich nur daran, dass er ihn mit sechzehn ohne Führerschein erwischte? Mir fiel der Tunnel wieder ein, der vom Keller dieses Hauses unter dem Wäldchen zur Kaserne führte. Nutzte Kevin ihn für geheime Zwecke? Ich beschloss, von dem Riss in der Kellerwand nichts zu erwähnen. Warum schlafende Hunde wecken?
Der Boden war mit Holzsplittern und sonstigem Bauschutt übersät. Staub tanzte im einfallenden Sonnenlicht. Die stickige Luft hatte sich längst wieder mit dem eigenartigen, widerlichen Gestank vermischt, vor dem ich mich schon geekelt hatte, als ich mit Kevin das erste Mal hier war. Er kam aus dem schmalen Raum, der als Badezimmer benutzt worden war, aus der Kloschüssel ohne Brille, dem schief und locker an der Wand hängenden Waschbecken. Ich zwang mich, nicht über die Herkunft der Flecken nachzudenken, die auch der Kachelboden aufwies. In einer Ecke, in der die Küche eingerichtet gewesen sein musste, stand ein Unterschrank mit einem Spülbecken. Ich drehte den Wasserhahn auf. Quietschend spuckte er eine rostige Brühe aus, die immer klarer wurde, je länger ich sie laufen ließ. Aus dem mannshohen Kühlschrank schlug mir ein weiterer übler Geruch entgegen. Er funktionierte genauso wenig wie sämtliche Lichtschalter. Obwohl eine Oberleitung vom Dach weg entlang der Wegschneise zum Drugstore führte, blieb alles tot.
Ich seufzte. Kevin hatte als Einziger erkannt, dass das alles hier absolut keinen Sinn machte, wie aussichtslos, hirnrissig, utopisch das alles wäre, dass wir uns hier eher die Krätze holen würden, als einen bemerkenswerten Song zu kreieren.
Ich stand kurz davor, allen meinen Unmut entgegenzuschleudern, doch mein Mund war wie ausgetrocknet. Als hätte Matthews Vater meine Gedanken erraten, sagte er, gleich morgen kümmere er sich um ein neues Klo und Waschbecken. Er habe auch schon mit jemandem gesprochen, der sich mit der Elektrizität auskenne. Dabei zwinkerte er mir zu.
Dennoch radelte ich deprimiert nach Hause.
»Ich komme mir so naiv vor«, betonte ich Julia gegenüber am Telefon.
»Glaubst du, John und Paul haben sich besser gefühlt, damals, als sie noch niemand kannte, in dem Musikkeller auf der Reeperbahn, in dem sie für eine warme Mahlzeit aufgetreten sind?«
Ihre Worte trösteten mich, für die Dauer des Gesprächs.
Später, grübelnd auf meinem Bett, gestand ich mir dann ein, dass ich die Welt erobern wollte, es mir aber nicht so mühsam vorgestellt hatte.
Ein paar Tage später warteten sie auf dem Wendeplatz des Stadtbusses zwischen Gasstation und Drugstore auf mich, Ray mit seinem neuen Moped, Matthew war wie immer zu Fuß unterwegs. Wie gewohnt, setzte er sich auf meinen Gepäckträger, und ich fuhr wieder los. Ich bog in den unbefestigten Weg des Wäldchens ab und folgte, mühsam in die Pedale tretend, dem breiten und dunklen Zickzackmuster, das die Reifen des Trucks vom Sergeant in den weichen Boden gedrückt hatten. Ray folgte uns knatternd. Bald sah ich zwischen den Fichten etwas Metallenes in der Sonne schimmern. Ein grauer, dreckbespritzter VW-Bus stand neben der Veranda. Wir hielten an. Von Matthew und Ray bedrängt, hastete ich die Holzstufen hinauf. Die reparierte Fliegengittertür wurde von einem Werkzeugkasten am Zufallen gehindert. Wir blieben im Eingang stehen.
Ein großer, schlaksiger Kerl, vielleicht drei, vier Jahre älter als wir, schlitzte mit einer Klinge ein von der Decke hängendes Kabel auf und zwirbelte die feinen Drähte auseinander. Es war August, und er trug eine über den Ohren aufgerollte Wollmütze, blonde, dünne Strähnen lugten darunter hervor. Seine tiefblauen Augen musterten uns, einen nach dem anderen. »Wer von euch ist Matthew?«, fragte er mit sehr tiefer Stimme.
Matthew schien über das Ganze so verdutzt wie ich und meldete sich wie ein Erstklässler mit erhobenem Finger.
»Hab deine Eltern neulich im Offizierscasino kennengelernt. Sehr nette Leute«, sagte er, klappte das Messer zu und warf es in den Werkzeugkasten. »Ach so, ja, Thomas heiß ich. Aber alle nennen mich Tom.«
Ich sah Matthew an, der zuckte mit den Schultern.
»Ich zupfe Bass in einer Tanzcombo. Verdien nicht schlecht damit. Doch die ganze Schlagersülze hängt mir zum Hals raus, befriedigt mich einfach nicht mehr.« Tom streckte sich und vergrub die schmalen Hände in den Taschen seines Blaumanns. »Jobs wie im Offizierscasino, bei denen echt die Post abgeht, sind rar. Das habe ich dem Sergeanten auch gesagt, als wir uns in einer Pause an der Bar unterhalten haben.«
Es fiel mir schwer, mir Matthews Eltern ausgelassen auf einer Tanzfläche vorzustellen. Zu Hause hörten sie immer nur Mozart.
Tom musterte mich. »Du musst Patrick sein, sozusagen der Boss, richtig?«
»Sozusagen!«
»Mit zwanzig wäre ich zwar der Älteste in der Band, aber ich kann dich als Boss akzeptieren«, stellte Tom klar.
Damit war mir der Kerl sympathisch. Dennoch fragte ich ungläubig: »Heißt das, du willst bei uns einsteigen, ohne einen Ton von uns gehört zu haben?«
»Ich habe nix zu verlieren.« Er zuckte mit den Schultern. Mit der Combo sei nach den Auftritten beim deutsch-amerikanischen Volksfest Schluss. Außerdem käme er immer bei derartigen Bands unter. Und es würde ihn mächtig reizen, uns auf die Sprünge zu helfen. »Gebt mir etwas Zeit, dann erkennt ihr den Schuppen hier nicht wieder.« Er zog die Mütze vom Kopf und fuhr sich durch das spärliche Haar. Danach standen die dünnen Flusen in alle Richtungen.
Auch das noch! Neben Ray noch einer, der optisch nicht zu einer Beatband passte.
Wie sich herausstellte, gehörten Tom und seinem Vater der Elektrofachhandel drüben in der Stadt.
Jeden Nachmittag um sechzehn Uhr tauchte der VW-Bus zwischen den Fichten auf und hielt auf der Lichtung. Wir konnten die Uhr danach stellen.
Tom zog neue Stromkabel, dübelte und sägte. Wir halfen ihm beim Verschalen der Fensternischen mit Holzplatten für eine bessere Akustik. Matthews Vater installierte ein neues Klo, ein Waschbecken, dichtete den Abfluss im Boden ab, wo wir die Badewanne entfernt hatten, reinigte mit einem Dampfstrahler die Kacheln sowie die Dielenböden, entlüftete den rostigen Heizkörper, der noch funktionierte, desinfizierte den Kühlschrank. Wir tünchten die Wände, Decken und Stützbalken weiß. Zu viert hievten wir das Sofa aus dem Bus und über die Veranda ins Haus, das Tom organisiert hatte. Es war in einem einwandfreien Zustand. Der Sergeant verabschiedete sich. Während Matthew und Ray mit dem Moped losfuhren, um vorne beim Drugstore Cola und Hot Dogs zu holen, half ich Tom beim Anschrauben der Halogenstrahler. Ein Dimmer tauchte den Raum in eine heimelige Atmosphäre.
»Der Schuppen braucht einen Namen«, sagte Ray, als er mit Matthew zurückkam. »Was haltet ihr von Woodstock?«
»Gefällt mir«, sagte ich spontan. »Prima Idee.«
»Wieso Woodstock?«, fragte Matthew.
»Ich wäre so gern dabei gewesen«, sagte Ray und schwärmte von Janis Joplin.
»Kennst du die?«, raunte Matthew mir zu. Es hätte mich gewundert, wenn er schon einmal etwas von ihr gehört hätte. Ich klärte ihn auf. Und er räumte ein: »Ich verstehe aber immer noch nicht, was das alles hier mit Woodstock zu tun hat?«
»Es ist symbolisch, Matt«, kommentierte Ray, »soll den Geist brüderlicher Gemeinschaft vermitteln, den der Liebe und des Friedens.«
»Gib mir lieber einen Hot Dog«, forderte Tom.
Ray reichte ihm einen. »Ich finde die Idee der Hippies gut.«
Ich starrte Ray an. Es gelang mir nicht einen Lachanfall zu unterdrücken, denn neuerdings verpasste sein Vater ihm einen Bürstenhaarschnitt. Ich ließ mich rücklings auf das