Gefahren - Abwehr. Jürgen Ruhr

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Название Gefahren - Abwehr
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742716774



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ein: „Welche Farbe hatte der Koffer denn und wie groß war er ungefähr?“

      Das wären auch meine nächsten Fragen gewesen.

      „So silbern“, erklärte Weser. „Wie Alukoffer halt aussehen. Und er war so groß.“ Weser riss die Arme auseinander und stieß dabei mein Wasserglas um. Lauwarmes Leitungswasser, reichlich ausgestattet mit Kalkresten, ergoss sich über meine Hose. Entgeistert blickte ich auf meine nassen Hosenbeine.

      „Oh, das tut mir aber Leid“, seufzte der Alte grinsend, machte aber keine Anstalten ein Handtuch oder etwas Ähnliches zu holen. Zum Glück war das Glas nicht zersprungen und ich musste an meinen Spiegel denken. Hatte man eigentlich auch Unglück, wenn so ein Spiegel nur von der Wand fiel? Es kam mir fast so vor, denn vielleicht war dies hier alles die Strafe dafür, dass er heruntergefallen war. Mit der bloßen Hand wischte ich über den feuchten Stoff, bewirkte aber nichts.

      „Fällt ihnen sonst noch etwas zu dem Sch... Koffer ein? Was war denn eigentlich da drin?“, erkundigte ich mich schlecht gelaunt. Es wurde Zeit, das Weite zu suchen.

      Weser räusperte sich und setzte eine verschwörerische Mine auf: „Ich musste ja nach Polen reisen, weil eine entfernte Tante von mir gestorben war und ich zu den Miterben gehöre. Wir haben uns in dem Haus der Tante getroffen und alles aufgeteilt, was wir gebrauchen konnten. Allerdings war das hauptsächlich alter Krempel, die Tante musste ein wenig verschroben gewesen sein. Ich habe mich entschieden, einige Vasen und hauptsächlich Heiligenbilder und so etwas mitzunehmen. Vielleicht sind die Sachen ja sogar wertvoll und ich kann sie irgendwo verkaufen. Aber jetzt sind sie weg, verschwunden mit meinem Koffer zusammen. Mehr weiß ich aber auch nicht.“

      „Gut, schönen Dank, Herr Weser. Für alles“, fügte ich mit einem Blick auf meine Beinkleider hinzu und erhob mich. „Wir kümmern uns darum. Sobald ich etwas Näheres erfahren habe, melde ich mich wieder bei ihnen.“

      Zum Glück tat es mir der Praktikant nach und wir folgten Weser zur Haustür. „Ich habe auch Kaffee“, fiel dem Mann im Hausflur plötzlich ein. „Kennen Sie schon meinen Kaffeeautomaten?“

      „Herr Weser, wir gehen jetzt. Immerhin muss ich ja noch ein wenig arbeiten. Und ihre Kaffeemaschine kenne ich schon, es sei denn sie besitzen inzwischen eine neue. Aber dazu kommen wir dann vielleicht ein andermal.“ ‚Oder besser nie‘, fügte ich in Gedanken hinzu.

      Wir verabschiedeten uns, wobei Weser mich kurz zur Seite nahm. Ich dachte, jetzt will er mir irgendetwas über den Praktikanten sagen, doch der Alte raunte mir zu: „Im Vertrauen, Herr Lösers. Warum tragen sie diesen schrecklichen Bart? Müssen sie etwas überdecken im Gesicht? Haben sie am Ende Hämorrhoiden am Mund?“

      „Hämorrhoiden?“, fragte ich und sah Weser fragend an. Was meinte der Alte denn jetzt wieder?

      „Ja, diese Bläschen, die man schon mal am Mund hat.“

      „Sie meinen Herpes“, stellte ich klar. „Nein, Herr Weser. Das habe ich nicht. Der Bart ist eine reine Männerzierde.

      „Wenn ihr Rasierer defekt ist, kann ich ihnen gerne einen von meinen leihen. Ich habe mehrere davon“, bot er großzügig an, während er mich durch das Tor schob und es krachend hinter mir zuschlagen ließ. Dann drehte sich der Schlüssel im Schloss und Weser war verschwunden. Ich atmete erleichtert auf.

      „So, jetzt ab ins Büro. Du kannst dann ja Jennifer wieder zur Hand gehen. Ich wandte mich Richtung Straße, als uns eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter entgegenkam. Vorlaut verkündete die Göre, als sie mich erblickte: „Du Mama, hat der Onkel da in die Hose gemacht?“

      Die Mutter sah mich kopfschüttelnd an und erklärte ihrer Tochter so laut, dass wir es auch bestimmt verstehen mussten: „Ja, der Mann scheint Pippi in die Hose gemacht zu haben. So etwas passiert dir aber nicht mehr, du bist ja schon ein großes Mädchen.“ Immer noch kopfschüttelnd schob sie das kleine Mädchen in einem großen Bogen an uns vorbei.

      III.

      Ich lieferte Gisbert am Krav Maga Studio ab und begab mich direkt zum Gebäude unserer Detektei. Mit der nassen Hose wollte ich mich nicht auch noch dem Spott der Kollegen und Jennifer aussetzen.

      Seufzend betrat ich mein Büro, das ich mir leider inzwischen mit Birgit teilen musste. Seitdem sie von unserer Sekretärin zur festen Mitarbeiterin in der Detektei und im Personenschutz aufgestiegen war, okkupierte sie regelmäßig meinen Sessel. Jetzt aber ließ ich mich erschöpft hineinfallen, schloss für ein paar Sekunden die Augen und rekapitulierte meinen neuen ‚Fall‘.

      Ich musste ein wenig eingenickt sein, denn die Türklingel riss mich aus meinen Gedanken und jagte mir einen mächtigen Schreck ein. Fast wäre ich von meinem Chefsessel gefallen. Die Gedanken an Sonne, Strand, gutes Essen und Meerwasser verdrängend, schlurfte ich zum Eingang. Wer mochte mich jetzt stören? Normalerweise verliefen sich keine Kunden hierhin. Misstrauisch blickte ich durch die Glastür und erkannte einen heftig gestikulierenden Praktikanten.

      Gisbert!

      Verdammt, was verschlug den Kerl denn jetzt hierhin? Wenn Bernd mir etwas mitteilen wollte, konnte er mich doch anrufen. Jetzt klopfte der Praktikant mit seinen Fingerknöcheln sogar gegen die Tür und bedeutete mir, ihm aufzuschließen. Innerlich musste ich grinsen. Wie war das früher in den guten alten Zeiten? Man hatte sich mit Auszubildenden oder Praktikanten einen Scherz erlaubt. Zur Einführung in das Berufsleben quasi. Ich sah keinen Grund, warum es Gisbert nicht anders ergehen sollte.

      Nachdem er erneut gegen das Glas klopfte, ruderte ich ebenfalls mit beiden Armen wild in der Luft herum und deutete auf das Türschloss. Gisbert nickte schließlich verstehend und wandte sich um. In diesem Moment klingelte das Telefon in der Halle.

      „Detektei Argus, Jonathan Lärpers am Apparat“, meldete ich mich und hörte ein leises Glucksen am anderen Ende. So als würde jemand ein Lachen nur mühsam unterdrücken.

      „Jonathan, würdest du bitte die Türe aufschließen?“, erklang Gisberts Stimme.

      Jetzt musste ich fast lachen. Mein Plan stand fest: „Das geht leider nicht“, erklärte ich. „Der Schlüssel ist abgebrochen und jetzt bin ich hier gefangen und kann die Tür nicht öffnen.“ Das dürfte genügen, damit der Kerl wieder zurück zu Jennifer ging.

      „Ach so, das ist natürlich schlecht. Warte, ich rufe einen Schlüsseldienst.“

      Schon unterbrach er das Gespräch. Einen Schlüsseldienst verständigen? Das hatte mir noch gefehlt! Hastig stürmte ich zur Tür und klopfte dagegen. Gisbert wandte sich verwundert um. Ich konnte erkennen, dass er gerade dabei war, in seinem Adressbuch im Telefon nach einer Rufnummer zu suchen. Erneut klopfte ich und deutete auf das Schloss. Dann schüttelte ich den Kopf und griff rasch zu dem Schlüssel, der dort steckte. Ich würde nicht darum herumkommen, ihm doch zu öffnen.

      Immer noch in Eile, dass der junge Praktikant auch ja nicht den Schlüsseldienst rufen würde, zerrte ich an dem Schlüssel. Mit einem leisen Knirschen brach er auseinander, wobei eine Hälfte im Schloss verblieb. Entgeistert starrte ich auf den anderen Teil in meiner Hand.

      Gisbert, der mich beobachtete, nickte und formte mit Daumen und Zeigefinger das OK - Zeichen. Dann wählte er die Nummer des Schlüsseldienstes.

      Eine Stunde und fünfzehn Minuten später - pünktlich zum Ende meiner Mittagspause - stand Gisbert mir in meinem Büro gegenüber. Der Mann vom Schlüsseldienst - ständig blickte er grinsend auf den Fleck auf meiner Hose - war zufrieden abgerauscht, nachdem ich die Übernahme aller Kosten durch unsere Firma mit meiner Unterschrift bestätigt hatte. Immerhin musste das alte Schloss aufgebohrt und ersetzt werden. Es lag jetzt auf meinem Schreibtisch, zusammen mit dem Durchschlag des Arbeitszettels.

      „Bernd schickt mich zu dir“, begann Gisbert jetzt. „Er meint, ich solle die gesamte Zeit über, die du an dem Auftrag arbeitest, an deiner Seite bleiben und Praxiserfahrung sammeln. Longum iter est per praecepta, breve et efficax per exempla.“

      Ich stöhnte gequält auf. Wollte Bernd mich eigentlich in den Wahnsinn