Gefahren - Abwehr. Jürgen Ruhr

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Название Gefahren - Abwehr
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742716774



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ablehnen, nur weil dir der Mann nicht gefällt. Wäre es etwas Unmoralisches, dann sähe die Sache anders aus, aber so ...“

      „Weser ist unmoralisch“, murrte ich und fing mir einen strafenden Blick ein. „Meine ich ja nur“, ruderte ich kleinlaut zurück. „Kann denn Jennifer so etwas nicht machen? Ich stelle mich auch so lange an die Rezeption.“

      Bernd schüttelte nur den Kopf.

      Und dann schoss mir die Lösung durch den Kopf: „Das kann doch auch der Praktikant übernehmen, dieser Ohrkrach!“

      „Der Junge heißt Gisbert Orbach und ist Schüler am Odenkirchener Gymnasium. Erwartest du von mir, dass ich einen siebzehnjährigen Schüler ohne irgendwelche detektivische Erfahrung hinausschicke?“

      Ich sah Bernd nur an. Natürlich war das richtig, was er sagte. Aber würde Gisbert nicht einfach Herrn Weser fragen können, worum es ging und mir dann alles berichten? Ich wollte Bernd meine Gedanken mitteilen, als der mich angrinste und meinte: „Natürlich, das ist die Lösung. Jonathan, manchmal sind deine Ideen gar nicht so schlecht. Na ja, zumindest teilweise ...“

      Ich jubelte innerlich. Bernd schien den gleichen Gedanken wie ich gehabt zu haben. Ja, wir verstanden uns halt auch ohne viele Worte. Bernd, mein Freund und Chef und ich.

      „Also, so machen wir es: Ich eise Gisbert bei Jennifer los und du nimmst ihn mit zu Herrn Weser. Eine bessere Einführung in die Praxis der Detektivarbeit kann der Junge kaum bekommen.“

      Mir fiel die Kinnlade herab und ich musste Bernd ziemlich entgeistert angesehen haben, denn der lachte plötzlich laut auf: „Na, na, Jonathan. So schlimm wird es schon nicht werden. Weser ist doch eigentlich ganz nett und Gisbert ein ziemlich patenter junger Mann. Also schließe den Mund ruhig wieder und höre mir zu: Die Sache dürfte ein Klacks für dich sein, quasi wie Urlaub nach dem Urlaub. Und völlig ungefährlich ist es dazu. Weser ist vergangene Woche am Samstag mit dem Flugzeug aus Lublin am Flughafen Düsseldorf angekommen. Als er sein Gepäck abholen wollte, fehlte sein Koffer. Wenn ich den Mann richtig verstanden habe, handelt es sich bei dem Inhalt um irgendwelche Antiquitäten, die er von einer entfernten Tante geerbt hat. Aber das kann er dir ja alles haarklein selber erklären. Jedenfalls musst du pünktlich um elf Uhr bei ihm sein.“

      „Dublin, liegt das nicht in Irland?“, fragte ich und freute mich auf einen Kurzurlaub. Wenn ich den Koffer suchen müsste, dann bestimmt dort. Nur den Praktikanten sollte ich vorher wieder loswerden, denn ein paar Tage auf der Suche nach dem Koffer wollte ich schon alleine verbringen ...“

      „Ja, Jonathan, Dublin liegt in Irland. Allerdings sprach ich von Lublin und die Stadt liegt in Polen. Doch das spielt eigentlich keine Rolle, denn deine Recherchen kannst du von hier aus führen. Der Koffer wird wohl in Düsseldorf verloren gegangen sein. Du informierst unseren Praktikanten und achtest darauf, dass der junge Mann auch etwas lernt. Ich mache mir eigentlich keine Sorgen, die Sache dürfte völlig ungefährlich sein. Aber egal wie: Bringe Gisbert auf keinen Fall in Gefahr.“

      „Na ja, das wird ja auch schwer werden, bei der Suche nach dem verlorenen Koffer. Vermutlich war Weser einfach zu dusselig gewesen, ihn vom Laufband zu nehmen oder hat nicht lange genug gewartet.“

      „Möglich ist alles, Jonathan. Weser wusste auf jeden Fall nicht weiter und hat sich an uns gewandt. Also seid nett - oder wenigstens freundlich - zu dem Mann und benehmt euch.“

      „Alles klar, Boss. Über mich wirst du keine Klagen hören. Auch wenn Weser sich lieber selbst um seinen Koffer kümmern sollte ...“

      Bernd warf einen Blick auf die Uhr an der Wand: „Dann los, Jonathan. Informiere Gisbert und danach machst du deine Begrüßungsrunde durchs Haus. Nach drüben in die Detektei brauchst du gar nicht erst zu gehen, da ist niemand. Es sei denn, du hast Sehnsucht nach deinem Schreibtisch ...“

      Ich nickte und erhob mich. Mein Schreibtisch konnte warten, ins Büro dort drüben zog es mich erst einmal nicht. Die Zeit ließ sich besser nutzen, um einige informative Schwätzchen mit meinen Kollegen zu führen. Ich wandte mich schon zur Tür, als Bernd noch meinte: „Ach ja, bevor ich es vergesse: Dozer erwartet dich heute um sechzehn Uhr zum Training. Er hat zu dem Zeitpunkt einen Kurs und für dich einen Platz freigehalten. Und nach der Menge an Brötchen, die du eben gegessen hast, wird dir vernünftiges Kampftraining nicht schaden.“

      Ich grinste: „Mit ‚vernünftig‘ meinst du doch bestimmt, dass Dozer mich wieder einmal hart ran nehmen wird.“

      Als ich in die Eingangshalle des Krav Maga Studios kam, nickte Jennifer mir schon zu. Offensichtlich hatte Bernd sie zwischenzeitlich über unseren Einsatz unterrichtet. „Wo isser denn?“, fragte ich salopp und sah mich suchend nach dem Praktikanten um.“

      „Du meinst Gisbert? Der zieht sich kurz um, da er nicht in Jeans zu unserem Klienten will. Ich habe ihn schon ein wenig informiert. Gisbert freut sich auf den Außentermin.“

      „Ja, wunderbar“, seufzte ich, „ich freue mich auch die Nervensäge Weser wiederzusehen. Der Alte ist ein Nagel zu meinem Sarg. Erinnerst du dich noch, wie Christine durch seine Schuld den schweren Unfall hatte?“

      „Ja natürlich. Aber es hat ihm auch sehr leidgetan und im Grunde war es ja nur eine Verquickung von unglücklichen Umständen. Du solltest nicht so streng mit dem alten Herrn sein. Wir haben alle unsere Macken ...“

      „Hmm“, brummte ich nur, da der Praktikant in diesem Moment zu uns trat. Der junge Mann trug jetzt ein dunkelblaues Sportsakko, auf dem ein dezentes Yachtclubemblem prangte. Die Hose war farblich auf das Sakko abgestimmt und verfügte über einen legeren Schnitt. So stellte ich mir einen jungen Protzschnösel vor und als ich die ebenfalls blauen Bootsschuhe an seinen Füßen sah, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich spürte schon förmlich, wie der biestige Weser sich über dieses Outfit lustig machen würde. Eine gewisse Vorfreude stieg in mir auf.

      II.

      Gisbert stellte sich als ein ruhiger Geselle heraus, der kaum ein Wort zu viel verlor. Vielleicht lag es aber auch daran, dass meine Laune in Hinblick auf die Begegnung mit Weser schon nach kurzer Zeit fast am Nullpunkt anlangte und ich auch keinen Hehl daraus machte. Da half auch die Vorfreude auf Wesers Bemerkungen bezüglich des Praktikantenoutfits nichts.

      Ich klingelte erneut und blickte auf meine Uhr. Zehn Uhr achtundfünfzig. Wir waren pünktlich. Aber niemand öffnete. Befand sich Weser überhaupt im Haus?

      Ich blickte an dem alten Fachwerkhaus hoch, das mit der Giebelseite an einem kleinen Fußweg stand. Zur Straße hin schottete eine ungepflegte überdimensionierte Mischhecke das Grundstück ab. Alles sah immer noch so ungepflegt aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Bei Weser schien die Zeit stillzustehen. Einmal, als Chrissi und ich, wegen Recherchen hier bei ihm gewesen waren, hatte der alte Mann aus einem der oberen Giebelfenster geschaut und uns beobachtet. Aber diesmal stand dort kein Herr Weser. Alles schien verlassen und leer. Hatte der Mann unseren Termin vergessen?

      Wieder drückte ich den Klingelknopf und wartete eine Weile.

      Und wieder geschah nichts. Inzwischen rückte der große Zeiger meiner Uhr bedenklich auf die Fünfzehn. Offensichtlich war der alte Mann wirklich nicht zu Hause.

      „Wir verschwenden nur unsere Zeit“, knurrte ich und meine Laune sank weit unter den Nullpunkt.

      „In magnis et voluisse sat est“, meinte mein junger Praktikant und grinste mich an. Fast hätte ich ihm gezeigt, was ein echter Uppercut ist, erinnerte mich dann aber an Bernds Worte und fragte lediglich: „Was für eine magische SAT?“

      Gisbert lachte und wiederholte: „In magnis et voluisse sat est. Das bedeutet: Im Großen ist es auch genug, gewollt zu haben. Wir haben es halt versucht ...“

      Ich stöhnte auf. Wen interessierte jetzt schon dieser dämliche lateinische Quatsch? „Klugscheißer“, gab ich von mir und sprach diesmal wesentlich lauter und deutlicher als zuvor im Krav Maga Studio. Jennifer sollte schnellstmöglich ihren Besserwisser - Praktikanten zurückerhalten. Ich plante gerade zum Studio zurückzufahren und Gisbert dort