Erzählen-AG: 366 Geschichten. Andreas Dietrich

Читать онлайн.
Название Erzählen-AG: 366 Geschichten
Автор произведения Andreas Dietrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753171944



Скачать книгу

geht nicht. Dafür ist kein Platz. Ich muss auf die Straße ausweichen. Das ist klar. Ich könnte direkt vom Radweg auf die Straße fahren. Nur die Bordsteinkante wäre mir im Weg. Doch ich lasse es. Ich bremse ab. Dann steige ich vom Fahrrad ab und betrete zu Fuß die Straße.

      Zum Glück ging ich zu Fuß. Die Straße war stellenweise glatt. Wäre ich hinuntergefahren, wäre ich wohl hingeflogen. So aber umgehe ich das Streufahrzeug. Nachdem es hinter mir ist, betrete ich wieder den Radweg und setzte meinen Weg zur Schule fort. Gegen sieben Uhr dreißig werde ich dort sein. Das ist der Normalfall in den Wintermonaten und bis jetzt kam ich nie zu spät.

      Neunundzwanzigster Januar

      Vieles im Leben muss sein. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen es tun. Wir können theoretisch den ganzen Tag im Bett verbringen. Müssen wir aber nicht. Wenn wir genug Geld haben, müssen wir auch nicht arbeiten. Den Arzt müssen wir nicht besuchen, wenn wir krank sind. Ob es uns ohne Arzt besser geht, ist eine andere Frage.

      Zwei Dinge müssen wir aber tun. Nein, eigentlich sind es drei. Wir müssen atmen. Ohne Luft können wir nicht leben. Doch Luft reicht nicht. Unser Körper kann ohne Energie nicht arbeiten. Unser Körper braucht Essen und Trinken. Trinken ist wohl wichtiger als Essen. Wir verdursten bevor wir verhungern. Doch ohne Essen wird unserem Körper früher oder später Energie fehlen.

      Wir müssen also einkaufen gehen. Wie oft wir in den Supermarkt gehen, ist unterschiedlich. Manche besuchen den Supermarkt mehrmals in der Woche. Zu Fuß bringen sie das Eingekaufte nach Hause. Wer ein Auto besitzt, fährt theoretisch seltener einkaufen. Sollte die Familie groß sein, so kann dies natürlich anders aussehen.

      Ich lebe allein. Ich habe weder eine Frau noch Kinder. Mit einem Auto würde ich nur einmal pro Woche zum Supermarkt fahren. Wenn überhaupt. Ich besitze aber kein Auto. So gehe ich immer zweimal in der Woche einkaufen.

      Fast immer kaufe ich Getränke und Brötchen. Einmal pro Woche kaufe ich auch Obst und Gemüse ein. Dass ich nicht mehr als zweimal pro Woche einkaufen gehe, das liegt an einer Kleinigkeit. Mittagessen koche ich zu Hause nicht. Mittags wird auf der Arbeit immer bestellt. Am Wochenende gibt es Pizza oder ein belegtes Brötchen. Wäre dies nicht der Fall, dann müsste ich öfters einkaufen.

      So aber bin ich nur zweimal pro Woche einkaufen. Heute ist wieder ein Einkaufstag. Heute sind wieder einmal Obst und Gemüse dran.

      Die Obst- und Gemüseabteilung befindet sich am Anfang des Supermarktes. Dort gibt es Äpfel und Zitronen. Auch Bananen und Weintrauben kann ich dort einkaufen. Kartoffeln und Möhren werden ebenfalls angeboten.

      Die Auswahl ist groß. In den anderen Jahreszeiten ist die Auswahl noch größer. Dann gibt es auch Birnen, Erdbeeren, Himbeeren und Pflaumen. Diese kann ich heute nicht kaufen.

      Ich umrunde die Regale für Obst und Gemüse. Was kaufe ich heute? Eine Gurke für einen Gurkensalat? Lieber nicht, die letzte Gurke vor einigen Tagen war nicht die Beste. Aber Tomaten sind in Ordnung. Heute Abend gibt es Tomatensalat. Zwiebeln habe ich noch zu Hause. Mehr brauche ich an Gemüse für heute nicht.

      Was darf es an Obst sein? Ich werde mal wieder bei den Äpfeln zuschlagen. Von allen Sorten einen Apfel. Fünf Bananen kommen dazu. Fünfhundert Gramm blaue Weintrauben dürfen es ebenfalls sein. Das sollte an Obst erst einmal reichen.

      Es kann mit dem normalen Einkauf weitergehen. Alles kommt in den Einkaufswagen hinein. Den Einkaufswagen schiebe ich bis zur Kasse. Die Waren kommen nun auf das Band. Nach dem Scannen kommen die Waren für einen kurzen Moment zurück in den Einkaufswagen. Ich bezahle, dann schiebe ich den Einkaufswagen einige Meter weiter.

      Nun ist es Zeit, das Eingekaufte einzupacken. Einen Rucksack habe ich beim Einkauf immer dabei. Dort hinein kommen die bezahlten Waren. Selten passen alle Waren in den Rucksack. Das ist aber auch nicht schlimm. Im Rucksack habe ich auch noch eine große Plastiktüte. Darin kommt der Rest. Dann geht es zu Fuß nach Hause.

      Dreißigster Januar

      Wir haben Januar. Wer auf den Kalender schaut, erkennt es. Es wird erst sehr spät hell. Es wird früh wieder dunkel. Der helle Tag ist also nur kurz und doch müssen wir alle arbeiten. Egal, ob es hell oder dunkel ist. Egal, ob es Sommer oder Winter ist. Ein Arbeitnehmer kann nicht einfach so zu Hause bleiben.

      Auch ich nicht. Am frühen Morgen muss ich hinaus. Ob ich will oder nicht. Für mich heißt es, um sechs Uhr aufzustehen, während die Sonne noch schläft. Ich gehe sogleich in die Küche. Ich bereite das Frühstück vor. Ich lege mir meine zwei Toastscheiben zurecht. Hole Marmelade und das benötigte Besteck heraus. Dann befülle ich die Kaffeemaschine mit Kaffee und Wasser. Ich schalte die Kaffeemaschine an und gehe ins Bad.

      Im Bad angekommen, dusche ich. Danach ziehe ich mich an und gehe wieder in die Küche. Der Kaffee ist fertig. Ich schmiere mir meine zwei Toastscheiben und dann kann mein Frühstück beginnen. Anschließend geht es noch einmal ins Bad. Jetzt putze ich mir meine Zähne.

      Drei Minuten später schnappe ich mir meinen Rucksack. Ich ziehe mir meine Winterjacke an und verlasse die Wohnung. Hinter mir schließe ich die Türe ab und gehe in den Keller. Dort steht mein Fahrrad. Es ist für mich die einzige, schnelle Möglichkeit zur Arbeit zu gelangen. Eine Straßenbahn gibt es nicht. Ein Bus fährt nicht. Einen Führerschein besitze ich nicht.

      Glücklicherweise habe ich es nicht weit. Es sind nur vier Kilometer bis zur Arbeit. Die Strecke ist schnell geschafft. Im Frühling wie im Sommer. Im Herbst und im Winter. Auch wenn es schneit, auch wenn es kalt ist. Ich bin dann nur etwas langsamer. Wenn es glatt sein sollte natürlich noch langsamer.

      Es hat heute nicht geregnet, doch trotzdem kann es glatt sein. Es hat in den letzten Tagen immer wieder geschneit. Nicht überall wurde der Schnee vollständig geräumt. Da es in der letzten Nacht schneite, sind auch heute Räumfahrzeuge unterwegs.

      Auf den ersten zwei Kilometern kommt mir auf dem Radweg kein Fahrzeug entgegen. Auch ein anderer Radfahrer kommt mir nicht entgegen.

      Nach zwei Kilometer muss ich eine Überführung überqueren. Es geht vierhundert Meter nach oben und dann wieder nach unten. Dazwischen ist eine Brücke. Eine Brücke, unter der Züge fahren. Eine Brücke, auf der mir ein Fahrzeug auf dem rechten Radweg entgegenkommt. Es ist ein Räumfahrzeug.

      Für uns beide ist kein Platz. Es ist nur ein schmaler Radweg vorhanden. Ich bremse ab. Ich sehe mich um. Von hinten kommt kein Fahrzeug. So steige ich vom Rad ab und betrete die Fahrbahn. Zum Glück bin ich den kleinen Absatz nicht hinuntergefahren. Die Straße war an dieser Stelle etwas glatt. Ich hätte mich sicher gepackt. Noch einmal Glück gehabt!

      Nachdem ich das Räumfahrzeug umkurvt habe, betrete ich wieder den Radweg. Ich steige auf mein Rad und fahre rund vierhundert Meter bergab. Noch etwas mehr als tausend Meter muss ich anschließend noch fahren. Dann bin ich auf Arbeit. Dort stelle ich hinter dem Haus mein Fahrrad ab und schließe es an. Punkt sieben Uhr beginnt offiziell meine Arbeit. In der Regel bin ich immer früher dort. Nur wenn es glatt ist, dann verspäte ich mich. Dies geschieht aber nur selten. Zum Glück.

      Einunddreißigster Januar

      Morgen hör ich auf, Alkohol zu trinken. Ich bin mir sicher, heute das letzte Mal zu trinken. Ab morgen wird sich alles ändern. Wirklich alles. Morgen ist der Januar Geschichte. Morgen beginnt der Februar und ich werde den Alkohol nicht mehr anrühren. Versprochen.

      Die Kiste Bier, die ich noch in der Küche habe, werde ich heute noch trinken. Alle sieben Flaschen. Mir bleiben ja noch etwas mehr als drei Stunden. Drei Stunden für sieben Flaschen sollten schaffbar sein. Zwei Flaschen pro Stunde schaffe ich sicher. Ich habe doch schon mehr geschafft. Das weiß ich ganz genau.

      Die drei Kisten Bier, die im Keller stehen, werde ich heute aber nicht anrühren. Morgen schon. Ich werde sie ein paar Kumpels geben. Diese hören morgen nicht auf, Alkohol zu trinken. Sie werden sich über den Alkohol sicher freuen. Da tu ich etwas Gutes. Für meine Freunde und für mich.

      Mein Arzt hatte mir letztes Jahr geraten, nicht mehr zu trinken.