Erzählen-AG: 366 Geschichten. Andreas Dietrich

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Название Erzählen-AG: 366 Geschichten
Автор произведения Andreas Dietrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753171944



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ein Textilfachgeschäft.

      Es geht sofort hinein. Auf der Suche nach Mützen, Schals, Handschuhen und einer dicken Winterjacke. Der Laden wird komplett auf den Kopf gestellt. Es werden viele Jacken und Mützen anprobiert. Viele passen nicht. Sehen nicht so toll aus, wie anfangs gedacht. Trotzdem verlassen wir nicht umsonst dieses Geschäft. Einen weiß-grau-schwarzen Schal nehmen wir mit. Den Kassenzettel lassen wir uns natürlich geben. Wir wollen ja noch in andere Textilgeschäfte.

      Wir brauchen nicht nach links gehen. Dort gibt es nur einen Supermarkt, einen Bäcker, einen Blumenladen und eine Möbelausstellung. Nichts davon brauchen wir. So gehen wir nach rechts. Wir klappern einige kleine Textilläden ab. Probieren dies und das an. Doch allzu viel kaufen wir nicht. Eine Mütze, einen Schal und ein Paar Handschuhe haben wir erst.

      Ein Sportfachgeschäft gibt es im Einkaufszentrum auch. Auch dort gehen wir hinein. Wir brauchen keinen Sportartikel, doch in diesem Geschäft gibt es auch ein paar Handschuhe. Dicke Winterhandschuhe. Wir probieren einige an. Zwei davon passen und gefallen uns. Diese werden gekauft.

      Im Textilladen gegenüber geht das Shopping weiter. Dort finden wir unter Anderem eine tolle Winterjacke. Doch nicht nur das. Auch eine Jeans wird gekauft. Sie ist zwar nicht im Angebot. Nicht Teil des Winterschlussverkaufes, aber das macht ja nichts. Wenn Frau in Shoppinglaune ist, dann wird das gekauft, was Frau für nötig hält. Auch wenn im Schrank schon drei Mützen liegen, zwei Paar dicke Handschuhe, zwei dicke Winterjacken und ein grau-schwarzer Schal. Im Kleiderschrank ist noch Platz. Dort passt noch einiges hinein. Notfalls müssen die Kleider des Mannes umziehen. In einen anderen Schrank. In den Keller oder sonst wohin. Hauptsache Frau hat Platz in ihrem Kleiderschrank, oder?

      Siebenundzwanzigster Januar

      Kurz vor den Winterferien zog ich um. Mal wieder. Meist zogen ich und meine Eltern innerhalb der Stadt um. Nur zweimal war dies anders. Nachdem ich die sechste Klasse abschloss, zogen wir in eine andere Stadt. Nachdem ich ein halbes Jahr in der elften Klasse war, zogen wir zurück in diese Stadt.

      Es war Ende Januar als ich den ersten Tag in der neuen Schule verbrachte. Es war ein kleines Wiedersehen. Eine gute Freundin, die ich bis zur sechsten Klasse hatte, sah ich wieder. Sie war in der selben Tutorgruppe wie ich. Sie hatte wie ich Deutsch als Leistungskurs. Während Biologie mein zweiter Leistungskurs war, war sie auch noch im Leistungskurs Mathe. Sonst hatten wir aber fast die gleichen Kurse. Ich machte Kunst und sie Musik. Gemeinsam machten wir Russisch. Gemeinsam waren wir im Physikkurs.

      Damals in der sechsten Klasse war sie nur eine gute Freundin. Jetzt wurde sie meine beste Freundin. Wir unternahmen vieles gemeinsam. Ich begleitete sie im Sommer fast jeden Tag nach Hause. Manchmal zu Fuß. Im Sommer meistens mit Fahrrad. Ich fuhr immer Fahrrad. Sie nicht.

      Ich war knappe sieben Kilometer von der Schule entfernt. Zu Fuß würde ich viel zu lange brauchen. Mit Fahrrad war ich schneller. Bus und Bahn hätte ich auch nehmen können, doch dann wäre ich abhängig gewesen. So gut waren die Fahrzeiten nicht. Mittags konnte ich alle dreißig Minuten nach Hause fahren. Früh morgens oder am Nachmittag musste ich eine Stunde warten, wenn ich den Bus verpasste. Da fuhr ich lieber mit dem Rad. Meine Gesundheit sollte darunter gewiss nicht leiden.

      Meine beste Freundin hatte es nicht so weit. Sie musste nur knapp zwei Kilometer laufen. Gut sie lief selten. Wenn sie lief, dann nur zur Straßenbahnhaltestelle. Sie fuhr zwei Stationen weiter und lief noch ein kurzes Stück. Dann war sie zu Hause. Wenn es nicht regnete, wenn es nicht schneite, wenn es nicht kalt war, dann fuhr sie mit dem Rad zur Schule.

      Auf dem Schulhof gab es einige Fahrradständer. Dort stellten wir unsere Fahrräder ab. Wenn die Schule aus war, begleitete ich meine beste Freundin. War sie mit dem Fahrrad unterwegs, begleitete ich sie bis zu sich nach Hause. War schlechtes Wetter, so lief meine beste Freundin zur Straßenbahnhaltestelle. Ich begleitete sie. Ich lief neben ihr und schob mein Fahrrad.

      Doch nicht immer, wenn schlechtes Wetter war, fuhr meine beste Freundin mit der Straßenbahn. Manchmal musste sie zur Bank oder zu einer Freundin. Da beides in der Nähe lag und nur schwer mit Bus oder Bahn zu erreichen war, lief sie. In den meisten Fällen begleitete ich meine beste Freundin. Bis zu ihrer Freundin. Von dort fuhr ich dann mit dem Rad nach Hause. Wenn meine beste Freundin zur Bank musste, so wartete ich kurz vor der Bank. Dann ging es weiter zu ihr nach Hause.

      Meistens begleitete ich meine beste Freundin nur nach Hause und fuhr dann gleich zurück zu meinem Zuhause. Manchmal verbrachten wir auch den Nachmittag bei ihr. Besonders vor Klassenarbeiten oder anderen Prüfungen. Wir lernten zusammen. Zusammen waren wir erfolgreich. Eine gute Note war uns meist sicher. Wenn wir gemeinsam lernten, konnten wir eine sehr gute Note erreichen.

      Wir Beide waren ein gutes Team. Bis zur sechsten Klasse. Wir waren ein sehr gutes Team ab der elften Klasse. Doch wir sollten nicht ewig ein sehr gutes Team sein. Wir sollten mehr sein. Irgendwann zu mindestens.

      Achtundzwanzigster Januar

      Ich erinnere mich zurück. Es war vor vielen Jahren. Es war vor sehr vielen Jahren.

      Damals war ich noch ein Schulkind. In die Grundschule ging ich nicht mehr. Ich war schon in der Sekundarstufe. Genauer gesagt war ich in der zehnten Klasse. Nur wenige Monate trennten mich von meinem ersten Schulabschluss.

      Seit anderthalb Jahren fuhr ich mit dem Rad zur Schule und wieder nach Hause. Vorher fuhr ich immer Bus. Anfangs stieg ich in den Bus und fuhr rund zehn Minuten. Nach fünf Minuten Laufen war ich auf dem Hof meiner Grundschule.

      Ab der siebenten Klasse war mein Schulweg weiter. Ich fuhr noch immer mit dem Bus. Ich fuhr noch immer rund zehn Minuten. Dann stieg ich aber in die Straßenbahn um. Mit ihr fuhr ich etwas mehr als zwanzig Minuten. Dann musste ich wieder laufen. Sieben Minuten später und zwei Straßenüberquerungen weiter war ich an meiner Hauptschule.

      Seitdem ich Schüler in der neunten Klasse bin, fahre ich mit dem Rad. Ich fahre im Frühling, wenn die Zugvögel wiederkommen. Ich fahre im Sommer, wenn die Sonne vom Himmel brennt. Ich fahre im Herbst, wenn der Wind die bunten Blätter zum Tanzen bringt. Ich fahre auch im Winter, wenn es schneit. Ich fahre bei Regen, Wolken und Sonnenschein.

      Mein Weg mit dem Rad zur Schule dauert natürlich länger als mit Bus und Bahn. Hin und zurück sind es für mich rund achtzehn Kilometer. Dies schaffe ich in einer Stunde. Der Hinweg ist dabei kürzer als der Rückweg. Dies liegt hauptsächlich daran, dass ich morgens durch die Innenstadt fahre. Viele Leute sind noch nicht unterwegs. Am Nachmittag ändert sich das aber. Die Innenstadt ist voll. Mit dem Rad dadurch zu kommen, gestaltet sich schwierig. Die Menschen stehen mir im Weg. Ich fahre lieber außen herum.

      Im Sommer kann ich von Zuhause etwas später losfahren. Dank Sonne, Wärme und der Abwesenheit von Schnee bin ich schneller. Jetzt haben wir aber Winter. Ich fahre also nicht erst um sieben Uhr los. Ich verlasse schon gegen sechs Uhr fünfundfünfzig das Haus und breche Richtung Schule auf.

      Wenn ich auf dem Rad sitze, fahre ich erst einmal rund dreihundert Meter geradeaus. Wenn die folgende Ampel Grün ist, brauche ich nicht anzuhalten. Die Gefahr des Wegrutschens ist geringer. Im Winter könnte es glatt sein.

      Nach der Ampel geht es für mich auf dem Radweg auf der linken Straßenseite Richtung Stadt. Der Radweg wurde schon gestreut, trotzdem rase ich nicht so wie im Sommer. Glatt werden kann es stellenweise immer wieder einmal und viel Licht gibt es gegen sieben Uhr noch nicht. Die Sicht ist eingeschränkt.

      Das Ortseingangsschild der Stadt erreiche ich nach rund anderthalb Kilometern. Knapp zweihundert Meter später wartet die nächste Ampel. Diesmal muss ich anhalten. Ich bremse vorsichtig ab.

      An der Ampel wechsle ich wieder die Straßenseite. Es ist eine Kreuzungsampel. An dieser Kreuzung stehe ich zweimal. Erst wechsle ich auf die rechte Seite, dann überquere ich eine Straße, die von rechts zur Kreuzung stößt.

      Nun erwartet mich ein Berg. Genauer gesagt ist es kein Berg. Es ist nur eine Bahnüberführung. Trotzdem geht es ganz schon aufwärts. Sand sehe ich hier nicht. Ein Streufahrzeug war hier noch nicht unterwegs. Noch nicht.

      Dies