Название | Nächstes Treffen Adria |
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Автор произведения | Johanna Kemme |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753189789 |
„Meinst du, du hältst bis zu diesem Nest da unten in Italien durch?“, blicken Tinas sonst so leuchtenden haselnussbraunen Augen Lena besorgt an. „Wird schon gehen!“, haucht Lena noch immer auf der Mauer liegend nicht wirklich auf dieser Welt, während Tina sich im Schneidersitz neben sie setzt und ihre Hand in der ihren hält.
Die Sonne hat nur langsam ein Erbarmen. Im Schneckentempo bewegt sie sich hinter der Hecke dem Horizont entgegen. Und die Hitze? Sie bleibt. Vor allem in Lena. Und ihr Kopf? Der pocht. Pocht noch mehr, weil nur wenige Meter von ihnen entfernt die unzähligen vorbeifahrenden Fahrzeuge ein nicht endendes Dauerrauschen verursachen. Dann aber nickt Lena ein, mit Tinas Hand in der ihren.
Nur ein junges Pärchen, das ebenfalls nach Italien will, steht noch vor ihnen. IT haben sie mit schwarzem Filzer auf ein Stück Karton geschrieben, in Druckbuchstaben, innen hohl. Es hätte wohl ewig gedauert, die großen Lettern mit dem dünnen Stift, der ihnen offensichtlich nur zur Verfügung stand, vollständig auszumalen. Erst wenn die beiden mit dem Schild weg sein werden aber, kann auch Tina ihren Daumen raushalten. Kurz nachdem sie sich mit Rainer und Jan in Warteposition an die Leitplanke der Ausfahrt gelehnt hat, erscheint noch ein junger Typ mit ziemlich viel Gepäck, der nach Österreich will. Er macht es sich hinter Jan auf dem Boden bequem, nachdem geklärt ist, dass alle hier in dieselbe Richtung wollen, denn so läuft das eben. Wer zuerst kommt, kommt auch zuerst wieder weg. Vordrängeln ist absolut nicht angesagt. Es sei denn, man möchte in eine ganz andere Richtung als die, die schon da sind oder in einen bestimmten Ort in der näheren Umgebung, in den sonst keiner der bereits Anwesenden will. Das sind die ungeschriebenen Tramperregeln, denkt Tina einmal wieder und findet, sie funktionieren ganz gut.
Entmutigt von der Frau, die sie auf der Landstraße hinter der Autobahnraststätte angehalten hatten, waren Rainer und Jan schnell wieder von ihrem Ausflug ins bayerische Land zurückgekehrt. Der nächste größere Ort, hatte diese ihnen berichtet, sei etwa zwölf Kilometer entfernt und die Apotheke dort nun sicher auch schon geschlossen. Damit, fanden die beiden, war klar, dass sie auf diesem Wege nichts zu Lenas Genesung hätten beitragen können.
„Was für eine geile Mitfahrgelegenheit!“, findet Jan in Anbetracht des viertürigen Audis, der kurz hinter dem Pärchen hält. Neidisch schauen Tina, Jan und Rainer zu, wie die beiden vor ihnen mit ihrem Gepäck in dem großen Wagen verschwinden, in diesem Audi, der sie glatt alle Vier hätte mitnehmen können, bis wohin er nun auch immer fährt. Aber immerhin haben sie nun ihrerseits ihre Chance, noch an diesem Abend wegzukommen, freut sich Tina und hält lächelnd ihren nach oben zeigenden Daumen am ausgestreckten Arm jedem Fahrzeug entgegen, das nun noch an ihnen vorbeikommt. „Du kannst ruhig etwas Abstand halten zu uns“, lächelt Jan sie sanft an. „Sonst denken die Fahrer noch, sie müssten uns alle drei mitnehmen.“ Da hat er Recht, wird Tina klar, denn Lena war ja für die Vorbeifahrenden nicht sichtbar, dort im Gras hinter der Leitplanke, wo sie lag.
So am Straßenrand platziert muss Tina einmal wieder an die Gefahren bei Trampen denken, auf welche sie ihre Eltern ja auch immer wieder aufmerksam machen. Und bei diesen Gedanken wünscht sie sich nun sehnlichst, dass ein LKW anhalten möge. Zum einen war die Chance, dass die Warentransporter noch eine lange Strecke zurücklegen mussten recht groß. Zum anderen, meint Tina, sind ihre Fahrer schließlich bei der Arbeit. Sie haben eine Ladung an ein Ziel zu bringen, Termine einzuhalten und auch sicher kein Interesse daran, ihren Job zu verlieren. Und das sind alles gute Gründe, davon ist sie überzeugt, warum von diesen Fahrern keine Gefahr ausgeht. Ungläubig starrt sie daher auch auf den großen Lastkraftwagen, der mit quietschenden Bremsen nun neben ihr langsam zum Stehen kommt, so ungläubig, dass Rainer und Jan lachen müssen über ihr verblüfftes Gesicht.
„Komm schnell! Der fährt nach Italien!“ hört Lena Tina aufgeregt rufen und rappelt sich mühsam hoch. „Und das Pärchen?“, hat sie wohl eine Zeit lang geschlafen. „Schon weg!“, macht Tina ihr deutlich, dass Eile geboten ist. Und tatsächlich! Der fette Brummi steht, die Beifahrertür offen, so quer auf der Ausfahrt, dass er den nachfolgenden Verkehr blockiert. Es wirkt, als hätte der Fahrer sich erst im letzten Moment entschieden, hier wen auch immer mitzunehmen. Die Jungs haben auch schon nach den Rucksäcken der Mädchen gegriffen, stehen damit bereits vor der Beifahrertür. Flink krabbelt Tina die steilen Stufen hinauf und zieht die länglichen Gepäckstücke, die Jan und Rainer ihr nach oben reichen, in den Fußraum der Fahrerkabine. Der Mann fährt schon an, noch bevor Lena richtig zum Sitzen kommen kann. „Gute Fahrt!“, sieht Lena Rainers ernsten Blick weit unter sich. Der macht sich wirklich Sorgen, denkt sie noch. „Wir sehen uns im Neuen Leben!“, hören sie Jans Stimme schließlich noch durch den kleiner werdenden Spalt zwischen der sich schließenden Tür und dem Führerhaus und dann fahren sie auch schon auf der Autobahn in die Nacht hinein weiter in Richtung Süden.
„Nach Italien?“, will Tina noch einmal ganz sicher sein, während sie und ihre Freundin noch damit beschäftigt sind, sich selbst und ihr Gepäck zu sortieren. „Ja, sicha, Italien!“, nickt der dunkelhaarige Fahrer, der noch recht jung zu sein scheint. „Bredisee.“ Was für ein Genuschel! Was für ein Akzent! Fragend schauen Tina und Lena ihn an. „Bredisee“ wiederholt er das Wort zu ihrem Leidwesen jedoch in genau derselben Betonung und wirft einen herausfordernden Blick aus seinen dunklen Augen auf seine Mitfahrerinnen. Tina, neben ihm, zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung!“- „Doch, doch!“, ist er sich aber sicher. „Adria. Bredisee. Seien große Stadt. Du kennst bestimmt!“ -„Brindisi?“, fragt Tina nach kurzer Überlegung, ungläubig, weil das ja nun wirklich nicht sein kann jetzt. „Ja!“, freut sich ihr Fahrer sichtlich, endlich verstanden worden zu sein. „Echt jetzt! Bis nach Brindisi?“ Fassungslos schauen sich die Mädchen an. „Oh man, da hätten wir jetzt in einem durchfahren können!“ – „Ja, scheiße, echt!“, entfährt es Lena. - „Ihr Bridisee? Kein Problem!“, findet der Mann hinterm Steuer aber. „Ich fahre. Ihr mit! Ich weiter nach Griechenland.“ - „Ne, nicht auch das noch!“, stöhnt Tina laut auf und „Oh, verdammt!“, seufzt Lena. Etwas seltsam aber findet der Fahrer diese jungen Mädchen, da er verstanden hat, dass eigentlich alles super ist und dann auch wieder nicht. Also versucht Tina Erklärungen, doch sehr viele deutsche Wörter versteht er wohl nicht. „Ihr die treffen?“, fragt er endlich, wobei er mit der Hand nach hinter weist. „Ja!“, antworten Tina und Lena fast im Kanon. „Tss!“, schüttelt ihr Fahrer den Kopf, weil nun auch er begreift, wie blöd das jetzt ist. „Wo?“ Tina versucht erst gar nicht, den Namen des Ortes auszusprechen, an dem sie mit den Jungs verabredet sind, hält dem jungen Mann stattdessen den Unterarm hin, auf dem dieser Name geschrieben steht. Intensiv betrachtet ihr Fahrer das Gekritzel, schüttelt unwissend den Kopf, schaut nachdenklich auf die Straße und dann erneut auf das, was dort geschrieben steht. „Ach, ja!“, erhellt sich plötzlich sein Gesicht. „Ich kenne. Ich fahre. Kein Problem!“ – „Abgefahren!“, freut Tina sich. „Einmal umsonst München-Adriaküste ohne Umsteigen und ohne lange Wartezeit!“
Da Lenas dunkelblaue Augen noch immer glasig