Nächstes Treffen Adria. Johanna Kemme

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Название Nächstes Treffen Adria
Автор произведения Johanna Kemme
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753189789



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reihen sich um sie herum aneinander. Auf einem von ihnen rechter Hand thront über einem leicht ansteigenden Olivenhain ein Dom mit einem Kloster oder ähnlichem. „Das Haus von Maria“, grinst Sakis die beiden Mädchen an. „Dort ist geboren.“ Na klar, denken die Mädchen sich, das war wohl als netter Scherz gemeint. Schließlich steht das alles ja nun mal eindeutig anders in der Bibel. „Haben Haus hier wieder aufgestellt“, versucht der junge Grieche ihnen daher zu erklären, woran er selbst nicht recht zu glauben scheint. Und während die beiden noch überlegen, was sie von Sakis` Worten halten sollen, blitzt linkerhand zwischen den rundlichen Hügeln auf einmal das Meer auf. Dunkelblau und scheinbar unendlich liegt sie da, die Adria. „Gleich sind da!“, lächelt Sakis sie zufrieden an und Tina und Lena schauen gespannt auf das Wasser und die Strände, die hier und da bläulich und gelblich zwischen den Hügeln in der Sonne aufleuchten.

      „Kann nicht in Stadt fahren!“, beteuert Sakis etwas nervös, als er auf eine der Ausfahrten zusteuert. „LKW zu groß.“ Die Mädchen neben ihm können seine Sorge jedoch kaum nachvollziehen. Ihr griechischer Fahrer hat sie in einem Rutsch bis hier hergefahren, das Meer, es ist ganz nah und sie wissen, dass sie gleich nicht in einer riesigen Stadt aussteigen werden. Was also soll jetzt noch passieren? In ihrer Freude, so schnell ans Ziel gelangt zu sein, haben beide nicht daran gedacht, dass Sakis zunächst durch eine Mautstelle fahren muss, bevor er sie aussteigen lassen kann. Mühsam quält er sich in den Kreisverkehr dahinter, auf dem sämtliche Fahrzeuge, die zuvor auf mehreren Spuren an mehreren Kassenhäuschen vorbeigeleitet wurden, nun alle wieder zusammenkommen. Es wird gehupt, es wird durch das offene Fenster geschimpft, aber ihr Fahrer lässt sich davon nicht irritieren. Das was dann hinter dem Kreisel folgt, finden Lena und Tina aber, sieht genau so aus, wie die Autobahn eben und scheint zudem auch noch ewig so weiter zu gehen. Ein schlechtes Gewissen übermannt sie dann, als sie endlich kapieren, wie verzweifelt Sakis nach einer Straße sucht, auf der er mit seinem sperrigen Transporter wenden kann. Dann, als er die metallene Statue sieht, die in einem großen, runden Beet in einem Kreisel vor ihnen steht, hält er abrupt an. Schnell lassen Tina und Lena ihre Rucksäcke auf den Bordstein fallen und krabbeln hinaus aus dem Führerhaus. Zu schnell aber, haben beide das Gefühl, müssen sie sich jetzt von Sakis verabschieden. „Vielen, vielen Dank für alles!“, ruft ihm Lena zu, bevor sie die Beifahrertür zuschlägt. Tina hält ihm noch mal den ausgestreckten Daumen entgegen und beide winken ihrem Fahrer herzlich zu, als er auf der anderen Straßenseite noch einmal an ihnen vorbeifährt. Es ist sein Grinsen dort hinter dem Steuer, das ihnen verrät, wie froh auch er ist und wohl auch stolz, die beiden jungen Mädchen heil an ihr Ziel gebracht zu haben.

      5 Der Platz

      „Eigentlich war Rainers Idee mit dem Rathaus ja genial!“, findet Lena, die sich wieder wie neugeboren fühlt. Es sollte schließlich in jeder auch noch so kleinen Stadt eines geben und man sollte es auch stets irgendwo im Zentrum finden. „Ja, eigentlich!“, lacht Tina, denn sie tun nun schon etwas länger genau das, was sie mit der Wahl einer kleinen Stadt zu verhindern versucht hatten. Orientierungslos irren sie durch diesen Ort und wissen zudem weder, was Rathaus auf Englisch heißt, noch auf Italienisch. Und was sollten Passanten, von zwei jungen, offensichtlich nicht aus ihrem Land stammenden Mädchen in englischer Sprache nach dem Haus gefragt, in dem man seinen Pass verlängern kann, denn auch antworten?

      An einem weiteren Kreisel angekommen, beginnt Tina daher zu kombinieren. „Da fährt doch die Bahn über die Unterführung dort?“ Kann Lena ihr gut folgen. „Und die haben wir doch von der Autobahn aus gesehen. Die verläuft wie sie immer parallel zum Meer, oder?“ muss ihre Freundin ihr auch diesmal wieder Recht geben. „Schau mal!“, blickt Tina die Straße entlang, die links vom Kreisel abgeht. „In diese Richtung sieht es doch nicht aus, als würde noch ein Stadtzentrum kommen!“ – „Ne, da geht`s eindeutig in die Hügel hinauf! Da wird sich das Zentrum wohl kaum befinden“, folgt Lena Tinas Augen. „Findest du also auch, dass es sinnig wäre, so ein Zentrum am Meer zu bauen, nicht?“, grinst Tina sie an. „Also ab durch die Unterführung, meinst du?“, mag Lena diese, Tinas Art sehr, Menschen zu überzeugen und folgt ihr rechts entlang durch den nicht sehr hohen Tunnel. „Bingo!“, hält Tina ihr den erhobenen Daumen hin, noch bevor sie wieder richtig oben sind. „`Ne Einkaufsstraße, jäh!“, muss Lena die Augen zusammenkneifen, da die Sonne noch tief steht jetzt am Morgen und genau so blendet, wie schon in den vergangenen Tagen, in denen sie noch oben im Norden waren. Eben so, als hätte man sämtliche Wolken abgeschafft, als würde es kein anderes Wetter mehr geben, als blauen Himmel und Sonnenschein eben. Fast schüchtern gehen Tina und Lena auf der breiten Allee entlang. Ein Geschäft reiht sich hier an das andere und der Anblick all der schicken Klamotten, Schuhe, Küchenaccessoires und Delikatessen in den Schaufensterauslagen befremdet die beiden nach all der Zeit, die sie nun auf der Autobahn zugebracht haben.

      „Versuchen wir es noch mal?“, blickt Tina auf die Eingangstür eines kleinen Tabakladens. Doch kaum, dass die beiden das kleine Lädchen betreten und ihre Frage gestellt haben, hat sich eine Traube von Menschen um sie herum geformt und sie können sich kaum mehr bewegen. Hier soll man am Tresen die gewünschte Ware erbeten, bezahlen und dann wieder gehen. Nun aber, da alle auf die beiden jungen Frauen mit den sperrigen Rucksäcken schauen, ist alles zum Stillstand, das Geschäft zum Erliegen gekommen. Auch von denen aber, die sich hier nun zwischen Tabakdosen, Pfeifen und Zeitungsständern dicht gedrängt um sie tummeln, scheint keiner zu begreifen, was die jungen Frauen von ihnen wollen, auf Englisch zu erklären versuchen. Und daran können auch die eigentlich recht treffenden Umschreibungen, die Tina und Lena sich zurechtgelegt haben, so gar nichts ändern. Ein jeder blickt sie freundlich an. Es werden viele Anläufe genommen, untereinander zu klären, worum es hier geht, doch es ist einfach offensichtlich, dass niemand sie versteht. Wie ein heilloses Durcheinanderreden wirkt das alles auf Tina und Lena. „Dabei wollen wir doch nur wissen, wo das Rathaus ist,“ stöhnt Lena. - „Rathaus?“ hören sie da die tiefe Stimme eines Mannes in der Ecke sagen. Verdutzt blicken sie in sein fragendes Gesicht und plötzlich herrscht Ruhe um sie herum. „Seid ihr Deutsche?“, lächelt er die beiden an, die nun ebenfalls sprachlos sind. Nur langsam scheint ihnen klar zu werden, was hier gerade geschieht. „Ich hab gearbeitet in Deutschland“, hören sie ihn sagen und die zusammengerollte Zeitung in seiner rechten Hand scheint in eine bestimmte Richtung zu weisen. „Vierzehn Jahre. In Bochum. Kennt ihr Bochum?“, streicht der Mann sich mit der freien Hand durch seine grauen Haare. Tina und Lena, denen immer noch die Worte fehlen, kommt es vor, als würde er für einen Moment in der Erinnerung versinken. Ja, dort in Bochum war er mit knapp zwanzig Jahren und seinen kleinen Reisekoffer in der Hand, zum ersten Mal in dem Heimatland dieser Mädchen aus dem Zug gestiegen. Geld wollte er dort verdienen im Wirtschaftswunderland. Mit seiner Ausbildung zum Betriebsschlosser und einigen Jahren Berufserfahrung hatte er auch schnell eine Stelle gefunden. Aber anders als viele seiner Landsleute war er nicht lange geblieben. Zu groß war sein Heimweh im Laufe der Jahre geworden. Daher war zurückgekehrt, als es auch mit seinem Heimatland wieder bergauf ging und hier auch für immer geblieben. „Nein, ich war leider noch nie in Bochum“, findet Tina als erste endlich wieder zu ihrer Muttersprache zurück und lächelt ihn beinahe entschuldigend an. „Ah, nicht schlimm!“, winkt er mit der Zeitung in der Hand ab und seine Augen lächeln milde. „Ist keine Stadt sehr schön!“ Angestrengt sucht er nach den Worten. „Woher ihr seid?“, formuliert er langsam, denn er weiß noch, dass die Regeln für die Satzstellung in ihrer Sprache eine andere Reihenfolge vorsehen. Viel zu lange aber ist es nun schon her, dass er diese Sprache gesprochen hat. „Hamburg, na ja, in der Nähe davon“, ist Lena froh, überhaupt etwas von dem zu verstehen, was einer hier sagt. „Ja, Hamburg! Hamburg ist eine Stadt sehr schön!“, strahlt ihr Gegenüber erst sie, dann Tina an, „Und ihr macht Urlaub hier?“ - „Na ja“, wiegt Tina ihre Antwort ab. „Wir sind auf dem Weg nach Griechenland und...“ - „Griechenland?“, schaut sein schon leicht faltiges Gesicht erstaunt. „Das ist noch weit!“ - „Ja“, weiß auch Tina „und deshalb suchen wir das Rathaus. Dort wollen wir uns nämlich mit unseren Freunden treffen.“ - „Ah!“, streckt sich nun sein Arm mit der zusammengerollten Zeitung in der Hand erst in Richtung Ladenausgang, dann um die Ecke. „Ah, das Rathaus ist nicht weit! Die Straße runter, nur noch ein paar Meter.“ Die Erleichterung in den Gesichtern der beiden jungen Frauen zaubert ein warmes Lächeln auf das seine. „Municipio!“, spricht