RoadMovie. Hans-Joachim Mundschau

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Название RoadMovie
Автор произведения Hans-Joachim Mundschau
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844253122



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      „Ich kann jetzt Schluss machen, wir können uns hier die Zeit frei einteilen. Aber die Schuhe müssen Sie noch bezahlen.“

      „Ja, natürlich.“ Ich hatte überhaupt nicht auf den Preis geschaut und war nun erstaunt, wie preisgünstig der Laden war, als ich mit der Kreditkarte zahlte. Als ich meine Tüten in Empfang nahm, stand sie schon hinter mir. Sie hatte eine gelbe Jeansjacke über die Schultern geworfen. Mir fiel jetzt zum ersten Mal auf, dass sie so groß war wie ich.

      „Sind Sie mit dem Auto hier?“

      „Ja, ich stehe da vorne am Eingang der Fußgängerzone“.

      Sie hängte sich unkompliziert in meinem linken Arm ein. Es tat mir gut. Das Auto war noch da. An der Windschutzscheibe hing kein Strafzettel.

      „Da haben Sie Glück gehabt. Normalerweise sind die hier ziemlich fix mit den Tickets und dem Abschleppen. Ich heiße übrigens Inga.“

      „Peter“, sagte ich. „Was studiert Ihre Freundin?“ fragte ich, nur um etwas zu sagen. Ich merkte, wie befangen ich in ihrer Nähe wurde. Sie hätte meine Tochter sein können.

      „Sie ist ein ziemliches Ass in BWL. Sie macht gerade ein Praktikum bei PHILIPS in Hamburg, vielleicht kann sie da auch mal einsteigen. Ich habe BWL im Nebenfach und das macht mir manchmal ganz schön zu schaffen. Und du, was machst du?“

      „Ich bin Knecht bei einem Bildungsträger, der für das Arbeitsamt arbeitet. Sprachkurse, Personaltraining, Motivation und so.“

      „Klingt interessant. Bist du verheiratet?“

      Sie war ganz selbstverständlich zum Du übergegangen. Es schmeichelte mir.

      „Ist auch interessant, wird aber beschissen bezahlt, das heißt einige verdienen sich eine goldene Nase dabei, und die, die Arbeit machen, bekommen ein Butterbrot dafür. Ja, verheiratet, zwei Kinder, Ehe zerrüttet, Traumfrau gerade getroffen, aussichtslos, weil Mann und Kinder an ihr ziehen. Stimmung depressiv, null Bock auf nix, reif für die Insel. Sonst noch Fragen?“

      Sie lachte wieder ihr unbekümmertes Lachen, das ich im Schuhgeschäft schon gehört hatte.

      „Hört sich an, als wärst du so richtig kaputt.“

      „Nee nicht ganz, solange Frauen wie du mich noch bemerken.“

      Ich lachte jetzt auch. Wir standen immer noch vor meinem Auto.

      „Vielleicht sollten wir was essen gehen, ich habe heute nur wenig gefrühstückt.“

      „Ich werde uns was kochen“, sagte sie. „Magst du Ratatouille? „

      „Liebe ich abgöttisch, aber lass‘ mich den Rotwein beisteuern. Kennst du einen Weinladen hier?“

      „Ja, ganz in der Nähe meiner Wohnung, lass‘ uns fahren.“ Sie dirigierte mich in ein Wohnviertel etwas außerhalb, zum großen Teil Einfamilienhäuser. Sie ließ mich vor einem Mehrfamilienhaus anhalten.

      „Du kannst deinen Wagen auf Britts Parkplatz stellen. Lass uns noch schnell in den Weinladen gehen um die Ecke.“

      Ich parkte das Auto rückwärts auf dem markierten Parkstreifen. Wir stiegen aus und liefen wieder Arm in Arm die paar Meter zu dem kleinen Laden, der wirklich gut sortiert war. Ein älterer Mann begrüßte uns freundlich, wie Weinhändler das eben tun, und fragte, wie er uns helfen könne. Ich fragte nach einem Bordeaux vom letzten Jahr.

      „Da hab ich was Besonderes für Sie und das Fräulein Tochter, wenn Sie bitte hier herüber kommen möchten!“

      Inga und ich schauten uns nur an und grinsten. Dann probierten wir den Wein, er war genau richtig. Ich nahm zwei Flaschen. Als ich bezahlen wollte, hatte ich nicht genug Bargeld. Ich hatte einfach vergessen, zum Geldautomaten zu gehen. Es war mir sehr unangenehm, Inga zu bitten, mir den Betrag vorzuschießen. Sie lachte wieder dieses Lachen, was ich inzwischen so sehr mochte.

      „Kein Problem, Papa“, sagte sie und zückte ihren Geldbeutel. „Aber dafür musst du mir heute Abend eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen“, fügte sie hinzu. Sie war großartig in ihrer Unbekümmertheit.

      Der freundliche Weinhändler gab uns noch eine Jutetasche für die Flaschen, auf der seine Geschäftsadresse aufgedruckt war. Auf dem Weg zurück zu ihrem Haus konnten wir uns fast nicht einkriegen vor Lachen. Ich holte noch meinen Koffer aus dem Auto und schleppte ihn in den dritten Stock, wo sie eine 3 ZKB-Wohnung mit Britt hatte. Die Wände des Flurs waren ganz in Weiß gestrichen. Über der Tür zu Britts Zimmer am Ende des Flurs hing eines meiner Lieblingsbilder von Edward Hopper, eines mit Leuchtturm und Segelboot.

      „Geh einfach hinein,“ sagte sie, „mach’s dir bequem. Du kannst deine Sachen in den Schrank hängen. Das Wohnzimmer gehört dir, du kannst schon mal den Wein aufmachen, damit er atmet.“

      Ich sah mich in dem Zimmer um. Ein Schreibtisch, ziemlich antik, mit Computer, einige Familienbilder, ein Bett im IKEA-Stil, ein kleiner runder Tisch, zwei kleine Ledersessel in dunkelblau und rot. Ein riesiger Bauernschrank, der als Kleiderschrank diente. Er war fast leer, Britt musste fast ihre gesamten Kleidungsstücke mitgenommen haben. Ich räumte ein, was ich in den nächsten Tagen zu brauchen glaubte. Meine Hosen hängte ich auf die hölzernen Hosenbügel, die es auch gab.

      Ich ging durch den Flur in das Wohnzimmer, hörte sie in der Küche klappern. Das Wohnzimmer war gemütlich eingerichtet Es gab eine weitläufige Couchlandschaft aus dunkelblauem Leder, einen niedrigen Tisch aus Glas, einen Fernseher mit riesigem Bildschirm, Bilder von Hopper und Dali an der Wand. Neben einem großen Spiegel hing ein Druck der brennenden Giraffe. Den Korkenzieher fand ich in der obersten Schublade einer Anrichte aus Kirschbaumholz. Als ich die Flasche geöffnet hatte, ging ich in die kleine Küche und fragte Inga nach einer Weinkaraffe. „Da oben im Hängeschrank“, sagte sie, während sie mit dem Oberarm ihre Nase rieb, weil sie feuchte Finger hatte. Ich holte die Karaffe heraus und ließ den Wein langsam hinein fließen. Die rote Farbe erinnerte stark an Holundersaft. Inga war dabei, verschiedene Gemüse in Würfel zu schneiden.

      „Kann ich auch was tun?“ fragte ich.

      In ihrer Reichweite stand ein Glas, in dem sich der Rest einer Flüssigkeit befand, die wie ein Eiweißshake aussah.

      „Du kannst uns einen Schnaps einschenken. Da oben im Regal. Der mit den Knoblauchstücken drin.“

      Sie zeigte auf eine Wodkaflasche, in der kleine weiße Teilchen schwammen. „Ein altes Rezept meines Großvaters, der trank täglich drei Gläschen davon und ist uralt geworden. Ich habe einen Wodka mit Zitrone genommen, da kommt der Knoblauchgeschmack besser zur Geltung.“

      Ich nahm zwei Schnapsgläser vom Regal und füllte sie auf. Sie wischte sich die Hände ab und prostete mir zu: „Hau wech!“ Knoblauch und Wodka ergänzten sich ideal. Die Wärme tat mir gut. Der Knoblauchgeschmack weckte Erinnerungen an den Süden, an schöne Tage in Italien. Aber das war aus einem anderen Leben.

      „Dein Großpapa wusste, was gut ist. Und wenn es hilft, sehr alt zu werden - umso besser.“

      „Wie alt bist du eigentlich?“ fragte sie.

      „Neunundvierzig und ein paar Tage.“

      „Kompliment, ich hätte dich glatt zehn Jahre jünger geschätzt.“

      „Eine meiner Sprachschülerinnen aus der Ukraine hat mich mal gefragt, wie ich es schaffe, so jung auszusehen. Ich habe ihr gesagt, das komme vom Wein und von den Weibern.“

      „Und ist das so?“

      „Ja, irgendwie schon. Ihr haltet uns jung. Aber im Ernst, ich glaube, das spielt sich im Kopf ab. Wenn du dir einredest, du wirst alt, dann alterst du. Ich kenne eine Menge Leute, die beschlossen haben, sich nicht mehr jung zu fühlen. Und dann haben sie angefangen