RoadMovie. Hans-Joachim Mundschau

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Название RoadMovie
Автор произведения Hans-Joachim Mundschau
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844253122



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Umschweife, schob eine große Leiter, die ich bis dahin nicht bemerkt hatte, in einer Schiene an einem Regal an der linken Wand entlang, bis sie im richtigen Segment angekommen war.

      Mit einer Behändigkeit, die ich ihm nicht zugetraut hatte, nahm er die vier, fünf Sprossen, bis er in das Regalfach greifen konnte, das er angesteuert hatte.

      Er entnahm einen Hut, den ich zunächst nicht genau sehen konnte, stieg die Sprossen herunter und legte meinen Hut vor mir auf die Theke.

      „Das wird er sein.“ Mehr sagte er nicht, er lächelte wissend dabei.

      Ich war überwältigt. Genau so hatte ich ihn mir vorgestellt.

      „Der hat auf Ihnen gewartet“, sagte der Mann.

      Als ich mich gefasst hatte, fragte ich: „Wie konnten Sie wissen, was für einen Hut ich haben will?“

      „Es gibt für jeden Menschen e Hut, und das ist Ihrer!“

      Plötzlich fiel mir ein, an wen der Mann mich erinnerte: an den Kleiderjuden aus der Grenadierstraße. Fehlte nur noch, dass er am Ende sagte: Se haben nich gekauft, Se haben geerbt.

      „Wollen Se ihm aufprobieren? Da drüben is e Spiegel.“

      Fast ehrfürchtig nahm ich den Hut vorsichtig mit drei Fingern und setzte ihn auf. Er war für mich gemacht. Ich fragte nach dem Preis und erwartete eine Summe, die meine Möglichkeiten überstieg.

      „Fer Ihnen, sagen wir 140 Mark.“

      „Gekauft!“ sagte ich. „Ich behalte ihn gleich auf.“

      „Geben Se mer den Hut noch e Mal, ich werd’ ihn noch e bissel aufbürsten.“

      Er nahm den Hut entgegen und ging damit hinter den Vorhang. Ich stand wie in Trance. Die Sprache des Mannes, diese fremdartige Mischung aus Hochdeutsch und etwas, was wie Jiddisch klang oder was ich dafür hielt, verzauberte mich. Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis er wieder hervor kam.

      „Hier nehmen Se das gute Stück!“

      Er reichte mir den Hut wie eine kostbare Vase mit beiden Händen.

      „Halten Se ihm in Ehren. Wenn Se ihm mal aufarbeiten müssen, telefonieren Se mit mir. Wenn ich noch leb’, kann ich Ihnen immer einen guten Hutmacher empfehlen. Ansonsten sprechen Se mit meinem Sohn. Wenn Se jetzt bitte zur Kassa kommen würden!“

      Ich hatte einen Hunderter und zwei Zwanziger, die ich ihm neben die alte verchromte Registrierkasse am Ende der Theke legte.

      „Brauchen Se e Quittung?“ Als ich verneinte, sagte er: „Ist auch besser so, bei solchen Sachen muss das Geschäft in den Hintergrund treten.“

      Ich schaute noch einmal in den Spiegel, rückte den Hut zurecht und bog die Krempe vorne ein wenig nach unten. Er öffnete mir die Ladentür, verbeugte sich und sagte liebenswürdig: „Es war mir e Vergnügen!“

      Ich bedankte mich und trat in die helle Sonne hinaus.

      *

      Der Kauf des Hutes hatte meinen Tagesplan und meinen Etat durcheinander gebracht. Ich hatte eine Geldausgabe, die nicht geplant war, und war gedanklich mit etwas beschäftigt, wozu ich im Augenblick keine Zeit hatte.

      Ich zwang mich, ein Schreibwarengeschäft zu betreten und ein kleines Moleskine-Notizbuch, kariert, sowie einen einfachen, schwarzen Parker-Kugelschreiber zu verlangen. Ich bezahlte schnell, verließ den Laden und suchte einen Supermarkt, am liebsten einen minimal, wo ich einige Sachen für den Abend einkaufen wollte. Am Ende der Fußgängerzone fand ich ihn. Mir fiel ein, dass ich keine Tasche dabei hatte, aber es würde eine Plastiktüte geben. Außer dem Rotwein wollte ich noch Parma-Schinken, Baguette und verschiedene Salate für das Abendessen einkaufen. Es gab eine Wurst- und Käse-Theke, wo auch verschiedene Salate angeboten wurden. Ich nahm Krabbensalat, etwas mit Pute und Mandarine und einen Waldorf-Salat. Die Tüte mit den Plastikbehältern legte ich im Einkaufswagen ab und bewegte mich in Richtung Weinregal. Dann sah ich sie.

      Sie stand vor den französischen Rotweinen. Ich konnte gerade noch in den nächsten Gang verschwinden, bevor sie mich entdecken würde. Ich fühlte rasendes Herzklopfen. Ich musste mich mit dem Rücken an ein Regal lehnen, mir wurde schwindlig. Ich zwang mich, tief und regelmäßig zu atmen. Dadurch beruhigte ich mich allmählich. Ich spürte kalte Schweißperlen den Rücken hinunterlaufen. Zum letzten Mal hatte ich das als Jugendlicher während der Beichte erlebt.

      Ich musste jetzt klar denken. Ich musste so lange warten, bis sie an der Kasse war. Da konnte ich am besten beobachten, in welche Richtung sie gehen würde. Zwischen ihr und mir war nur ein Regal. Wenn ich zwischen Konservendosen hindurchschaute, konnte ich sie sehen. Sie nahm verschiedene Weinflaschen in die Hand, besah sich jeweils das Etikett, legte ein paar in ihren Einkaufswagen, stellte andere wieder ins Regal zurück.

      Ich hätte „Hallo Patrizia“ rufen können. Welche Geschichte hätte ich erfinden müssen, um meine Anwesenheit an diesem Ort, in Gumpingen, in demselben Supermarkt, in dem sie einkaufte, zu erklären?

      Ich machte mich an verschiedenen Konservendosen zu schaffen, weil einige andere Kunden in meinen Gang zwischen den Regalen kamen und ich nicht auffallen wollte. Mit meinem neuen Hut war ich an einem heißen Sommertag schon auffällig genug.

      Ich könnte einen Salat Olivier machen, dachte ich. Dazu brauchte ich Kartoffeln, Mais, Erbsen, Eier, Gürkchen, Karotten und Remoulade. Ich lud wahllos kleine Döschen und Gläser ein, schaute noch einmal zwischen den Dosen hindurch in den anderen Gang. Sie war nicht mehr da. Ich musste zusehen, dass ich ihr nicht zufällig über den Weg lief, musste sie also lokalisieren. Ich ließ meinen Einkaufswagen stehen, schlich vorsichtig an das Ende des Ganges und spähte um die Ecke in Richtung der Kassen. Sie stand am Ende der Schlange an der Schnellkasse.

      Ich überlegte einen Augenblick und entschied dann, dass ich ihr jetzt nicht folgen würde. Zuerst wollte ich meinen Einkauf zu Ende bringen und dann weiter sehen. Ich schaute mich vorsichtig um. Niemand schien mich zu beachten. Die Schlange an der Kasse bewegte sich langsam. Als Patrizia an der Reihe war, holte ich meinen Wagen und schob ihn in den nächsten Gang zu den Weinflaschen. Ich musste ja noch den Chateau l’Eglise für den Abend besorgen. Es waren noch vier Flaschen vorhanden, die ich in meinen Wagen lud.

      Jetzt brauchte ich nur noch Kartoffeln, Eier. Es dauerte sehr lange bis ich alles gefunden hatte, weil ich kopflos durch die Gänge rannte. Das Knabbergebäck wurde in der Nähe der Kasse angeboten, Chips wollte ich noch. Immer noch sehr vorsichtig verließ ich den Gang zwischen den Regalen und bewegte mich in Richtung Kasse, nahm im Vorübergehen drei Pakete scharf gewürzte Chips mit. An den fünf Kassen standen im Augenblick jeweils drei, vier Kundinnen. Ich reihte mich ganz rechts hinter einer korpulenten, braunhaarigen Mittvierzigerin ein, die einen viel zu kurzen Rock trug, der zu viel von ihren fetten Oberschenkeln freigab. Ihr Top war so kurz, dass die Falten ihres viel zu dicken Bauches überhingen. Ihre enormen Brüste hingen sehr tief, wie ich feststellen konnte, als sie ihre Sachen auf das Band räumte. Sie warf mir zwischendurch ein Lächeln zu. Sie hatte ein sehr schönes Gesicht, das von einer Pagenfrisur umrahmt wurde. Ich lächelte zurück. Ein Teil war ihr vom Band gefallen. Als sie sich bückte, um es aufzuheben, ließ sie mich sehen, dass sie unter dem Rock einen winzigen rosafarbenen Tanga trug, der ihre Schamhaare nur unzulänglich bedeckte.

      Die Kassiererin bemerkte, wohin mein Blick ging und grinste. Ich schaute demonstrativ nach oben, konnte mir aber auch ein Grinsen nicht verkneifen. Als ich an der Reihe war, sagte die Kassiererin: „Ja, ja, unverhofft kommt oft.“ Sie grinste wieder und begann meine Weinflaschen einzuscannen.

      Die fette Dame war indessen immer noch mit der Verpackung ihrer eingekauften Waren beschäftigt. Sie schaute ab und an auffällig zu mir. So wie sie sich gab, hatte ich den Verdacht, dass sie käuflich war. Ich beschloss, sie nicht zu beachten.

      Ich bat die Kassiererin um zwei Plastiktaschen, verpackte meine Sachen,