Mirabella und die Götterdämmerung. Isabelle Pard

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Название Mirabella und die Götterdämmerung
Автор произведения Isabelle Pard
Жанр Языкознание
Серия Mirabella-Reihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754185971



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      Mirabella nickte. „Nächste Woche werde ich Schwarzalbenheim besuchen, danach werde ich mich dort genauer umsehen. Sowas wie der Mantel von Nikolaos wäre praktisch…“

      Juno machte eine Handbewegung und im nächsten Augenblick lag ein federbesetzter Umhang in ihren Händen. „Er braucht ihn derzeit sowieso nicht.“

      Sie schluckte erneut und nahm den Mantel an sich. Jetzt hatte sie ihm auch noch das Geschenk Jupiters genommen, aber sie musste pragmatisch sein, er brauchte ihn derzeit wirklich nicht.

      Nachdem sie sich verabschiedet hatte, setzte sie ihre Tarnkappe auf und bestieg so schnell wie möglich eine Blase. Hier hielt sie den Mantel an ihre Nase und atmete tief ein. Diesen Mantel hatte Nikolaos getragen, er roch bestimmt noch nach ihm. Enttäuscht nahm sie den Geruch von Leder wahr und musste niesen, als eine Feder sie in der Nase kitzelte. Sie zitterte innerlich immer noch, der Anblick von Nikolaos hatte sie mehr mitgenommen, als sie erwartet hatte.

      Das Treffen in Stonehenge am nächsten Tag verlief ohne größere Vorkommnisse. In Kleingruppen übten sie die ersten Szenen und besprachen den Ablauf. Als herauskam, dass Lorenzo und Mirabella weiterhin zusammen tanzten, schlug Delphine vor, sie könnten in der Pause eine Tanzeinlage bringen. Die beiden Tänzer sahen sich an und nickten dann zustimmend. Die Initiatorin des Geheimbundes zog Delphine irgendwann beiseite, versuchte erfolglos, eine Blase zu kreieren, was schließlich Ragnar übernahm, und tastete vorsichtig bezüglich einer Teilnahme vor. Delphine war letztendlich begeistert von der Idee, da sie auch keine Lust mehr hatte, sich für die „blöde“ Statue umbringen zu lassen.

      „Wo hast du denn nach ihr gesucht?“, fragte Mirabella neugierig.

      „In Niflheim.“

      „Echt, da hatte Nick sie auch vermutet. Und?“

      „Ich schwamm übers Meer zur Quelle Hvergelmir, die als Urquelle für die nordischen Flüsse und Meere gilt. Von dort gelangte ich in die Höhle des Drachen und fand Blut und Schätze in Massen, aber keine Statue. Als ich die Höhle verlassen wollte, griff mich der Drache aus dem Hinterhalt an. Blutend schleppte ich mich zur Quelle, wo mich die Meermenschen retteten. Sie riefen sofort nach Apoll.“

      „Dann ist sie in Niflheim höchstwahrscheinlich nicht“, schlussfolgerte die Vestalin. „Es sei denn“, kam es ihr plötzlich, „sie ist so unsichtbar wie die andere Statue für euch.“

      Sie tauschten sich gegenseitig aus, wo sie alle schon nach der Statue gesucht hatten. „Wie aber kommen wir an die Statue im Vesta-Tempel ran?“, fragte nun Hannah.

      „Wenn wir die holen wollen, wäre es hilfreich zu wissen, wer die erste gestohlen hat. Ich bin nahe daran, den Diebstahl aufzuklären. Hannah, ich bräuchte ein Rendezvous mit einer Hexe namens Esmeralda.“

      „DIE Esmeralda?“, fragte Ragnar alarmiert. Loki hatte von ihr Besitz ergriffen und mit ihrer Hilfe Ragnar und Mirabella nach Utgard entführen können, wo er gedroht hatte, die vermeintliche Jupitertochter zu töten. Nikolaos hatte Thor und Odin zu ihrer Rettung geholt.

      „Ja, genau die. Sie hat vielleicht den Vergessenstrank für Aurelia, meine Vorgängerin, gebraut.“

      „Geht klar, ich werde meine Mutter fragen, ob ich dich mit nach Wanenheim nehmen kann, sie hatte dir eh einen Besuch dort angeboten.“

      Das Jupitertreffen am übernächsten Tag verlief unspektakulär. Jupiter, der seltsam abwesend wirkte, erwähnte die Inaktivierung von Nikolaos kommentarlos, dankte Mirabella ohne weitere Erklärung für dessen Rettung und holte Timo, seinen zweitjüngsten Sohn und römischen Rapper, nach der Besprechung zu sich. Es sollte also alles weiterhin geheim bleiben. Sie vermutete, dass Timo nun die Aufgabe von Nikolaos übernehmen sollte. Einweihen konnte sie Timo zur Zeit nicht.

      So langsam gewöhnte sich Mirabella an die Treffen ohne Nikolaos, meist war so viel los, dass wenig Zeit zum Nachdenken blieb. Selbst abends im Bett versuchte sie, an einem Plan zu arbeiten, wie sie an die Vesta-Statue kommen sollten. Nur in ihren Träumen begegnete sie ihm regelmäßig. Einmal wirkte der Traum so plastisch, dass sie sich im Traum selbst fragte, ob es ein Traum wäre, ob sie nicht geistig mit ihm vereint war, bis ihr einfiel, dass er als normaler Mensch seinen Geist nicht vom Körper lösen konnte. Sie befanden sich in einem idyllischen, paradiesischen realitätsfernen Ort einer Zwischenwelt, es musste ihr Traum sein.

      9 – Im Reich der Zwerge

      In der folgenden Woche besuchte Mirabella tatsächlich offiziell mit Baldur Schwarzalbenheim, Ragnar begleitete sie auf Geheiß von Odin. Gemeinsam betraten sie die Welt der Zwerge über das Portal in Walhall und landeten ähnlich wie über das Portal von Folkwang in einem unterirdischen leicht beleuchteten Gangsystem. Sie sah sich neugierig um und entdeckte zwei Zwerge mit Felspickeln, Stirnlampen und Eimern, die den Gang entlangliefen und an der Kreuzung abbogen.

      „Wo gehen wir hin?“, fragte sie Baldur, als er schnellen Schrittes in die andere Richtung marschierte.

      „Wir besuchen die Zwergenkönige. Es gibt ihrer drei und man muss immer allen dreien seine Reverenz erweisen, damit sich keiner benachteiligt fühlt.“

      Nach mehreren Weggabelungen, der Weg führte kontinuierlich leicht bergauf, kamen sie an die Erdoberfläche. Mirabella hatte helles Tageslicht erwartet, stattdessen trübten Nebelschwaden und Wolken die Sicht, sumpfiger Morast umgab den Höhlenausgang.

      „Wir müssen warten, bis wir abgeholt werden“, erklärte Baldur.

      „Cosy…“, sagte sie augenzwinkernd zu Ragnar, der leicht grinste.

      „Und das war die Welt der Titanen?“

      Baldur nickte. „Allerdings verdunkelte sich die Sonne erst nach ihrer Auslöschung.“

      Sie wurde schlagartig ernst. „Und es ist wirklich niemand übriggeblieben?“

      „Von den Ur-Titanen nur die beiden Flüsse in der Unterwelt. Nachfahren, vermischt mit anderen Spezies durchaus.“

      „Triton ist ein halber Titane“, überlegte Mirabella laut.

      „Schwerer Wasserstoff?“, fragte ihr Bruder stirnrunzelnd.

      Sie lachte erstaunt. „Nee, aber man hat auch einen Mond vom Planeten Neptun nach ihm benannt. Triton ist Neptuns Sohn, seine Mutter war eine Titanin.“

      „Er ist der König der Meermenschen“, fügte Baldur hinzu.

      „Ist Delphines Freund nicht einer von denen?“, fiel Ragnar auf und seine Schwester nickte bestätigend.

      „Sinnt Neptun immer noch auf Rache?“, fragte Baldur plötzlich sehr ernst.

      „Ich weiß es nicht“, gab sie zu. Sie sah zu Ragnar, beide wussten, dass Neptun nach der Statue suchen ließ.

      „Obwohl ihm Fand nicht schlecht zu gefallen scheint…“, warf Baldur ein, während er die Mienen der Jugendlichen studierte.

      Mirabella sah auf. „Dann habe ich mir das nicht eingebildet?“

      „Sie war einst mit einem lokalen Meeresgott vereint, der jedoch wie viele der alten Götter verschwunden ist. Seither buhlen Njörd und Neptun um sie, sehr verhalten, aber eindeutig.“

      „Und wem gibt sie den Vorzug?“

      „Keinem offiziell, in ihrer Lage darf sie sich für keine Seite entscheiden.“

      „Dabei ist Njörd gar kein Ase sondern Wane“, warf Ragnar ein.

      „Das ist für den Süden alles das gleiche“, erklärte Baldur. „Oder nicht?“ Sein Blick fiel auf die Vestalin, die belustigt nickte.

      „Gibt es niemanden unter den Göttern für dich, Baldur?“, fragte sie neugierig und errötete sogleich über ihren Wagemut, Baldur etwas so Persönliches zu fragen.

      „Für mich?“, fragte er verwundert.

      „Naja, du bist schon