Der Gott des Zwielichts. Joachim Kurtz

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Название Der Gott des Zwielichts
Автор произведения Joachim Kurtz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187104



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diesen Worten reichte ihm der Bärtige den Schafsbalg dar. Hadhuin nahm ihn entgegen, öffnete ihn und roch argwöhnisch an seinem Inhalt. Er fand seine Befürchtung bestätigt und wollte ihn angewidert zurückreichen, aber der andere verweigerte die Annahme.

      „Trink!“ befahl er, und Hadhuin wußte augenblicklich, daß Verweigerung nicht möglich war. Eingeschüchtert setzte er den Balg an die Lippen.

      „Trink“, hörte er wieder die Stimme des Mannes, und ihr wohlmeinender Klang vertrieb den Schatten der Demütigung so schnell, wie sie gerade eben noch sein Gemüt damit befangen hatte. „Trink deine Medizin. An den Geschmack wirst du dich schneller gewöhnen, als du glaubst. Und bald wirst du ihn sogar vermissen, denn deine brave Stute wird lange keine Milch mehr geben. Das Wetter schlägt um, Freund Hadhuin. Nicht mehr lange, und die Baumkronen werden klirren vor Frost. Im Übrigen hattest du ausgesprochenes Glück mit dem Tier. Es hat zur Unzeit gefohlt und das Jungtier verloren; wie sonst hätte es überhaupt Milch geben können, zu dieser Zeit des Jahres?“

      Auf diese Worte hin nahm sich Hadhuin fest vor, Pendari bei erstbester Gelegenheit ein Dankopfer darzubringen und saugte tapfer am Balg. Und der Fremde hatte wiederum recht: hatte man sich erst einmal überwunden, konnte man sich an den strengen Geschmack durchaus gewöhnen.

      „Ich bin also gestürzt?“ nahm Hadhuin nach einer Weile das Gespräch wieder auf, angeregt von einer inneren Wärme, wie nach dem Genuß von Bier oder Met. „Unten am Bach?“

      „Und zwar am diesseitigen Ufer, als du besinnungslos vor Furcht den Hang hinab ranntest“, antwortete der Fremde, ehe er nach einer kurzen Pause noch anfügte: „Nicht, daß du dazu keinen Grund gehabt hättest.“

      „Wer waren überhaupt meine Verfolger?“ wollte Hadhuin wissen.

      „Bewohner des Waldes“, lautete die knappe Auskunft. „Daß sie dich zuvor nicht behelligten, hast du allein zwei Dingen zu verdanken. Zum einen dem Feuer hier, das du nicht etwa aus einem Stück Holz gebohrt, sondern wie es einem Vandmar geziemt aus einem Eisen geschlagen hast.“

      Mit diesen Worten schürte der Mann die Glut auf und legte mehrere Holzstücke nach.

      „Flammen von Andrynemas Licht“ murmelte er, als wäre er stolz darauf. „Entfacht vom Atem der Schlange....“

      „....und den ersten Vandrimar überbracht von einem Gott“, ergänzte Hadhuin.

      „So ist es“, ließ der andere als Bestätigung verlauten. Von Hadhuins Kenntnis der Dinge schien er nicht im mindesten beeindruckt. Seiner Gleichmut war zu entnehmen, daß er nichts anderes erwartet hätte. Was kaum verwunderlich war, denn wer kannte nicht von Kindesbeinen an die Geschichte vom Raub der Züngelnden Flammen durch Faghnar, seither bekannt als Gott des Feuers oder Wandernder Gott?

      „Ich tat also gut daran“, sprach Hadhuin weiter, „mich für meine Fahrt mit Feuerstein und Schlageisen zu rüsten, und nicht allein der Kälte wegen. Was nun das zweite betrifft, das zu meinem Schutz vor den Kreaturen des Waldes beitrug....“

      „....so hast du längst erraten, worum es sich handelt.“

      „Ihr sagtet es mir selbst vor einer Weile: es war der Dolch. Was aber ist so besonders daran, außer daß er wirklich eine vorzügliche Waffe zu sein scheint?“

      „Er ist eine vorzügliche Waffe. Und mehr als das, wurde die Klinge von dem selben Gott geschmiedet, der einst das Feuer für die Essen der Vandrimar raubte. Wenn du die Klinge ins Licht hältst, spiegelt es sich auf der glatten Oberfläche so hell, als würdest du direkt in die Sonne schauen. Von innen heraus aber leuchtet sie in Andrynemas Licht. Dir ist dieses Licht zu sehen verwehrt, wie du auch äußerlich die Flammen des Herdfeuers nicht von denen eines Feldfeuers unterscheiden könntest. Die Kreaturen des Waldes aber sehen es, und sie fürchten es mehr als alles andere. Das Herdfeuer hast du im Schlageisen mitgenommen. Damit und mit dem Dolch warst du auf deiner Flucht in die Wildnis doppelt geschützt. Was aber geschah, als du dich nur ein einziges Mal ohne deine Waffe vom Feuer entferntest.... Nun ja, du hattest Pech. Denn überdies war der Mond noch nicht untergegangen.“

      „Der Mond?“ fragte Hadhuin ungläubig. „Aber was hat der Mond....“

      „Ghléan wurde einst von Haeldwyr entthront. Von allen Gestirnen war es sie allein, die den Tag regierte, bis Haeldwyr ihrer Herrschaft mit Gnidhrs Hilfe ein Ende bereitete. Aber in diesen Wäldern, und in der Ebene bis an den Bhréandyr und ans jenseitige Ufer, lebte bis zur Ankunft der Vandrimar ein Volk, das Haeldwyrs Thronraub verurteilte; und wenngleich es sich seiner alles überstrahlenden Macht beugen und sein Gesetz anerkennen mußte, huldigte es doch weiterhin Ghléan als der eigentlichen Königin des Firmaments. Die Vandrimar kamen als Statthalter Haeldwyrs und unterjochten das Alte Volk, das sie Laeghtrimar nannten, die Wölfischen. Lange widerstanden die Laeghtrimar, klug, zäh und kämpferisch, stets ihrer Sippe verpflichtet wie das Tier, mit dessen Namen man sie belegte. Aber ihre Tage waren gezählt. Die Vandrimar brachten das Feuer, das Faghnar für sie von der Schlange geraubt hatte, und gegen die darin geschmiedeten Waffen hatten die Waffen der Laeghtrimar so wenig Bestand wie das Licht des Mondes gegen das der Sonne....“

      „Ich hörte, die letzten von ihnen flohen, um Tod oder Unterwerfung zu entgehen, auf die Dhirunischen Felder....“

      „....deren Zugang seitdem von Faowgh versperrt wird, der geflügelten Schlange, dem Hüter des Feuers, dem Listenreichen – und der dennoch der List eines gewissen Gottes nicht gewachsen war!“

      Bei diesen Worten schienen sich wieder die Lippen des Sprechers unter dem Bart zu kräuseln. Hadhuin nahm es wahr als ein eisiges Lächeln, wenn auch etwas gemildert durch den Schalk, der aus dem gesunden der beiden Augen funkelte.

      „Bis hierher kennst du die Geschichte, nicht wahr, so wie sie von Alters her überliefert wurde. Was du aber nicht weißt, und was bisher noch keinem Vandmar bekannt ist, ist daß manche der Laeghtrimar aus Ardhirunai zurückkehren, und zwar als Rächer ihres Volkes. Für Haeldwyrs Licht sind sie blind, und wie in grauer Vorzeit mißt allein Ghléan ihre Tage und Nächte. Hüte dich also, wenn du den Mond am Himmel weißt: ob sichtbar oder unsichtbar, leuchtend oder von Wolken verdeckt, sei es bei Tag oder bei Nacht, bei Vollmond wie auch bei Neumond....!“

      Hadhuin war sprachlos. Der Mond! Von sich aus wäre er im Leben nicht auf den Gedanken gekommen, Ghléan irgendeine besondere Bedeutung beizumessen. Er freute sich an ihrem Anblick, wenn sie leicht und weiß wie eine Feder über dem Abendrot schwebte; was er weniger schätzte war, wenn sie zu voller Pracht entfaltet den Nachthimmel erhellte und die Welt in silbriges Licht tauchte, das ihm nicht selten um den Schlaf brachte und zudem die Sterne überstrahlte, deren Heerschar ihm einen weitaus überwältigenderen Anblick bot. Wenn das jedoch gerade nicht der Fall war, nahm er sie allenfalls als Randerscheinung wahr, die keinerlei Einfluß auf sein Tun und Lassen hatte.

      Und jetzt wurde ihm gesagt, er solle sich vor ihr hüten. Und wie es schien, nicht ohne Grund, wenn er sich an die jüngsten Ereignisse erinnerte.

      Hadhuin erhob sich von seinem Sitzplatz und trat an den Rand seiner Felsenwohnung. Der Himmel war wolkenlos, und dem Stand der Sonne nach zu urteilen, schien es früher Nachmittag zu sein. Es war ein absolut windstiller Tag; so weit Hadhuins Auge reichte, waren alle Baumwipfel starr und regungslos. Im Gegensatz zu den windigen, regennassen Tagen, die er seit seiner Ankunft hier verlebt hatte, war die Luft jetzt angenehm trocken und kühl. Dennoch sah es so aus, als würde der Fremde recht behalten, und ein Kälteeinbruch stand bevor. Die Windstille kam Hadhuin trügerisch an, er hatte den Verdacht, daß sich der Wind nur drehte und bald aus der Gegenrichtung wehen würde, also von Osten.

      „Das Maultier ist auf der Weide?“ fragte er seinen Gefährten beiläufig, als dieser neben ihn trat. Er fragte mehr um das Schweigen zu brechen als um eine Antwort zu erhalten, die er ohnehin von vorneherein kannte.

      „Ja. Laß es grasen, so lange es noch etwas Grün findet, und um so länger wird es dir noch Milch geben können. Spürst du die Veränderung in der Luft?“

      „Ich spüre sie. Heute nacht wird es kalt werden, fürchte ich. Vielleicht sollten wir noch Holz heranschaffen, um....“