EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018). Andreas Bulgaropulos

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Название EBQUIZEON - Die Welt hinter der Welt (2018)
Автор произведения Andreas Bulgaropulos
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742744098



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die Kids waren nur schwer zu bändigen. Lester bescheinigte der Stadt und ihrer Fünf-Sektoren-Struktur zwar eine kräftige Durchmischung der Gesellschaftsschichten, dennoch hielten sich die sozialen Spannungen in Grenzen. Wahrscheinlich deswegen.

      Immerhin vermittelte Kap Rosa von oben aus betrachtet den Eindruck von Ordnung. Flog man darüber, erkannte man den durch die Stadtmauern geprägten, fünfeckigen Grundriss auf einer Fläche von dreißig Quadratkilometern. Im Zentrum dieses Pentagons lag der Raumhafen Luna-Space-Port, an den eine Mine pro Sektor grenzte. Die Schächte der fünf Minen fächerten unter der Oberfläche auseinander, führten in die Tiefen des Mondes und endeten bei den Förderanlagen, die wiederum an den Brymm-Adern saßen.

      Außer der Mine erhoben sich sieben turmartige Wohngebäude in jedem Sektor, die das Aussehen enormer Pilze besaßen: die zweihundertzwanzig Meter hohen Tower. Der obere, diskusförmige Teil hatte einen Durchmesser von hundertvierzig Metern, bestand aus fünfzehn Ebenen und beherbergte die Quartiere der darin lebenden zweitausend Menschen, die sich aus Minenarbeitern und Personal zusammensetzten. Jeweils drei dieser Wohnebenen bildeten eine Einheit und waren durch Antigrav-Lifte verbunden. Um den Mittelschachtbereich jeder Ebene lagen Galerien mit ihren Restaurants und Bars, außerdem die Bahnstationen und die begehbaren Arkadenlaufwege. Holografische Wasserspiele rundeten die Ästhetik ab.

      Im unteren Teil des Towers, dem »Pilzstiel«, befanden sich auf weiteren vierzig Ebenen Behördendienststellen, Schulen, Parkanlagen, Schwimmbäder, Fitnessbereiche, Einkaufszentren und eine Veranstaltungshalle sowie die medizinische Notfallstation und das Wartungs- und Reparaturcenter. Im Außenbereich umringten auf Ebene 35, 25 und auf Ebene 10 die Start- und Landeplattformen die Towerwand.

      Schon bei seiner Ankunft vor vier Jahren hatte Lester den Luftverkehr innerhalb der Stadt als beträchtlich erlebt, da neben den Zivilgleitern die Wartungs- und Sicherheitsteams zwischen den insgesamt fünfunddreißig Towern, den Minen und Luna-Space-Port pendelten. Die Betriebsamkeit war seither gestiegen und schloss den »Ground Level«, den Boden, mit ein.

      Dort schmiegten sich Gebäude wie Maschinenparks, Lagerhallen und Silos an das Gelände, von dem die allgegenwärtigen Rohrsysteme die Regenwasserfluten abpumpten. Straßen und Fußwege existierten ebenso, die Einwohner nutzten jedoch die frei schwebenden Verbindungstunnel zwischen den Turmgebäuden, die auch die Bahnen befuhren. Niemand hielt sich im Freien auf, da die Kraftfeld-Technologie versagte, wenn es darum ging, eine ganze Stadt gegen den Regen zu schützen. Die Generatoren unter der Mondoberfläche, welche die künstliche Schwerkraft erzeugten, verursachten Ionenfelder und brachten Schilde von großer Ausdehnung zum Kollabieren.

      Ohnehin bestand kein triftiger Grund für den Bürger, seinen Tower zu verlassen, da jeder ein autarkes System darstellte, das außer dem Arbeitsplatz das einzig notwendige Umfeld darstellte, das die Person zu sehen brauchte. Virtuelle Szenarien schwirrten ohnehin zu Millionen durch den Ex-R-Space und boten genügend Abwechslung.

      Eine Abwechslung, die auch der Bergarbeiter nutzte, der neben Lester stand und sich mit seinen Bekannten über ein Mehrspieler-Event im CrossStellarNet unterhielt. Das VidCom des Mannes klebte auf seiner Augenbraue, von wo aus sich seine Freundesliste in Form einer Kette aus holografischen Mini-Avataren zum Ohr zog, den Hals hinunter lief und von seiner Schulter baumelte. Am Ende der Kette drehte sich eine Zahl, welche die Größe der Gruppe anzeigte: Über sechzig seiner Bekannten kommunizierten in dem sozialen Netzwerk miteinander.

      Der Mensch ist der größte Unsicherheitsfaktor in diesem perfekten Skyrock-Getriebe. Auch wenn die Angestellten über ihre limitierte Online-Freizeit nörgeln … solange Kunstwelten wie Traglylon nicht von der Realität zu unterscheiden sind, muss die Company deren Nutzung kontrollieren und wie Urlaub handhaben.

      Natürlich hätte sich die Minengesellschaft Arbeitsdroiden für den Bergbau leisten können, um den Personalaufwand zu umgehen. Doch das Problem stellten die Laserfräsen dar, die zum Abbau des Brymm-Rohminerals verwendet wurden. Um eine Beeinträchtigung der Kristallstruktur und der daraus resultierenden, explosiven Kettenreaktion zu vermeiden, schnitten die Fräsen mit einer bestimmten Lichtwellenlänge. Das dabei entstehende Strahlungsfeld schädigte in seinem Wirkungsbereich wiederum künstliche Nano-Gehirne, weshalb die Droiden auf die Servicedienste in der Oberstadt beschränkt blieben und die Company sich konventioneller Arbeitskräfte bediente.

      Aber auch beim Menschen traten Schwierigkeiten in der Nähe des Brymm-Vorkommens auf. Die Rohkristall-Strahlung besaß eine solche Intensität, dass sie Kopfschmerzen bei den Bürgern Kap Rosas verursachte. Lester mochte sich nicht vorstellen, wie stark die Schmerzen ohne das Mittel »Silica-7« wären, das der Atemluft zugesetzt wurde. Die Bergarbeiter benötigten sogar eine Sonderdosis, wenn sie in die Minen einfuhren. Trotzdem spürte jeder ab und zu das dumpfe Pochen im Schädel.

      Die Gleiterbahn hielt, und die Fahrt war für Lester auf Ebene 35 zu Ende.

      Auf dem Weg hinaus grüßte er zwei Technical-Officers der Sol Guard, die vermutlich eine Überwachungseinrichtung reparierten. Die Kollegen waren zwei von mehr als fünftausend Angestellten, die Korvalinskis Unternehmen auf dem Mond beschäftigte. Geleitet wurde die hiesige Einsatzzentrale von Simon Isherhill, dem Senior-Chief of the Guard. Ein integrer Mann, der sich seit vier Jahren für den verbrechensfreien Betriebsablauf dieser Siebzigtausend-Arbeiter-Mineneinrichtung einsetzte. Lester folgte mit den anderen Teamführern auf der nächsten Rangstufe der größten Sicherheitsfirma des Sonnensystems.

      Als er ausstieg, rempelte ihn ein Polizeibeamter an. Der Mann knurrte einen Fluch, ohne sich zu entschuldigen. Lester ignorierte es. Die Gereiztheit der POE-Beamten war nichts Neues, und an dem ewigen Kompetenzgerangel zwischen dem Kap Rosa Police Department und der Sol Guard würde sich auch in Zukunft nichts ändern.

      Seit die Sol Guard ihren Dienst aufgenommen hatte, waren die Ordnungshüter der »Protection and Order for Everybody« schlecht auf das Schutzunternehmen zu sprechen. Der Hauptgrund dafür lag in den hundsmiserablen Löhnen des öffentlichen Diensts. Leider ließ die Erdregierung, der Arbeitgeber der POE, ihre Leute auch bei der Ausbildung und Ausrüstung nicht konkurrenzfähig dastehen. Die Situation impfte die Cops mit Verbitterung und Neid und behinderte die Stadtsicherheit – ein Dilemma, bei dem es am Ende keinen Gewinner geben würde.

      Aufgrund der Vertragsklauseln mit Skyrock fühlte sich die Erdregierung jedoch nicht verpflichtet, ihren Polizeiapparat abzuziehen. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Machthaber der Erde die Company in Kap Rosa nicht frei schalten und walten lassen wollten. Schließlich ging es hier um das Zentrum der größten Wirtschaftsleistung in der Menschheitsgeschichte.

      Lesters VidCom meldete sich um 06:03 Uhr. Das hauchdünne, überall platzierbare 3D-Foliendislpay für Privatgespräche blinkte, woraufhin das Gesicht einer Frau auf seinem Ärmel erschien. Er hatte sie mit einer anderen Frisur als dieser in Erinnerung, ein blonder Kurzhaarschnitt, der bei den Damen um die dreißig der letzte Schrei war. Ihre grünen Augen fixierten ihn selbstbewusst.

      »Guten Morgen, Chief-Officer Benx. Wie geht es Ihnen?«, legte sie voller Elan los. »Wir werden also zusammenarbeiten … prima! Wann treffen wir uns?«

      Sie lächelte auf eine energische Art, bei der sich Lester wünschte, Korvalinski hätte ihm seinen freien Tag gelassen. Er erwiderte ihr Lächeln nicht.

      »Guten Morgen, Ms. Vangristen«, knirschte er und ließ einen genervten Unterton heraushängen. So schnell das Vergnügen mit der Leiterin der »Internal Sol Guard-Affairs«, ISGA, zu bekommen, hatte er nicht erwartet. Eine Abteilung, die für den Zivilschutz und die Rechte der Bürger Kap Rosas im Zusammenhang mit der Arbeit der Schutzfirma zuständig war. »Sie sind ja ziemlich früh auf.«

      »Ich war noch gar nicht im Bett, Officer. Zu viel Arbeit!«

      Das kann ja heiter werden!, stöhnte Lester innerlich. »Mir wurde ebenfalls mitgeteilt, mich mit Ihnen kurzzuschließen, Ms. Vangristen. Doch im Moment ist das nicht drin. Ich stehe unter Zeitdruck, habe alle Hände voll zu tun mit der Leiche in Mine C und der Koordination des …«

      Freudestrahlend würgte sie die Aufzählung seiner Ausreden ab. »Perfekt! Das ist die richtige Gelegenheit für mich einzusteigen. Lassen Sie sich von mir bei der Identifikation der Person helfen, denn wir bei der Internen kennen