Doofenschwur. Thomas Kämpf

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Название Doofenschwur
Автор произведения Thomas Kämpf
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636830



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      Luise kam tatsächlich erst um zwanzig nach acht. Ich weiß, wir haben schon ausführlich über ihr Zuspätkommen gesprochen, aber ich halte es für wichtig, auch diesen Punkt nicht auszulassen. Bis heute glaubst Du mir ja nicht, dass Luise mir an diesem Morgen gezielt schöne Augen machte. Und selbst wenn sie es nur tat, um irgendwelche Vorteile zu erlangen, so hat mich doch gerade ihr Verhalten und Deine Reaktion darauf stark in meinen zukünftigen Handlungen beeinflusst.

      Aber der Reihe nach.

      Um zwanzig nach acht klingelte es also an der Tür. Ich hatte gerade die Kinder versorgt, mir das Duschen abgeschminkt - wofür gibt es Vierundzwanzigstundendeos - und war gerade dabei, mir die Krawatte zu binden, als Luise wie von der Tarantel gestochen an mir vorbei ins Haus stürmte.

      Während Du bei Stress nicht zuhörst, Susanne, kennt Luise bei Stress kein Punkt und Komma. "Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich wieder durchgemacht habe, Herr Klusmann!", begann sie. "Es ist jedes Mal aufs Neue eine Himmelfahrt hierher! Der ganze Verkehr und die vielen Leute ... Und als wenn das nicht genug ist, ruft auch noch mein Freund über Handy an. Während ich Auto fahre! Das müssen Sie sich mal vorstellen. Er fragt mich, warum ich ihn am Wochenende versetzt habe, dabei hat er sich drei Tage nicht bei mir gemeldet. Hatte so viel zu tun. Ein Student der Volkswirtschaftslehre!" Spöttisch lachte sie auf und zeigte mir, also eigentlich ihm, einen Vogel.

      "Luise", versuchte ich sie zu unterbrechen, musste aber feststellen, dass das keinen Sinn hatte. War Luise erst einmal in Fahrt, war es besser, sie ausreden zu lassen, bis sie von irgendetwas abgelenkt wurde. So folgte ich ihr in die Küche. Dann ins Wohnzimmer.

      Zweifellos suchte sie die Kinder, war aber durchaus noch in der Lage, ihre Geschichte zu Ende zu bringen. "Während der mir also die Ohren vollquatscht, hält mich ein Polizeiwagen an. Die wollen vierzig Euro von mir, weil ich den bekifften Hirngespinsten meines Freundes lausche. Ich rede also auf den Bullen ein, noch mal ein Auge zuzudrücken. Macht er aber nicht. Ich sag bitte, bitte. Er sagt danke, danke und fängt voll dämlich an zu lachen. Ich sag, jetzt wollen wir mal aber wieder ernst werden. Er sagt, so heißt er mit Vornamen und lacht noch dämlicher als vorher. Nein, sagt er dann, eigentlich will er nur wissen, ob es mir Wert wäre, anstelle der vierzig Euro, die Sache auf eine andere Art und Weise zu erledigen. Ich lasse mir das Ganze durch den Kopf gehen, was nicht lange dauert, sag schließlich ja und konnte nach zehn Minuten endlich gehen. - Och, da seid ihr ja!"

      Endlich hatte Luise die Zwillinge entdeckt, was für die nötige Ablenkung sorgte, um ihren Redefluss zu stoppen. Lea war gerade dabei, ihren Bruder eine Schnabeltasse voll Saft über den Kopf zu gießen, was Luise gerade noch verhindern konnte.

      "Was wollte die böse Lea mit dir machen?", fragte sie und beugte sich zu Max hinunter, um ihm die paar Tropfen, die ihn erwischt hatten, aus den Haaren zu wischen. Dadurch rutschte ihre Jeans ein Stück weit hinunter und gab den Blick auf das Spitzenbündchen ihres Slips frei. Unweigerlich malte ich mir die Art und Weise aus, mit der Luise den Polizisten beschwichtigt hatte.

      "Luise", sagte ich räuspernd. "Luise, ich glaube, wir müssen uns mal unterhalten. Das heißt, meine Frau wird das wohl tun, also ..."

      Sofort stand Luise auf, stellte sich vor mich hin und blickte mich mit ihren unschuldigen Kulleraugen ebenso unschuldig an. Ihr Dekolletee war verrutscht, aber das bemerkte ich erst viel später. Ich schwöre, Susanne, ich schaffte es ohne Probleme, Luise konzentriert in die Augen zu sehen. Nach einer fünftel Sekunde aber, wanderte mein Blick automatisch auf ihre festen Brüste.

      Luise ist aber auch ein hübsches Ding. Das ist Dir selbst auch schon aufgefallen. Trotz ihrer zwanzig Jahre wirkt sie, als wäre sie bereits durch alle Betten zwischen Wanne-Eickel und Timbuktu gehüpft. Es war als Mann unheimlich schwierig von ihrer einerseits unschuldigen, dann aber wieder verrucht schmutzigen Art nicht gefangen zu sein.

      "Es geht um Ihr Zuspätkommen", versuchte ich den Faden wieder aufzunehmen.

      "Aber ich habe Ihnen doch den Grund erklärt", antwortete Luise und atmete tief ein, worauf sich ihr Busen gefährlich hob.

      "Eben. Und Sie müssen mir eins versprechen. Wenn meine Frau sie darauf anspricht, behalten Sie den Grund um Himmels willen für sich."

      "Aber das war doch die Polizei in Schuld!"

      "Trotzdem. Es könnte Sie ins schlechte Licht rücken. Ein Mann wie ich, kein Problem. Aber Frauen sind da sehr voreingenommen."

      "Dann musste das Ihre Frau noch nie machen?"

      Langsam wurde mir der Kragen ein wenig zu eng. "Schon, aber eher mit mir. Nicht mit einem Polizisten."

      "Dann bieten Sie auch so etwas an?"

      "Herrgott nochmal, Luise! Sie sind unsere Nanny."

      "Ja, und?"

      "Na das möchten Sie doch bleiben, oder nicht?"

      "Klar! Sie geben doch ordentlich Trinkgeld." Sie verzog das Gesicht. "Na schön, dann mache ich das eben nicht bei Ihnen, sondern bei der Polizei."

      "Moment, ich denke, Sie haben schon ... da ... was immer Sie machen mussten gemacht."

      "Nein, Herr Klusmann, da habe ich doch nur das Formular ausgefüllt. Das Sicherheitsfahrtraining ist frühestens nächsten Monat."

      "Was für 'n Training?"

      "Das Sicherheitsfahrtraining, das ich anstelle des Bußgeldes machen muss. So spare ich immerhin vierzig Euro. Ist Ihnen nicht gut, Herr Klusmann?"

      "Mir geht's bestens."

      "Also sage ich Ihrer Frau nichts davon. Andererseits, wenn Sie wiederum Ihrer Frau nichts von meinem Zuspätkommen sagen, dann brauche ich nicht zu lügen."

      "Luise ..." Ich stockte. Immer näher rückte sie an mich heran, hielt aber trotzdem genug Abstand, damit ihre Brustwarzen mich nicht berührten. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.

      "Letztlich war das ja die Schuld meines Freundes", erklärte mir Luise. "Er hat noch nicht so viel Lebenserfahrung wie Sie. Er weiß nicht, wie man eine Frau behandelt, sonst hätte er mich gefahren. Ist es nicht so, dass ein Mann seine Frau in jeder Lebenslage beschützen muss?" Luise ergriff meine Krawatte und rückte den Knoten zurecht. Fast beiläufig berührten die Knöchel ihrer Finger zaghaft mein Kinn und meine Wange. Und wieder brach mir der Schweiß aus. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich aus dieser Situation herauskommen sollte.

      "Ich bin sicher, Sie wissen, wie man eine Frau behandelt." Sie benetzte mit der Zunge verführerisch ihre Lippen. "Natürlich wissen Sie das, sonst hätten Sie nicht eine so hübsche Frau. Ich frage mich, ob ich auch mal so viel Glück haben werde wie Frau Klusmann."

      "Ich muss jetzt wirklich los", erwiderte ich hastig.

      "Dann werden Sie Ihrer Frau nichts sagen?"

      "Wenn Sie mir versprechen, dass es das letzte Mal war."

      "Ich tue alles, was Sie wollen", sagte sie verführerisch.

      "Schön, dann ziehen Sie sich ab morgen was Ordentliches an, sonst wird noch der Hund in der Pfanne verrückt." Ich tat einen Schritt zurück, griff nach meinem Sakko und stürzte aus dem Haus. Kaum, dass die Tür ins Schloss gefallen war, tupfte ich mir mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn.

      Völlig perplex ging ich zum Auto und sah Valerie, die vom Lkw sprang und einen Karton von der Hebebühne nahm. Ein freundliches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie mich erblickte. Und wie heute Morgen, zwinkerte sie mir ein asiatisches Äuglein zu.

      Langsam wurde es mir unheimlich. Was war denn auf einmal los? Da wird man jahrelang von keiner Frau beachtet, nicht einmal die eigene Frau erkennt deine Vorzüge, und auf einmal, ZACK!, lachen sie dich über die Straße hinweg an oder versuchen dich mit ihren Brustwarzen zu erstechen.

      Okay, ich sehe förmlich, wie Du die Augen verdrehst, Susanne. Aber für mich war das eben ein schönes Geburtstagsgeschenk.

      Moment ...

      Auf einmal fiel mir auf, dass Du mir noch gar nicht zu meinem vierzigsten Geburtstag gratuliert hattest.