Doofenschwur. Thomas Kämpf

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Название Doofenschwur
Автор произведения Thomas Kämpf
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636830



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sagst du das nicht gleich." Er verdrehte seufzend die Augen. "Das schränkt die Haarfarbe doch extrem ein."

      Während Norman sich einem anderen Regal zuwandte, machten Matze und ich uns über die Bilder im Kamasutra lustig. Keine gefühlte Minute später tätigte Norman einen freudigen Ausruf und tat einen Luftsprung, was aber im höchsten Maß ungelenk wirkte. "Heureka! Ich habe sie! Ich habe sie gefunden!"

      Sofort stürzten Matze und ich zu Norman. Ungeduldig riss ich ihm das Cover zu dem Film Ein Traum aus feuchter Seide aus der Hand. Ein weiteres Meisterwerk, in dem meine asiatische Schönheit mitgespielt hatte. "Tatsächlich", sagte ich erfreut. "Das ist sie!"

      "Mensch, was für ein scharfes Luder!", rief Matze aus. Er nahm mir das Cover aus der Hand, drehte und wendete es aufgeregt.

      Da nahm ihm Norman das Cover wieder ab und zeigte mit dem Finger auf Tina Hype. "Sie ist übrigens Eurasierin", dozierte er. "Man kann in den Gesichtszügen den europäischen Einschlag durchaus erkennen."

      Norman nahm die Kassette aus der Hülle und steckte sie in den Videorecorder. Er schaltete den Fernseher ein und riss drei Tücher von einer Küchentuchrolle ab, die er nebeneinander auf den Tisch legte. "Setzt euch", sagte er.

      "Wofür ist das denn?", fragte ich und zeigte auf die Tücher. Ich setzte mich vor das erste, Matze vor das letzte Tuch.

      "Matthias sagte mir, du hättest bei Tina Hypes Anblick zum ersten Mal ejakuliert", erklärte Norman in einem unbeteiligten Ton. "Mein Vater steht zwar Körperflüssigkeiten relativ aufgeschlossen gegenüber, aber bei seiner Couch ist er echt pingelig."

      Norman widmete sich wieder seinen Vorbereitungen. Er spulte das Band bis zu der Stelle vor, an der der Film begann. Da er mir den Rücken zuwandte, nutzte ich den Augenblick, Matze einen "Wie konntest du ihm das nur erzählen"-Blick zuzuwerfen. Aber Matze zuckte nur die Achseln.

      Norman setzte sich zwischen uns, die Fernbedienung des Videorecorders in den Händen. "Nur noch mal fürs Protokoll. Nach der Ejakulation entsorgt ihr eure Papierhandtücher in den dafür vorgesehenen Tischabfallbehälter. Bevor ihr irgendetwas anfasst, außer euch selbst, geht nach nebenan ins Bad und desinfiziert euch die Hände. Das Licht ist bereits eingeschaltet, eine Kontamination des Schalters ist daher ausgeschlossen."

      Er nahm das Küchentuch, das vor ihm lag, und öffnete sich die Hose. Matze, der sofort begriff, was nun Ambach war, tat's ihm gleich.

      "Nun denn! Lasst uns beginnen", sagte Norman feierlich. "Bin gespannt, was an Tina Hype so besonders ist."

      Ich glaube, ich muss nicht betonen, dass mir das alles unheimlich vorkam. Das Haus, der Keller, die Pornosammlung, vor allem aber Norman. Matze hingegen machte sich überhaupt gar keine Gedanken. Noch während der Vorspann lief, versuchte er bereits, das Beste aus sich herauszuholen. Bei Norman bekam man es Gott sei Dank nicht mit. Er nahm das Papierhandtuch als Sichtschutz.

      Tja und ich ... Ich versuchte mich auf den Film zu konzentrieren, was mir aber erst gelang, als Tina Hype auftauchte. Hielt ich bisher die ersten zehn Minuten von Heiße Schnecken auf der Überholspur für das beeindruckendste Stück Pornogeschichte, so wurde ich von Ein Traum aus feuchter Seide eines besseren belehrt.

      Ich war von Tina Hypes makellosem Körper und ihren Beischlaftalenten zutiefst beeindruckt. Wie in Trance griff ich nach dem Küchentuch, schloss die Augen und stellte mir vor, dass ich anstelle ihres stark behaarten und damit unattraktiven Partners war.

      Was soll ich sagen, Susanne ... Ich muss Dir ja nicht alles haarklein erzählen. Jedenfalls dauerte es nicht mal halb so lang wie beim ersten Mal. Und aus feuchter Seide wurde ein feuchtes Papiertuch. Mich verwunderte das, war ich doch eigentlich von Matzes und Normans Anwesenheit ein wenig eingeschüchtert.

      Und auch jetzt noch, als ich mir die Hände wusch, schämte ich mich vor meinem besten Freund. Der war aber wie immer guter Dinge. "O du hast so recht gehabt!", sagte er, jeden Mikroliter seiner Endorphine auskostend. "So ein geiles Luder. Wenn ich der mal begegnen würde …"

      "Fünfunddreißig Sekunden", sagte ich fassungslos. "Länger hat's nicht gedauert. Wie schafft man es bei so einer Frau, länger als fünfunddreißig Sekunden durchzuhalten?"

      "Ach, das kommt alles mit den Haaren am Sack

      "Ich weiß nicht. Irgendwie fühle ich mich schon ein bisschen unter Druck gesetzt."

      "Mein Bruder sagt, wer länger braucht als fünf Minuten ist schwul." Matze nahm mich bei den Schultern. "Ich sag dir was. Sollten wir jemals - und ich senke meine Stimme, um die Ernsthaftigkeit meiner Worte zu unterstreichen - sollten wir also wirklich jemals in unserem Leben, Tina Hype über den Weg laufen ... Bei Gott, dann machen wir es so wie im Film."

      Die Vorstellung gefiel mir. "Du hast recht! Wir nehmen sie so richtig hart ran, bis sie nicht mehr gerade laufen kann."

      "Bis sie auf ihren Brustwarzen zur Toilette kriecht und um Pause bettelt."

      "Egal, ob wir 'ne Freundin haben oder nicht."

      "Egal, ob Tina will oder nicht."

      Ich stutzte. "Na ja, wollen sollte sie schon, sonst ist's Vergewaltigung."

      "Richtig, darauf sollten wir schon achten." Feierlich nahm mich Matze bei den Händen. "Sollten wir jemals in unserem Leben Tina Hype über den Weg laufen und sie mit uns vögeln wollen, was natürlich keine Frage ist, denn immerhin sind wir cool ... Also, sollte sie mit uns vögeln wollen, dann werden wir ihr das Hirn aus dem Leib ficken, koste es, was es wolle!"

      "Das werden wir!", sagten wir feierlich aus einem Munde.

      "Eine ausgezeichnete Idee", sagte Norman, der gerade die Toilette betrat, "wo doch so ein Pakt unwillkürlich zusammenschweißt. Ich habe mir zwar noch nicht die Hände desinfiziert, aber ... Ich bin dabei!" Und damit legte Norman seine ungewaschene Hand auf die unseren.

      Ich muss dir ja nicht sagen, Susanne, dass ich relativ schnell unseren Pakt als Doofenschwur betrachtete. Bis zu den Ferien trafen wir uns noch einige Male mit Norman. Als Matze aber schließlich die Schule wechselte, schlief das Dreiergespann langsam ein. Die Nachhilfestunden für Matze waren überflüssig geworden und außer der Pornosammlung seines Vaters, gab es an Norman nichts Angenehmes. Und so verloren wir Norman langsam aber sicher aus den Augen. Und mit ihm meine Erinnerung an diesen Schwur. Aber du weißt ja, wie das ist. Manchmal holt einen die Vergangenheit ein. Und das, liebe Susanne, geschah sechsundzwanzig Jahre später. Genau genommen letzten Freitag.

       Freitag

       Willkommen in der Vorstadt

      Ich kam wie jeden Morgen mit Tobi vom Joggen. Der rote Porsche Boxster, der vor dem Haus der Ostermanns parkte, fiel mir sofort auf, als ich in unsere Straße bog. Auch Tobi schien von dem Wagen angetan. Schwanzwedelnd zog er mich hechelnd zu einem Urinfleck, der auf der glattpolierten Felge des Hinterreifens prangte.

      Der Porsche Boxster ist ein schnittiges Ding. Wenn auch ein Frauenauto, das trotz seiner Sportlichkeit zierlich und klein wirkt. Dadurch erscheinen selbst Motor und Ventile feminin. Stutenantrieb halt. Ich weiß auch gar nicht, wofür ein Porsche Boxster gut ist. Ein echter Mann bevorzugt einen 900irgendwas. Zumindest etwas Kraftvolles. Immerhin dient das Auto ja dem Zweck, mangelnde Potenz zu kompensieren. Was aber kompensiert eine Frau?

      Körbchengröße A?

      Eine unterentwickelte Gebärmutter?

      Manchmal will der Fahrer einem willigen Weibchen auch einfach nur signalisieren: "Hey, nimm mich, ich bin vielleicht nicht gut bestückt, aber kein anderer bringt dich nach dem Sex schneller wieder nach Hause."

      Das ist mir bei einer Frau noch nie passiert. Andererseits hatte mich eine Frau auch noch nie nach meiner Handynummer gefragt, mich angetanzt oder mich zweideutig angelächelt. Selbst als WIR uns kennenlernten, Susanne, lief es brav und eindeutig unzweideutig ab. Dich interessierte nur das Seminar zur Verringerung des Ökologischen Fußabdrucks im Hinblick auf die Bekämpfung des Klimawandels. Für