Doofenschwur. Thomas Kämpf

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Название Doofenschwur
Автор произведения Thomas Kämpf
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636830



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Mach mich schwanger

      "Glauben Sie mir, ich habe alles versucht. Ich finde keine Putzfrau für vier Euro die Stunde. -- Nein, ich habe nicht in Polen inseriert. Ich meine, selbst wenn, wo sollte sie denn wohnen? -- Nein, Frau Hagenfeld, eine Waschküche ist als Wohnraum nicht angebracht. -- Ein Trockenspeicher auch nicht. -- Ich glaube Ihnen ja, dass früher alles besser war, aber … -- Wie Schwarzmarkt? -- Ach, eine Schwarze auf dem Markt … Ja, die gibt's freilich, aber selbst Afrodeutsche müssen trotz ihrer Hautfarbe vernünftig bezahlt werden. -- Ja, ich verstehe. Verbleiben wir doch so, ich schaue mich noch einmal ausgiebig nach einem Untermenschen um und sie überlegen sich derweil, ob Sie nicht vielleicht doch auf sechs Euro hochgehen können, okay? Ich rufe Sie dann an!"

      So oder so ähnlich laufen meine Telefongespräche mit Eigentümern ab, Susanne. Es gibt einen Grund, warum ich Dir so gut wie nichts über den Beruf des Immobilienverwalters erzähle. Nein, eigentlich zwei. Erstens interessiert es Dich sowieso nicht, zweitens würde ich mit Sicherheit über meine Lamentation anfangen zu heulen.

      Du hast mich mal gefragt, ob ich zufrieden bin und ich habe flüchtig mit einem "Ja" geantwortet, aber die Wahrheit ist, Susanne, dass ich meinen Beruf hasse. Ich verabscheue ihn und alles, was damit zusammenhängt: die Eigentümerversammlungen, die Eigentümer selbst, neue Mieter, die nur fordern. Ich hasse es, mich mit Installationsfirmen auseinandersetzen zu müssen, ich hasse Buchungen und die gottverdammte Computerarbeit, aber am allermeisten hasse ich SIE! Ulrike Kleinert! Deine Sandkastenfreundin und meine Chefin! Ich hasse es, dass ich ihr ewig dankbar sein muss, dass sie mich auf Deine Bitte hin eingestellt hat. Nicht nur, dass sie überhaupt nichts von Mitarbeiterführung versteht, sie hält sich auch noch für fair und umgänglich.

      Nur, damit Du mal einen Einblick von den merkwürdigen Verhaltensweisen Deiner ehemaligen Sandkuchenbäckerkollegin bekommst: hier mein ach so toller Morgen bei der Immobilienverwaltung Kleinert.

      Ich hatte gerade das unsägliche Gespräch mit Frau Hagenfeld beendet, als die Kleinert auch schon in ihrer mittelständigen Einfältigkeit von einem Maklertermin zurückkehrte. Ohne Umschweife steuerte sie auf meinen Schreibtisch zu. Ihr Blick gab unmissverständlich Ausdruck darüber, dass sie es auf mich abgesehen hatte. Herausfordernd baute sie sich deshalb neben meinem Schreibtisch auf. Ich, der sich seinen Becher gegriffen hatte, um sich einen Kaffee zu holen, blieb eingeschüchtert sitzen.

      "Wo warst du, Jan, was?"

      Ach ja, fast vergessen. Ich hasse auch die Art, wie sie mit mir spricht. Die Kleinert duzt uns alle, um eine heimelige Arbeitsatmosphäre zu erzeugen. Wir dürfen sie auch duzen. Aber niemand, bis auf die schleimende Monika vom Empfang, macht Gebrauch davon. Das hält die Kleinert aber keinesfalls davon ab, ihrerseits die Du-Form beizubehalten.

      "Sag es mir bitte, du", versuchte die Kleinert es noch einmal. "Wo warst du, hm, wie?"

      "Heute ging's bei mir wirklich drunter und drüber", sagte ich und hob entschuldigend die Achseln. "Ich hätte nicht mal annähernd pünktlich sein können."

      "Das finde ich sehr bedauerlich, was, Jan?", sagte die Kleinert betroffen. "Wir waren verabredet, du, was? Ich habe mich darauf verlassen, dass du einiges über das Objekt sagen kannst, wie? Wie stand ich denn da, was? Wie ein Trottel stand ich da. Nicht eine Frage konnte ich dem Kunden konkret beantworten." Sie schüttelte den Kopf und rieb sich ob meiner Verantwortungslosigkeit den Nasenrücken. "Was war es denn diesmal?", fragte sie, ohne aufzublicken.

      "Der Babysitter?", gab ich als mögliche Antwort.

      "Hattest du schon letzte Woche dreimal, was? Vielleicht doch nicht lieber eine Alternative? Hm? Ist aber eigentlich auch egal. Wen interessieren schon Gründe? Das ist die gelbe Karte, Jan. Ist dir klar, ne? Drei Tage Kaffeeverbot, das weißt du, was?"

      Ich nickte und stellte reumütig meinen Kaffeebecher in die Schublade.

      "Du hast mich schwer enttäuscht, du, Jan. Denk mal drüber nach. Und wenn du reden willst, ne, ich bin in meinem Büro."

      Für mich gab es da nichts zu reden. Es gab auch nichts zum drüber nachdenken. Es brauchte nicht viel, um vor der Kleinert, wie ein Trottel dazustehen. Das Kaffeeverbot, ausgesprochen vor versammelter Mannschaft, war schon harter Tobak. Sie wusste genau, dass der fehlende Kaffee am Arbeitsplatz uns allen wehtat, und dass jeder im Büro auf das Verbot mit Schadenfreude reagierte.

      Erst vor einem halben Jahr hatte die Kleinert eine teure DeLonghi gekauft. Das Ding hatte einen eigenen Milchaufschäumer und brühte jede Art von Kaffee in Sekundenschnelle. Wir hatten uns so an die Maschine gewöhnt, dass sie durch nichts zu ersetzen war. Unsere Abhängigkeit berauschte die Kleinert in ihrem totalitären Machtgefüge. Sie liebte das Gefühl über andere zu herrschen und nutzte jene Macht natürlich gern und ausgiebig aus.

      Hatte die Kleinert ihr Kaffeeverbot erst einmal ausgesprochen, war die einzige Möglichkeit, an einen Kaffee zu kommen, die Zweigstelle einer Versicherung, die unter uns werkelte. Diesen Kaffee durften wir aber nicht mit ins Büro nehmen. Sonst verlängerte sich das Nutzungsverbot für die DeLonghi.

      Ich atmete tief durch, als die Kleinert endlich abhaute. Aber, o Wunder, da sie ja in keiner Situation ein Ende fand, kam sie noch einmal zurück, um ihrem Bedauern über mein unzuverlässiges Verhalten Nachdruck zu verleihen. "Wirklich, Jan, du, Mensch, du hast mich echt schwer enttäuscht." Mitfühlend legte sie mir die Hand auf die Schulter und ging traurig in ihr Büro.

      Sie ist übrigens die Einzige, die ein Büro hat. Durch die Glasfront hat sie uneingeschränkten Blick auf uns und kann jeden unserer Schritte verfolgen. Dazu muss sie aber erst die Jalousie einfahren. Ich wusste, dass ich an diesem Tag im Fokus ihrer Beobachtungen stehen würde. Vor allem, als sie ein drittes Mal kam, um mir ein Päckchen auf den Schreibtisch zu stellen.

      "Das wurde für dich abgegeben, was? Du ... achte doch bitte darauf, dass deine Privatpost auch bei dir zu Hause ausgeliefert wird, ja? Wie?"

      "Mach ich. Und danke", aber da war sie schon verschwunden. Und diesmal endgültig.

      Ich überlegte, von wem das Paket wohl sein könnte. Einen Absender gab es nicht, und anstelle eines Paketscheins, klebte dort ein Klebebildchen von Duplo, das Mesut Özil zeigte. Ich öffnete das Paket und brachte zwei Flaschen Radeberger zum Vorschein. An einer Flasche war eine Notiz geheftet: "Alles Gute zum Geburtstag. Guck mal aus dem Fenster!"

      Unten auf dem Parkplatz stand ein gelber DHL-Lieferwagen, auf dessen Dach mein Freund Matze saß. Er jonglierte eine aufgeblasene Gummipuppe auf dem Schoß, der er mit einem Edding eine Nachricht auf den Po geschrieben hatte: "Nimm mich zum Vierzigsten!"

      "Ich mache Mittag!", rief ich in die Runde, schnappte mir die zwei Flaschen Bier und stürmte aus dem Büro.

      Ich hab's Dir nie erzählt, Susanne, aber Matze holt mich öfter, wenn auch nicht regelmäßig, zur Mittagspause ab. Anders als ich, ist er als Paketzusteller der DHL flexibler in seiner Arbeitszeit und kann deshalb seine Pause nehmen, wann immer er will. Wir fahren dann in ein nahegelegenes Waldstück am Rand der Stadt, wo ein ruhiger See uns mit Hilfe einer Flasche Bier entspannt. Es tut gut, den Stress der Immobilienverwaltung abzustreifen und sinnentleerte Gespräche mit Matze zu führen. Auf ihn kann und konnte ich mich stets verlassen. Er vergisst nie meinen Geburtstag.

      "Du bist der Erste, der mir heute gratuliert", sagte ich und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.

      "Nicht mal Susanne?"

      Ich schüttelte den Kopf. "War aber auch stressig heute Morgen. Unser Babysitter kam mal wieder zu spät.

      "Ach ja ... Luise." Er lachte dreckig, wie nur Matze es konnte. "Stoß ihr doch mal kräftig Bescheid."

      "Rede keinen Scheiß, Matze. Luise ist viel zu jung."

      "Sie ist zwanzig!"

      "Und ich bin vierzig. Das macht mich doppelt so alt."

      "Schon, aber zwanzig Jahre weiter, verkürzt sich der Unterschied auf ein Drittel. Mensch, da kriegst du so ein Mädel frei Haus geliefert und gräbst sie nicht mal an? Ich wünschte, wir hätten auch eine Babysitterin wie Luise. Ich würde sie anbaggern. Du musst mal was riskieren