Doofenschwur. Thomas Kämpf

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Название Doofenschwur
Автор произведения Thomas Kämpf
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636830



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erstellten, kamen wir über Deine vegetarische Lebenseinstellung ins Gespräch.

      Mann, Du warst damals so was von leicht zu beeindrucken. Als Puddingvegetarier reichte es schon, wenn man Dir ernsthaft zuhörte und als Konsequenz einen Schokoriegel anstelle eines Rindersteaks vertilgte.

      Aber was schreib ich da. Du weißt sehr gut, wie wir uns kennengelernt haben. Kommen wir also lieber auf den Porsche Boxster zurück, auf den Tobi neugierig schnüffelnd reagierte. Er unterzog das Hinterrad einer genauen nasalen Inspektion, hob kurz das Bein und folgte dann seinem Instinkt auf den Rasen, wo er sich mehrmals im Kreis drehte und schließlich das tat, was er eigentlich zwischen Parkein- und Parkausgang hätte tun sollen. Er hockte sich zum Kacken hin.

      Seitdem die Ostermanns hier nicht mehr wohnten und der Rasen unkontrolliert gen Himmel wuchs, war es für Tobis Enddarm eine Selbstverständlichkeit, erst dort seine Tätigkeit aufzunehmen. Normalerweise hatte ich für solche Fälle stets einen Kackbeutel dabei, aber meistens, so auch heute, hatte ich ihn auf dem Küchentisch vergessen.

      Zu allem Überfluss rollte auch noch ein Möbelwagen heran, der hinter dem Porsche parkte. Einem Geistesblitz zufolge holte ich mein Handy hervor und tat so, als hätte ich eine extrem wichtige SMS zu schreiben. Von der modernen Kommunikationsmöglichkeit abgelenkt, bekam ich angeblich weder mit, was mein Hund da machte, noch dass sich die Möbelpacker darüber amüsierten. Wohl aber bemerkte ich aus dem Augenwinkel heraus die Frau, die trotz des kühlen Märzmorgens in Hotpants und Spaghettishirt das Haus der Ostermanns verließ und auf mich zukam. Ich drehte mich demonstrativ zur Straße und ignorierte sie, wie auch meinen kackenden Hund.

      "He, Sie da!", rief die Frau, doch ich widerstand dem Drang, von meinem Handy aufzusehen. "Hallo! Ich rede mit Ihnen!"

      Ich tat überrascht. Als ich ihr aber ins Gesicht blickte, wurde aus der gespielten Überraschung eine ernstzunehmende Entgleisung jeglicher Gesichtsmuskulatur.

      Nie zuvor hatte ich eine ebenmäßigere Anordnung aus Wangenknochen, Augen, Mund, Kinn und Nase gesehen, wie bei dieser asiatischen Mittvierzigerin. Umrahmt wurde die Komposition mimischer Merkmale von wallendem, schwarzem Haar, das ebenso wie ihre natürlich gebräunte Haut im Licht der Morgensonne erstrahlte. Arme und Beine waren filigran gearbeitet, zeugten jedoch in ihrer fein abgegrenzten Muskelmasse von sportlicher Aktivität. Ihre Brüste hingegen waren groß und üppig, vermissten aber den fehlenden BH in keiner Weise. Kurz: Sie war die wohl attraktivste Asiatin, der ich in den letzten Jahren begegnet war.

      Liebe Susanne, bei der Gelegenheit muss ich etwas klarstellen. Als ich mich entschloss, Dir diesen Brief zu schreiben, bemühte ich mich um schonungslose Ehrlichkeit. Immerhin soll er Dir helfen, meine Beweggründe zu verstehen. Ich halte es daher für wichtig, meine Gefühle und Sehnsüchte, auch, wenn ich Dich damit verletzen sollte, offen zu legen. Nur so, glaube ich, bist Du in der Lage, am Ende eine Entscheidung zu treffen bzw. sie noch einmal zu überdenken. Außerdem warst Du ja immer für Offenheit in der Beziehung.

      Schön, dann hätten wir das ja geklärt!

      Kampflustig sah mich also die asiatische Schönheit mit ihren tiefschwarzen Augen an und zeigte mit ihrem langen Zeigefinger auf Tobi, der sie hechelnd anlachte. „Ihr Hund macht auf meinem Rasen."

      "Ach, das ist Ihr Rasen?", fragte ich überrascht. "Hier haben doch mal die Ostermanns gewohnt."

      "Kenne ich nicht."

      "Horst Ostermann", sagte ich. „Er war Geschäftsführer bei einer Billigkette für Bürobedarf. Rieke, seine Frau, kassierte im Supermarkt vorn an der Ecke. Sie konnten die Raten fürs Haus nicht mehr bezahlen, als Horst seinen Job verlor. Konkurs. Bedauerliche Geschichte."

      "Trotzdem macht ihr Hund jetzt auf meinen Rasen", sagte die asiatische Schönheit schnippisch. „Sie machen das doch hoffentlich weg!"

      "Klar! Die Hinterlassenschaften meines Hundes mache ich immer weg."

      "Ha!", lachte es hinter mir auf. Die alte Frau Kretschmer, Nachbarin von direkt gegenüber, stand feixend mit ihrem Rollator zwischen Porsche Boxster und Möbelwagen und schaffte es offenbar nicht den Bordstein hinauf. "Normalerweise kackt sein Köter auf mein Grundstück", geiferte sie. "Irgendwann werde ich diese Töle vergiften!"

      "Frau Kretschmer", sagte ich mit gespielter Entrüstung und am liebsten hätte ich ein "Sie alte Dreckschleuder" nachgesetzt. Ich hasse diese Gewitterziege! Ja, Susanne, auch, wenn sie Dich an Deine Großmutter erinnert.

      Noch ehe Frau Kretschmer weiter ihr Gift verspritzen konnte, war einer der Möbelpacker, die mittlerweile den Lkw verlassen hatten, herangetreten, um der alten Schachtel beim Erklimmen des Bordsteins zu helfen.

      "Nehmen Sie Ihre Finger weg!", geiferte das alte Weib. "Ich lasse mich nicht von Polen begrapschen."

      Der Möbelpacker blickte sie verdutzt an.

      "Leugnen Sie nicht", fuhr die Kretschmer fort. "Sie sind Pole! Man sieht es an Ihrem runden Schädel. Ich weiß, wovon ich rede. Sie sehen aus wie Meister Proper. Ich hasse Meister Proper. Hat mir das antike Parkett verkratzt. Aus Polen kommt nichts Gutes."

      "Ich bin Schwabe", sagte der Möbelpacker kleinlaut, der die alte Kretschmer um mindestens vier Köpfe überragte.

      "So weit sind wir schon gekommen", fühlte sich Frau Kretschmer bestätigt. "Ein Schwabe, der leugnet ein Pole zu sein, ein kackender Köter und eine Chinesin, die bei den verschissenen Ostermanns einzieht. Er ging ja noch, aber sie war 'ne Schlampe."

      "Auch wenn es nicht so aussieht", sagte die asiatische Schönheit mit einem Lächeln, das eine Reihe strahlend weißer Zähne entblößte, "aber ich bin in Deutschland geboren."

      "Ja sicher. Und Mao war Betriebsrat beim Chinamann um die Ecke." Kopfschüttelnd hob die alte Kretschmer den Rollator auf den Bürgersteig. "Eine verschissene Welt, in der wir leben. Eine Chinesin … Hier … Bei uns!!! Wenn das mein Eberhard wüsste." Immer noch kopfschüttelnd rollte sie an uns vorbei und gab weitere Tiraden unverständlicher Beleidigungen von sich.

      "Tja", sagte ich mit einem Schmunzeln. "Willkommen in der Vorstadt."

      Ich erwartete ein Lachen als Antwort, musste aber feststellen, dass die exotische Nachbarsfrau erneut auf Tobis Haufen starrte.

      "Ja, den mache ich dann jetzt mal weg", sagte ich tatendurstig und klopfte meine Hosentaschen nach einem Kackbeutel ab, der in Wahrheit ja auf unserem Küchentisch lag.

      "Sie hätten nicht zufällig ...", begann ich und sah, wie die Exotin ihre Augen verdrehte und zu ihrem Porsche ging.

      "Könnten wir--", begann nun auch der schwäbische Möbelpacker, dem aber sogleich mit einem endgültig aussehenden Wink der Mund verschlossen wurde.

      Unbeirrt nahm die asiatische Schöne eine Kiste vom Beifahrersitz und kramte eine Gartenschippe heraus, die sie mir in die Hand drückte. "Damit müsste es gehen."

      Ich hatte Mühe, Tobis Würste allesamt mit der Schippe aufzuklauben.

      "Geht's?", fragte sie.

      "Mit ein bisschen Geschick ... Mein Name ist übrigens Jan Klusmann. Ich wohne direkt nebenan."

      "Valerie", antwortete sie und reichte mir ihre Hand.

      Ich weiß nicht, ob Du Dich noch erinnern kannst, Susanne. Ich erzählte Dir damals, dass, als wir uns kennen lernten, ein Schauer durch meinen Körper direkt in meine Genitalien fuhr, als wir uns das erste Mal bei den Händen nahmen. Nie wieder löste eine Frau ein derart sexuell stimulierendes Gefühl durch bloße Berührung in mir aus. Nie wieder, bis an jenem Freitagmorgen.

      Selbstverständlich gab ich dem Gefühl keine Chance ... Ich bin ja verheiratet ... Mit Dir ... Und ich war auch wirklich schon im Gehen begriffen, als sie mit ihrem Perlweißlächeln und einer warmen Stimme sagte: "Eigentlich mag ich Hunde. Ist das ein Labrador?"

      "Richtig."

      "Die mögen Wasser, nicht wahr?

      "Eigentlich schon, aber nicht Tobi. Er hasst Wasser. Bei Spritzwasser fängt er an zu knurren. Tröpfelt es von oben, wird er bissig. Nur wenn es langsam von unten ansteigt,